Kommt ein Mann mit einem Anwalt zu einem kleinen Sash und sagt: „Sie haben mir an meiner formschönen Geröllansammlung einen Wasserschaden verursacht und das kostet 2200 €!“
?
Ich find den gut! 😀
OK, eingefleischte Leser haben sicher schon drauf gewartet: Es ist Dieter-Time!
Die Klageerwiderung meines Ex-Vermieters ist da, und ehrlich gesagt: Lame, aber kurios! Es ist, wie ich erwartet habe: Er führt die Schäden der Wohnung an und versucht es nun mit einer Aufrechnung.
Ich kann das ja mal wieder Satz für Satz durchgehen. Zunächst beantragt der Anwalt also die Abweisung der Klage und dass ich die Gerichtskosten zu tragen habe. Über die Halbsätze brauch ich nichts schreiben – wenn es die nicht gäbe, dann wäre der Brief inhaltslos. Dann folgt der spannende Teil: Die Begründung.
1. Richtig ist, dass der Kläger von den Beklagten die beiden Wohnungen im 2. Obergeschoss des Gebäudes Teichstr. 6, 70186 Stuttgart, angemietet hatte. Das Mietverhältnis wurde zwischenzeitlich beendet.
Richtig ist auch, dass der Kläger an die Beklagten eine Mietkaution in Höhe von 1060,0 € bezahlt hat.
OK, das ist schon mal ein Gewinn. Dank der mündlichen Form der Verträge wäre es eine arge Fitzelarbeit, alles rauszusuchen. Für die Zahlung der Kaution gibt es null Belege – sollte alles mal in den Mietvertrag, den es dann nie gab. Insofern war das Poker mit Bluffen auf meiner Seite, und ich scheine gewonnen zu haben 😉 Diesem Teil der Begründung stimme ich ohne weiteres zu.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da dem Kläger ein Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Kaution nicht zusteht.
Da kommen wir an den Punkt, an dem sich meine Meinung nicht mehr so ganz mit der von Dieter und seinem Anwalt deckt.
Der Kläger hat in den geräumten Wohnungen nämlich Schäden verursacht, deren Beseitigungskosten die zur Verfügung gestellte Mietkaution betragsmäßig übersteigen.
Dumm nur, dass die Schäden allesamt von meinen Vormietern stammen, und die Ansprüche auf Schadenersatz in den lächerlichen 2 Jahren schon alleine nach meinem Auszug leider verjährt sind.
Wie der Kläger in seiner Anspruchsbegründung selbst einräumt, wurde er von den Beklagten mehrfach bei Mietende aufgefordert, die Schäden zu beseitigen, was er jedoch unterlassen hat.
Ähm, das ist etwas kurios formuliert. Ich würde es so erklären: Keiner wollte eine Wohnungsbesichtigung mit mir machen. Auf stetes Betteln wurde mir gesagt: „Alles, was ihr heh g’macht hen, müsset ihr richde…“ Dieser Aufforderung bin ich in vollem Umfang nachgekommen. Nicht beseitigt habe ich lediglich die Schäden, die bei der Wohnungsbesichtigung vor meiner Übernahme bereits als von Dieter zu richten eingeordnet wurden. Dass die noch existierten, ist nun nicht gerade etwas, was gegen mich spricht, denke ich… Zudem bin ich mit ihm übereingekommen, zwei kleine Schäden zu richten, und das sollte es dann gewesen sein.
Die Beklagten waren unter der Berücksichtigung der ihnen zustehenden Schadensersatzansprüche daher berechtigt, die Mietkaution des Klägers einzubehalten.
Nein.
Namens und in Vollmacht der Beklagten wird hiermit ausdrücklich die Aufrechnung mit den nachstehend näher bezeichneten Schadensersatzansprüchen gegen den Kautionserstattungsanspruch erklärt.
