Macht der Spiegel das Internet dumm?

„Macht das Internet doof?“ So provokativ und ein bisschen boulevardesk titelt das Nachrichtenmagazin Spiegel diese Woche. Mit Erfolg: Es war seit sicher gut einem Jahr das erste Mal, dass ich im Spiegel die Titelgeschichte als erstes gelesen habe – vom Hohlspiegel mal abgesehen.
Dementsprechend ist auch meine Überschrift (mit leichten Anleihen, zugegeben!) in diesem Format gehalten, denn es spricht offenbar Leute wie mich an 😉 Inhaltlich will ich diese Frage nicht wirklich erörtern…
Angefangen wird die Story mit Schnipseln aus der Welt der Manager, die es sich nicht erlauben können, auch nur mal ein paar Stunden ihre Handys ruhen zu lassen, mit Menschen, die abhängig sind vom Internet. Eine dramatische Geschichte, und irgendwie passt die Überschrift im Heft auf Seite 80 (Die Daten-Sucht) auch besser hierzu als die plakative Überschrift auf dem Cover.
Das dort erwähnte „Von-Link-zu-Link-Hasten“ kann ich bei mir selbst bisweilen auch feststellen. Die wenigsten werden es glauben, aber ich verbringe durchschnittlich sicher 2 Stunden täglich für diesen Blog am PC zu – und das Schreiben nimmt meist keine Viertelstunde in Anspruch.
Natürlich ist – wie der Spiegel treffend bemerkt – die Informationsflut im Netz (zu) gewaltig. Das erkennen seriöser Quellen ist schwer, da gibt es nichts daran zu rütteln. Ob man sich in der Fülle an Daten verirrt, liegt aber meines Erachtens nach mehr denn je an einem selbst – natürlich unter Einbezug der Bildung, Vorbelastung und schlicht dem individuellen Grad der Verblödung.
Selbst betrügen kann man mit dem Internet, stellt der Spiegel fest. Insgesamt eine komplette Doppelseite des 13-seitigen Titelthemas beschäftigt sich mit runtergeladenen, bzw. kopierten Hausarbeiten und dergleichen, wichtige Dinge wie Phishing, Kreditkartenbetrug, Abzocke und das Erstellen von Pages, die wegen blinkender Smilies zu sofortiger Erblindung führen, werden natürlich nicht angesprochen.
Meine Meinung zu diesem Thema ist recht klar: Natürlich macht das Internet das Kopieren fremder Inhalte einfacher, bequemer. Man muss nicht mehr in die Bibliothek, man kann von Zuhause aus klauen. Dafür ist es – wenn die Lehrer und Professoren konsequent wären – auch viel viel leichter, dies zu erkennen.
Die billige Copy&Paste-Variante sollte heute nicht mehr funktionieren dürfen. Bei allen anderen Online-Beschaffungsmaßnahmen verhält es sich doch wie mit klassischen Lehrbüchern und Diplomarbeiten, die man auswertet, um seine eigene Arbeit zu untermauern oder zu ergänzen. Weswegen der Trubel?
Die leider thematisch nur angeschnittene Thematik mit der Selektivität der Suchmaschinen indes halte ich für ein erwähnenswertes Diskussionsthema. Für die meisten Normal-User hört das Netz jenseits der Google-Spitzenplätze auf – und das ist bedenklich.
Ich (ganz der Daten-Junkie) würde mich über alternative Suchmaschinen hermachen, die die Ergebnisse völlig anders gewichten als Google und co, aber ich gebe zu, dass ich mich mit dem Thema nicht einmal auseinandergesetzt habe, weil man natürlich meisr die größten und damit vermeintlich glaubwürdigsten Quellen zu Rate ziehen möchte. Den meisten scheint aber dieses Schaudern fremd zu sein, das mich erfasst, wenn man zu einem Thema bei Google zunächst nur Ergebnisse von Bild und Spiegel findet.
Dann wird zurückgegriffen auf Nicholas Carr, offenbar ein Kritiker, der seit seiner Zeit im Internet (wo man erstaunlich wenig von ihm findet) nicht mehr so ausschweifend lesen kann wie früher. Wahrscheinlich ändert sich das Leseverhalten wirklich. Natürlich lese ich Blogs (meistens) anders als einen guten Roman, ich werte das aber eher als gute Anpassung meines Gehirns an die neue Darreichungsform der Information.
Der „E-Mail-Bankrott“ wird kurz thematisiert. Spam überflutet Postfächer, und dank Zeitmangel wird dann lieber die Adresse als die einzelnen Mails gelöscht. Hey, Spam ist Mist! Der angesprochene Aspekt aber ist doch eigentlich eine famose Neuerung. Ich kann mit gutem Gewissen eine Mailadresse löschen. Binnen Sekunden. Dann brauche ich ein paar wenige Minuten, um eine neue zu erstellen und allen Leuten mitzuteilen, dass sie mir die Nachrichten künftig woanders hinschicken sollen. Ist das nicht prinzipiell genial? Na gut, ich hätte auch gerne die Wahl, ob ich Werbung bekomme oder nicht. Ist es nicht dennoch bezeichnend, dass sich hier bereits für das neue Problem eine bis dato gänzlich unbekannte Lösung gefunden hat? Was zeigt mehr, dass der Mensch dabei ist, sich mit dem Netz anzufreunden, zu lernen, damit umzugehen?
