Wow! Ich bin wirklich von ganzem Herzen sarkastischer Pessimist, was die Gesellschaft und die Menschen auf dieser Welt angeht. Da fühle ich mich ja fast schon persönlich getroffen, wenn jetzt bei der „Zeit“ ein Text zur Legalisierung von Drogen erscheint. Es ist unschwer zu erahnen, dass der Autor meinen Nerv trifft – wenngleich ich seiner Argumentation teilweise nicht viel abgewinnen kann. Denn das Hochrechnen von Leid gegen Leid ist eine zumindest fragwürdige Geschichte.
Aber es ist ein Thema, über das ich hier im Blog – soweit ich mich erinnern kann – noch nicht wirklich viel geschrieben habe, also greife ich es doch gerne mal auf, wenn lawblog.de es mir im Feedreader doch so schön auf dem Silbertablett serviert.
John Gray betrachtet in seinem Artikel den „Krieg gegen die Drogen“ als gescheitert an und verweist auf zigtausend Tote in den Kämpfen rund um die ein oder anderen Suchtmittel. Er verweist insbesondere auf die durch die Illegalität entstehenden hohen Preise für Drogen, den Zwang zur Beschaffungskriminalität und auch darauf, dass die Drogenszene einen vermeintlich einfachen Weg des sozialen Aufstiegs in manchen Kreisen verheisst, der allerdings mit einer Sozialisierung in eine gewalttätige Bandenkultur einhergeht. Desweiteren schneidet er an, dass derzeit die Gewinne der Drogenkartelle oftmals eine Unterstützung des Terrorismus sind.
Die Gegenargumente auf moralischer Seite – das Leid der Betroffenen – wischt er mit der Behauptung beiseite, den Menschen selbst gehe es bei staatlich kontrollierter Drogenabgabe immer noch besser. Zudem fügt er an, dass die Prohibition bei Drogen ein eigentlich junges Phänomen ist, was sicher auch als Seitenhieb gegenüber den Konservativen Vertretern einer harten Drogenbekämpfung verstanden werden kann, da es die Normalität von Drogen in der Gesellschaft unterstreicht.
Ich gebe dem Autor mit ein paar Abstrichen Recht.
Nun wisst ihr: Ich arbeite in einem Job, der sich nur mit zwei legalen Drogen (Nikotin und Koffein) verträgt, und es sollte klar sein, dass ich nicht meinetwegen für eine Freigabe der anderen Drogen plädiere. Zugegeben, ich würde durchaus gerne mal wieder während des Urlaubs einen Joint rauchen können – ein Vergnügen, auf das ich seit nunmehr mehreren Jahren verzichte, da die Abbauprodukte von THC zu lange nachweisbar sind, als dass ich da meines Jobs noch sicher sein könnte. Aber sonst?
Es fängt ja eigentlich schon mit der schwierigen Frage an, was Drogen sind, wer sie wie verwendet und ob sie dementsprechend überhaupt nötig sind. In letzter Konsequenz wage ich zu behaupten, dass Drogen an und für sich als Produkte nötig sind (Schmerzmittel), als Genussmittel eigentlich verzichtbar, aufgrund unserer Menschlichkeit allerdings nicht zu beseitigen sind.
Sind wir mal ehrlich: Ein drogenfreies Leben ist eine wunderbare Vorstellung, und es gibt auch einige Menschen da draussen, die das in Bezug auf das, was gemeinhin Droge genannt wird, auch ganz gut schaffen und sehr zufrieden damit sind. Die meisten allerdings nicht. Ich möchte hier gar nicht aus meiner Position als Alkoholtrinker und Nikotinabhängiger gegen ein drogenfreies Leben anschreiben, aber schon unser verhältnismäßig zivilisiertes Land besteht zu einem Gutteil aus Leuten, die ihren normalen Lebensrhytmus nicht einhalten könnten, wenn sie der Kaffee morgens nicht aufputschen würde. Dazu kommen sicher noch ein paar Millionen, die die körperlich positiven Wirkungen eines eiligst verschlungenen Schokoladenstückchens erliegen, wenn ein seelischer Tiefpunkt erreicht ist. Man braucht also eigentlich beim Thema Drogen noch gar nicht bis zu den „harten“ legalen oder gar den illegalen Drogen gehen, wenn man argumentiert.
Aber spätestens beim Feierabendbier und der Zigarette danach wird offensichtlich, dass die meisten Menschen zumindest gelegentlich Mittel zu sich nehmen, die ihre körperliche und / oder psychische Verfassung in irgendeiner Art und Weise angenehmer machen.
Dass die Grenze zwischen Legalität nun ausgerechnet zwischen Alkohol und THC angesiedelt ist, lässt ja bekanntermaßen nicht nur die ganzen Hardcore-Kiffer, sondern auch anerkannte Drogenexperten ratlos zurück.