Im Grunde ist die Idee des Herren Anwalt ja nicht blöd. Kaution, Schäden, Aufrechnung! Klingt logisch. Hätte Dieter fristgerecht eine Forderung geltend gemacht, dann wäre dies ein legitimer Weg und ich hätte jetzt einiges an Ärger. Eine Forderung seitens Dieter ist aber bis zum heutigen Tag ausgeblieben. Und nicht nur das. Während des Schriftwechsels habe ich bereits sehr deutlich eine Einrede gegen etwaige Forderungen artikuliert. Zumal die Schadensersatzansprüche recht fragwürdig sind, da sie die Kaution bei weitem übersteigen. Er erbat sich im Mai 2008 4 Wochen Zeit für die Endabrechnung. Ein Jahr später habe ich den Mahnbescheid veranlasst. Also bitte! Aber jetzt kommt der witzige Part:
3. Im Einzelnen hat der Kläger in den angemieteten Wohnung folgende Schäden verursacht:
Jaja, Deutsch ist schwer. Aber einen Tag vor Ablauf der Frist hat man es halt ein bisschen eilig, nicht wahr? Jetzt aber folgt die Auflistung. Ich bitte auch zu beachten, welche Schäden in je einem Absatz zusammengefasst worden sind. Wenn ihr das System findet, erklärt es mir mal.
a) Die Balkontüre wurde mutwillig aus den Angeln gehoben. Sie weist beschädigte Teile wie Bänder- und Scherenbeschläge, ausgerissene Bandaufnahmen und beschädigte Holzelemente auf.
Puh! Das ist happig! Aber Moment, da war doch was… Bevor ich die Wohnung übernommen hatte, gab es eine Wohnungsbesichtigung. Die Türe (die im übrigen keinen Balkon dahinter hat, sondern nur ein Gitter) war damals ein Thema. Richtig! Sie war… kaputt! Ob die folgende Beschädigung mutwillig war, lassen wir mal offen: Es nahm ein freundlicher Mensch – ich nenne ihn mal Dieter – sich einen Hammer und hat auf die Beschläge geschlagen, damit die Tür ordentlich schließt. Seine weisen Worte waren „Vorerscht hält des, hoff i. I komm dann demnäscht amol und richt‘ des!“ Aber das ist inzwischen 3 Jahre her, wer sollte sowas noch wissen…
b) Der Holzdielenboden wies massive Kratzer und Löcher auf, die bei Einzug nicht vorhanden waren.
Hihi. Problem: Mein Einzug war 2003. Da war der Boden soweit halbwegs ok. Punkt für euch! Aaaber wieso habt ihr mit meinem Vormieter über die Reparatur des Bodens geredet bei der Wohnungsbesichtigung? Vielleicht, weil der Boden da schon kaputt war? Sicher nicht, oder?
c) Die Zimmertür war eingeschlagen und muss ausgetauscht werden. In den oberen beiden Räumen sowie im Flur war Graffiti aufgesprüht worden, die Rigipswand in der Dachschräge war eingeschlagen und wies ein 20 x 20 cm großes Loch auf. Die Laibung im Badfensterbereich war beschädigt.
OK, das klingt nun wirklich nach Vandalismus. Gehen wir das mal durch: Was mit der Tür passiert ist, weiss ich nicht. Kaputt war sie vor der Übernahme der Wohnung durch mich. Soweit ich weiss, haben wir das aber bei der Übergabe nicht angesprochen. Aber wo liegt das Problem: Den Austausch eines Türblattes habe ich mit Dieter vereinbart – eigentlich zwar ein anderes, aber da das nicht in der Liste aufgetaucht ist, wird es dieses sein.
Die Graffiti waren gemalte Wandbilder. Diese sind so weit überstrichen worden, dass ein einmaliger Anstrich die Wohnung in ordnungsgemäßen Zustand versetzen würde. Da das streichen nicht ausgemacht war, betrachte ich dies als nichtig!