Etwas absurd finde ich, dem Netz anzulasten, dass Filmregisseure inzwischen ihre Plots vielfach nicht mehr chronologisch zeigen. Der Film ist auch noch ein gestamtkulturell gesehen junges Medium, und derartige Einflüsse sind mit Sicherheit auch der Verbreitung von Musikclips und der Suche nach Neuem beim Publikum, sowie – man mag es gar nicht aussprechen – der Kreativität einiger Köpfe zu verdanken. Überhaupt: Muss man noch kreativ und originell sein im Web 2.0? Kopiert man da nicht einfach nur voneinander?
Vielfach ja. Das kann und muss man so sagen. Viele Online-Angebote, gerade Blogs, setzen auf die Verbreitung von Fremdinhalten. Aber eben nicht nur. Wäre das, was im Internet gang und gäbe ist – das Aufnehmen von Information, die dann weiterverarbeitet und als etwas neues ausgegeben wird – tatsächlich so unkreativ, dann sollte man sich in der Schule vom Erstellen von Collagen abwenden, denn hierum handelt es sich meistens. Das Niveau mag bisweilen erschreckend flach sein, aber das dem Medium zuzuschreiben, ist für mich ein wenig zu oberflächlich.
Mark Bauerlein, ein offenbar aggressiver Englisch-Professor aus Atlanta offenbart dem Spiegel, dass die jetzt junge die dümmste Generation ist. „Sie kennen Snoop Dogg und gucken verständnislos, wenn man über das Prinzip der Gewaltenteilung spricht.
Menschen konnten aber auch vor dem Internet schon „falsche“ Prioritäten setzen. Wurde die Karriere der Beatles beendet, weil sich die Kinder lieber ihren Schulbüchern zugewendet haben? Wohl kaum.
Der erheiterndste Absatz im Spiegel ist der über die Vorwürfe heute gängiger Medien zu ihrer Neueinführung. Ob es die Einführung von Schrift, Buchdruck, Postkarte, Radio, Fernsehen oder Video ging: Immer hing ein Hauch Weltuntergangsstimmung in der Luft, immer wurde befürchtet, dass sich vieles zum Schlechten wandelt – was sich nur teilweise (z.B. Neun Live) eingestellt hat.
Es ist schwer, einem so schnellen Wandel zu folgen. Das merke ich ja sogar mit meinen bescheidenen 27 Jahren schon. Ständige Verfügbarkeit ist bei mir ein Fremdwort. Ich führe momentan etwa 0,3 Handygespräche monatlich und ICQ mache ich nur an, wenn mir wirklich langweilig ist. Verfluche ich deswegen Handys? Nein. Denn ein wenig liegt es eben in der Verantwortung des Einzelnen, ob er die Angebote nutzt.
Es ist doch in Ordnung, dass Börsenhändler gleichzeitig acht Monitore gleichzeitig überwachen. Ich zwinge sie nicht dazu.
Verschnaufpausen braucht der Mensch sicher in Zeiten der digitalen Massenmedien. Auch hier halte ich allerdings mehr von Eigeninitiative als von großangelegten Projekten. Wer erst einen Versuchsaufbau braucht um zu merken, dass ihn das ständige Kommunizieren stresst, darf meinetwegen gerne weitertelefonieren. Zweifelsohne einer der größten vom Spiegel rezitierten Befunde ist die Tatsache, dass man sich weniger aufs Fahren konzentriert, wenn einem nebenher Fragen „über den Kommunismus oder griechische Mythologie“ gestellt werden.
Im Gegensatz zu solchen Brocken verflacht die Information im Netz aber, der Mensch scheint sich daran zu gewöhnen, nicht mehr komplex denken zu können, weil bei Powerpoint ja auch alle Fakten auf eine Folie passen. Ich erinnere mich vage daran, dass in meiner Schule – fern aller Vorwürfe, es wäre schlecht für mich – Fakten mittels Overhead-Projektor an die Wand geworfen wurden.
Nun machen auch noch Pornos und E-Mails süchtig, aber selbst das war alles schon einmal da. All die Jugendlichen, die an Bravo schreiben, dass sie das Onanieren zu Tierfilmen nicht unterlassen können (ja, das gab es wirklich!) und all die Familien, deren erster Einkauf im Ausland 45 Postkarten mit dazugehörigen Marken war, um die Verwandtschaft zu informieren, dass nichts passiert. All das gab es schon, und glücklicherweise kommt selbst der Spiegel zu diesem mehr oder minder versöhnenden Schluss.
Aber schön, dass all das gelesen wird, weil man eine tolle Überschrift gewählt hat.

PS: Dieser Artikel ist nicht sachlich, da ich selbst Opfer bin.
Ich arbeite nun weiter an meiner sicher irgendwann wegweisenden Idee, alle Anwendungen zu einer zusammenzufassen, sodass man nur 10 Mausklicks braucht, um sich bei WoW Pornos anzeigen zu lassen, das folgende Gerammel der Mitspieler bei youtube inklusiver der aktuellen Börsenkurse hochzuladen, das Video mit myspace und StudiVZ zu verknüpfen, eine E-Mail an potenzielle Interessenten abzuschicken und im Blog darüber zu schreiben wie krank das gerade war. Ich bleibe am Ball 😉

Leave a Comment

Filed under Medien

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert