Salate und Regionen

Insbesondere von meiner Kundschaft im Taxi werde ich gerne gefragt, ob ich es denn bereut hätte, nach Berlin zu ziehen. Und immer wieder muss ich sagen:

„Nein! Natürlich nicht!“

Der Grund dafür ist aber weit weniger Berlin, als man gemeinhin annehmen sollte. Das soll jetzt nicht negativ klingen, denn ich habe die Stadt sehr zu schätzen gelernt. Mehr aber mag ich es eigentlich, dass ich nun zwei sehr unterschiedliche Städte mehr oder minder gut kenne. Die Häuser werden zwar hier wie dort aus Holz, Steinen und Beton gebaut; aber es gibt viele interessante Unterschiede. Und diese Unterschiede sind oft besser als die ein oder andere regionale Begebenheit an sich. Die Sprache ist anders, teilweise die Menschen. Aber auch Dinge wie die Küche.

Um ehrlich zu sein: Ich habe die schwäbische Küche nie als sonderlich aufregend empfunden. Wie auch? Ich bin ja Schwabe. Für mich war das alles bestenfalls normal. Aber dann komm‘ mal nach Berlin …

Ich möchte der Berliner Küche nicht Unrecht tun, aber so sonderlich toll ist sie nicht. Das allerdings hätte ich eigentlich auch über die schwäbische gesagt. Ich bin zwar ein Freund deftiger Speisen und lege auch mehr Wert aufs Sattwerden als auf die letzte ausgefeilte Thymiannote am Salat, aber seit wir in einer globalisierten Welt leben, zeigt sich doch, dass die Einflüsse aus anderen Ländern oft eher hilfreich als schädlich sind.
Vermutlich ist das wie immer die Sicht des Insiders. Ich hab ja auch bis zu meiner Reise nach New York gebraucht um festzustellen, dass deutsches Bier echt ein Segen ist.

Und so stellte sich im Laufe der letzten Jahre meiner durchaus als interkulturell zu bezeichnenden Beziehung mit Ozie (Hey, Nord-Süd, Ost-West, alles auf einmal!) heraus, dass sie – mehr als ich fast noch – der schwäbischen Küche zugeneigt ist. Das betrifft zwar nicht das auch in Berlin allerorten anzutreffende Laugengebäck, aber zumindest doch mal Maultaschen (auch selbstgemachte) oder neuerdings Linsen und Spätzle. Nun hat mich das natürlich stets gefreut und sogar auf diese diffuse abzulehnende Art stolz gemacht, die Nazis nachvollziehen können müssten, die ja stets stolz auf etwas sind, das sie gar nicht zu verantworten haben und noch nicht einmal einen Plan davon.

Und dann das: Kartoffelsalat!

Kartoffelsalat ist ja nun in Deutschland fast überall zu Hause, ähnlich wie die ihm zugrunde liegenden Erdäpfel selbst. Aber jeder hat eine andere Vorstellung davon. Noch schlimmer ist es eigentlich nur mit Wurstsalat.
Ich persönlich mag Kartoffelsalat in eigentlich allen Variationen, mal den einen, mal den anderen. Er darf Essig und Öl oder Mayo enthalten, Speck oder Hering, Gurken oder Ei. Und fast keine Kombination davon ist so schlimm, dass ich sie mir nicht vorstellen kann. Mag daran liegen, dass ich die genannten Zutaten alle mag, auch wenn sie gelegentlich meinem Vorsatz, den Verbrauch tierischer Produkte zu minimieren, entgegenlaufen.

Aber nun stand Ozie da und konnte oder wollte nicht begreifen, dass man Kartoffelsalat auch warm essen kann. Darauf gekommen waren wir nur zufällig, aber dieser Unter-Unter-Unter-Punkt der Ernährungsphilosophie war völlig jenseits allen Vorstellbaren. Für mich war das im Gegenzug normal. Und zwar so richtig. So habe ich als Kind Kartoffelsalat kennengelernt. Sicher durfte er immer schon auch kalt sein, aber der richtig gute, von meinem Vater gemachte, war halt noch warm, wenn man ihn frisch aß. Wayne? So war das halt.

Da ich kein Rezept hatte und ohnehin nur selten alleine für uns beide kochte, kam ich erst neulich dazu, mal aus Lust und Laune einen dilettantischen Versuch zu wagen. Und das Ergebnis war, ganz ehrlich, eher so lala. Und „lala“ nicht im euphemistisch-kindlichen Sinne von „Musik“.

Aber, o Schreck!, Ozie schmeckte es. Und sie warf auch diese Bedenken über Bord.

Nun bin ich nicht nur stets darum bemüht, meine Fähigkeiten auszubauen, sondern auch darum, zumindest mal in Form kleiner Gesten den Leuten etwas zurückzugeben, die viel für mich getan haben. Wie meinem Vater. Obwohl wir eher ein pragmatisch-schönes als ein liebevoll-herzliches Verhältnis zueinander haben, wusste ich, er würde sich freuen, wenn ich ihn nach seinem Rezept fragen würde. Wie immer hat er das nicht gesagt, aber das gehört wohl zu unserem Deal. 😉

Dann haben Ozie und ich gestern das erste Mal richtig echten schwäbischen Kartoffelsalat gemacht. Gut, selbst das nicht ohne Abwandlungen, aber so sind wir halt. Und es bewies sich einmal mehr, dass interkulturelles Leben voller Bereicherungen ist. Denn es stellte sich heraus, dass Ozie als im besten Sinne in Berlin sozialisiert wesentlich schneller und besser Kartoffeln pellen kann als ich. Auch wenn sie das eigentlich als Kind gelernt hatte, um die eher hier verbreiteten Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl schnell zu sich zu nehmen, ebnete das nun den Weg zum schwäbischen, noch warmen Kartoffelsalat.

Und wenn es irgendwas gibt, das kulinarische Genüsse noch verfeinert, dann ist das Ironie. Dicht gefolgt von Chilis, klar. 😉

Und weil das jetzt schon wieder eine Menge Text war, ist hier der klägliche Rest der anfangs rund zwei Kilo Salat bildlich festgehalten:

Omnomnom. Quelle: Sash

Omnomnom. Quelle: Sash

15 Comments

Filed under Haushalt, Vermischtes

15 Responses to Salate und Regionen

  1. Hmm warmer Kartoffelsalat, könnte ich auch mal wieder vertragen. Hier im Pott gibt’s viele leckere Sachen, ich lernte bspw. die gebratene Mettwurst zu schätzen. Schöner Artikel. 🙂

  2. @Dave:
    Danke. 🙂
    Und ich muss zugeben, dass ich gebratene Mettwurst auch noch nicht hatte.

  3. Carom

    Foodblog, demnächst mit Kochbuch (darin Taxifahrer-Sonderkapitel „Roadkill lecker zubereiten“)

    @Sash:
    Für ein Foodblog genau die richtige Menge zuviel Text, und das Rezept bloß nich‘ reinschreiben – passt 🙂

  4. @Carom:
    Danke. Fantastischer Kommentar, hab lachen müssen. 🙂
    Im Übrigen hab ich absichtlich kein Rezept reingeschrieben, weil sonst sowieso bloß jeder schreiben würde, was man daran alles anders macht, warum das nicht DER schwäbische Kartoffelsalat ist und und und …

  5. Am besten lässt man das mit dem Kartoffelsalat sein und nimmt die geschnippelten Kartoffeln, um eine schöne Pfanne Bratkartoffeln davon zu machen. 🙂

  6. Roichi

    Das sieht mal wirklich lecker aus. Jetzt hab das ch Hunger und kein Rezept dazu.
    *hrmpf*

  7. Kartoffelsalat! Toll, jetzt hab ich Hunger…

  8. @Will Sagen:
    Das wage ich in manchen Fällen zu bezweifeln.

    @Roichi:
    Meines ist einfach noch zu ungenau, um es mit gutem Gewissen weiterzugeben.

    @Paramantus:
    Ging mir auch so. Hab den Rest dann noch aufgegessen nach dem Schreiben. 😉

  9. hrururur

    Warmer Kartoffelsalat*schauder*

    Kartoffelsalat mit Brühe ist ja kalt schon grenzwertig, aber warm geht das echt gaaaar nicht. Und weil ich so furchtbar krüsch bin, was ich nur noch den nach Mamas Rezept. Mit Mayo, Joghurt, Zwiebeln,Gewürzegurkenund möglichst viel Apfel. Woanders ist gekaufte Mayo okay, aber wenn Mama den macht, dann nur mit selbstgemachter,sonst sehr sehr bäh. Ich hab gut zwei Wochen nur Kartoffelsalat gegessen, als ich das mit der verdammten Mayo endlich begriffen hab. Ich hab zwar zugelegt wie nix gutes, aber darauf war ich wirklich mal stolz. Ich liebe den so sehr. Kartoffeln und Äpfel sind einfach die beste Kombination der Welt. Dicht gefolgt von Johannisbeeren und Lakritz. Und spottbillig, was mein Portemonnaie freut 😀 egal in welcher Variante. Kartoffelmus und Apfelmus, Kartoffel puffer und Apfelmus, Pommes und Apfelmus, Bratkartoffeln mit Apfelstücken, Pellkartoffeln mit Apfelquark, Gnocchi mit nem Apfelstückchen drin. Alles geil!

    Aber Sash, Wurstsalat gibt es nicht überall. Der wird hier in Hamburg nurimportiert. Allerhöchstens noch Fleischsalat mit Mayo als Brotbelag. Wie Heringssalat. Wir haben hier traditionell andere Möglichkeiten unsere Fleischreste loszuwerden: Labskaus

  10. bowser

    wurstsalat -schüttel- naja deshalb fahr ich immer mal wieder weg damit der vom schwob verzehrt werden darf

    wir haben die wg aber auchmal mit „deinem“ rezept und meinem papa rezept unseren kartoffelsalat-diskurs entscheiden lassen-blöd nur dass es 3:3 ausging….

    achso man kann auchnoch über gerieben oder geschnitten diskutieren 😉 bin ja verfechterin des „matsches“

  11. der Schwob

    mmmhhhh Kartoffel und Wurstsalat…na toll Kinder was soll ich jetzt heute essen?

  12. bowser

    Currywurst

  13. der Schwob

    Bratkartoffeln und wurstsalat steht bei alex auch auf der Karte

  14. Mic Ha

    Großartiger Text!
    Ich hab das persönlich quasi (Füllwort, schön aber) in umgedrehten Richtungen. Freundin von unten rechts, ich von oben links, gabs Labskaus in Berlin. Ich finds auch mehr so Standard. Sie total klasse. Und das Rezept is Mama.
    Gruß und gerne mehr von viel Geschriebenen deinerseits. 🙂

  15. @Mic Ha:
    Ich verstehe die Freude. Und Dank für das Lob! 😀

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