Die eingeschlagene Rigipswand hat auch einen ulkigen Hintergrund, denn es handelt sich eigentlich um eine nicht befestigte Platte in der Dachschräge. Im Laufe der Zeit hat mein Vormieter schon durch das Anstoßen mit dem Kopf (er hatte sein Bett unter jener Schräge) die Platte und die notdürftig verklebte Tapete beschädigt. Nicht nur, dass es damit vor meiner Übernahme schon kaputt war: Diese Platte war so dämlich angebracht, weil ein gewisser Vermieter dort seit 2003 ein Dachfenster einbauen wollte und es nicht auf den Plan gekriegt hat.
Was das Badezimmerfenster (immerhin ein Stock tiefer) hier verloren hat, weiss ich nicht – und ich weiss auch nicht, um was für einen Schaden es geht.
d) Im Bad war die Duschabtrennung aus den Angeln gehoben. Das Badfenster, ein Dachfenster, wies erhebliche Wasserschäden auf, was daraus resultierte, dass bei Regen dieses Fenster offensichtlich meistens geöffnet war.
Die Duschkabine! Herrje! Die eine blöde Schraube hat seit mindestens 2005 gefehlt. Ehrlich gesagt habe ich das einfach vergessen. Aber auch hier: Es war beim „Einzug“ kaputt!
Dass der Wasserschaden im Bad durch ein „offensichtlich“ ständig geöffnetes Fenster verursacht wurde, klingt irgendwie ärmlich. Zum einen ist kein anderes der 4 Dachfenster geschädigt und die Tatsache, dass es sich 80 cm über der Wanne befunden hat, mag sicher auch eine Rolle gespielt haben. An dieser Stelle bestand die Wand im Übrigen auch aus Rigips. Also hat eine ungeflieste Wand direkt über der Wanne einen Wasserschaden… zumal das irgendwie Thema bei der Wohnungsübergabe ein Jahr zuvor war. Komisch. Damals kam auch das Fensterargument und seitdem war es fast immer zu…
e) PC-, Telefon-, Strom-, und Kabelkanalverkabelungen sowie Steckdosen und 220-Volt-Kabel waren völlig unfachmännisch in bedenklicher Art und Weise installiert, jedoch nicht wieder entfernt bzw. in ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden.
Wow! Das klingt ja gefährlich. Ihr habt die Bilder hier im Blog ja gesehen. Die stammen aus den Jahren 2005 und 2006. War also ganz sicher meine Schuld… Im Übrigen hab ich Dieter zur Übernahme noch um ein paar Abdeckungen für offene Steckdosen und Kabel gebeten. Aber das nur nebenbei.
Die Kabelkanäle habe ich zu meinem Einzug 2003 übernommen…
Jetzt kommen wir aber zur Königsdisziplin. Der Witz zu Beginn dieses Eintrags war kein Witz. Was jetzt kommt, ist so unglaublich dreist, dass wir uns noch weitere Nettigkeiten überlegen werden:
f) 18 Badfließen waren mit Window-Colors beklebt. 21,5 qm der Terrakotta-Fliesen im Ess-Küchenbereich wiesen irreparable Wasserschäden auf.
Scheiß auf die Window-Colors. Aber dass er uns einen Wasserschaden beim Küchenboden anhängen will, ist einfach die Krönung der Unverschämtheit. Jener Küchenboden, der unter seiner Führung unprofessionell 2003 verlegt worden ist. Jener Boden, der seit spätestens Anfang 2005 zu bröckeln begann, weil der Untergrund uneben ist. Der Boden, bei dem wir seit vier Jahren auf eine Reparatur warteten und bei dem er eingestanden hat, dass er seinetwegen zersplittert. An diesem Geröllhaufen sollen wir einen Wasserschaden verursacht haben? Einzelne Fliesen ließen sich mit der Hand vom Boden wegnehmen! Das ist als ob man an einem ausgebrannten Auto einen Lackschaden diagnostiziert!
Ich meine, ich hab hier jetzt gegen all die Schäden angeredet. Nochmal ganz kurz: Darum wird es nicht gehen. Die Aufrechnung ist nach unserem Verständnis der Gesetze nicht möglich. Bevor es wirklich darum geht, greifen drei oder vier andere Gründe, die für uns sprechen. Ich wollte nur mal die Frechheit verdeutlichen – und auch die Verzweiflung.
Dann folgt die Beweisliste. Sie besteht aus einer Aufrechnung der Schäden, die ich hier gerne mal angebe:
Balkontüre: 499,80 €
Holzdielenboden: 1190,00 €
Zimmertüre: 221,16 €
Duschabtrennung: 76,16 €
Verkabelungen: 228,48 €
Küchenboden: 2182,00 €
Macht in der Summe 4397,60 €. Nicht schlecht. Ich wusste ja, wir haben in einer Bruchbude gelebt.
Und da ist das Überstreichen der Graffiti noch gar nicht mit drin.
Gut, ich will mal nicht so sein. Habt ein Herz für Vermieter. Da hat er so ewig eine fragwürdige WG ertragen und dann muss er so viel Geld ausgeben. Das ist wirklich verdammt ärgerlich. Der hat es ja echt nicht leicht gehabt. Kein Wunder, dass er das Geld nicht zahlen kann, wenn er so viel in die Reparatur gesteckt hat…
Zunächst: Hat er nicht!
Es existiert für 3 Posten ein Kostenvoranschlag. Und jetzt wird es mysteriös: 2 der Kostenvoranschläge sind auf Februar und Januar 2008 datiert. Monate bevor er uns geschrieben hat, er könne noch nicht abrechnen. Ein weiteres Angebot einer Firma (das einzige, das nicht nach Hinterhofklitsche aussieht) liegt vor, bei selbigem ist allerdings das Datum absichtlich überdeckt. Man sollte dazu wissen, dass die Kostenvoranschläge zur Aufrechnung nur dienlich sind, wenn sie innerhalb der Verjährungsfrist (bis April 2008) vorlagen. Die Angebote für die weiteren Posten will er erst nachreichen – beziffert die Kosten allerdings schon centgenau.
Ich will hier bestimmt nichts unterstellen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass das Datum des einen Kostenvoranschlags geschwärzt ist, die anderen bis jetzt – Ende 2009 – nicht vorliegen, die Beträge allerdings bekannt sind – und bei den verbleibenden beiden Firmen nach einer kurzen Internetrecherche fraglich ist, ob sie in den genannten Geschäftsbereichen arbeiten…
…habe ich die Befürchtung, dass sich da was anbahnt, was nicht ganz koscher ist.
Allerdings sieht es gerade aus, als sei das hinterste von 6 in Reihe geschalteten redundanten Sicherheitsventilen etwas leck. Da läuft immer noch nichts aus.
5. Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Kläger in großem Umfange Schäden in den von den Beklagten angemieteten Wohnungen hinterlassen hat. Nachdem er erfolglos aufgefordert worden ist, die Schäden zu beseitigen, waren bzw. sind die Beklagten berechtigt, die Schäden auf Kosten des Klägers selbst zu beseitigen, weshalb sie mit den genannten Schadensbeseitigungskosten wirksam gegen den Kautionserstattungsanspruch aufrechnen können.
Die Klage ist daher abzuweisen.
Dass sie eine Abweisung der Klage beantragen ist klar, das nehme ich auch wirklich nicht die Bohne persönlich. Wir sind Gegner vor Gericht, mein Gott!
Aber ich kriege wirklich innerlich einen Schreikrampfanfall, wenn ich lesen muss, dass ich nach mehrfacher Aufforderung irgendwas nicht nachgegangen bin. Ein halbes Jahr lang habe ich den beiden jeden Satz aus der Nase ziehen müssen, der mit der Wohnung zu tun hatte. Ich hätte alle Möglichkeiten gehabt, an dieser Wohnung irgendwas zu richten – und auf Nachfrage wäre ich auch bereit gewesen, den ein oder anderen Schaden zu beheben, der nicht auf mein Konto geht. Aber erst kein Interesse haben, bei der Abgabe sagen, es ist alles in Ordnung, sich dann 2 Jahre nicht melden und wenn ich dann die Schnauze voll hab Vorwürfe auszusprechen… nee, die feine englische Art ist das nicht.