Nicht, dass ihr mich falsch versteht: Drogenkonsum hat in jeglicher Form Folgen für die Gesundheit und verursacht damit natürlich auch gesellschaftliche Kosten. Da sind wir uns einig. Aber wir sollten uns der Logik wegen durchaus auch die Frage stellen, welche anderen Auswirkungen sie haben. Selbst zu den illegalen Drogen zählen etliche Aufputschmittel, und es gibt noch nicht einmal Zahlen darüber, wieviele Milliarden Euro jedes Jahr zusätzlich erwirtschaftet werden, weil Menschen unter ihrer Zuhilfenahme in der Lage sind, 18 Stunden wertschöpferischer Arbeit nachzugehen. Und ohne meine Koffeintabletten hätte ich auch schon ein paarmal früher Feierabend gemacht…
Zunächst aber ist festzuhalten, dass Drogenkonsum ein gesellschaftlich altes Ritual ist. In jeder Kultur sind zumindest einige (gesellschaftlich nicht unwichtige) Leute immer befugt gewesen, sich das Gehirn zuzunebeln, um dem Pöbel zu erklären, dass es Götter gibt, dass das Leben mehr bietet als das, was man sieht. Und wer Geld hatte, hat sich auch zu fast jeder Zeit mit irgendwelchen berauschenden Mitteln der Kunst oder der Liebe hingegeben. So schlecht das für den einzelnen gewesen sein mag, so wenig ist auch nur abzuschätzen, was unsere Kultur ohne Drogen überhaupt wäre.
Aber bleiben wir in der heutigen Zeit:
Die Drogen, von denen wir eigentlich sprechen wollen, sind heutzutage mit wenigen Ausnahmen Probleme der unteren sozialen Schichten. Zwar denke ich, dass der brave CDU-Wähler erschrecken würde, wenn er wüsste, wie viele Politiker und Manager gelegentlich Koks konsumieren, aber was man in der Gesellschaft neben den legalen Drogen mitbekommt, sind doch eigentlich die Nachrichten über Drogentote auf der Straße, über Kämpfe in irgendwelchen Ländern, die wir nur schwer auf einer Landkarte finden, über planlose Jugendliche, die unser Bildungssystem in Frage stellen und nebenbei noch ein paar Bodybuilder mit verkümmerten Genitalien.
Also hey, alles nix was uns als normale Menschen was angeht, oder?
Aber natürlich tut es das! Denn unsere Gesellschaft ist lange nicht mehr auf dem Stand, dass Einzelereignisse keine Auswirkungen auf den Rest mehr haben. Es war sicher ein grundsätzlich gut gemeinter Ansatz, die Menge an gefährlichen Drogen in der Gesellschaft zu dezimieren und sie für Idioten unzugänglich zu machen. Leider ist das sogar für den Fall, dass Wolfgang Schäuble irgendwann Alleinherrscher wird, nicht machbar. Genausowenig wie es absolute Sicherheit in Punkto Gewalt gibt, gibt es sie im Bezug auf Drogen.
Ganz von der Hand zu weisen ist die Argumentation, dass eine Illegalisierung eine gewisse Abschreckung bewirkt, zwar nicht – im Falle von schwer süchtigmachenden Substanzen liegt hier allerdings auch eine besondere Perfidie gegenüber den Menschen vor, die vielleicht aus Dummheit mal einen Fehler gemacht haben. Denn letztlich treibt man diese Menschen nun dazu, sich auf einem unübersichtlichen Markt zu versorgen, der weder Qualitätskontrollen kennt, noch in irgendeiner Form Sicherheiten kennt. Da sich jeder dort agierende Mensch immer mit einem Fuß im Gefängnis befindet, ist es nur logisch, dass sich so ein Milieu bildet, dass im Großen und Ganzen durch Gewalt und Einschüchterung zusammenhält. Sobald man illegale Drogen erwirbt, verwirkt man jegliche rechtliche Sicherheit. Klar kann ich meinen Dealer nicht verklagen! Also auf’s Maul!
Insofern ist die Aussage von Gray, dass die Betroffenen im Falle einer Freigabe von Drogen gesünder leben würden, kein lahmes Umherlabern, sondern ein handfestes Argument. Denn im Falle einer Legalisierung könnte man natürlich eine Art Qualitätssicherung einführen. Man könnte juristische Rahmen für die Geschäfte entwerfen – und das ist ja nicht alles.
Wenn das Ganze in den anerkannten Wirtschaftskreislauf überführt wird, sinken die Preise für den Endverbraucher, und das obwohl eine ganze Multi-Milliarden-Industrie aus der Illegalität in die Öffentlichkeit wandern könnte. Es bestünde die Möglichkeit, aus den Millionen Händlern und Zulieferern legal arbeitende Menschen mit sozialer Absicherung zu machen. Zum einen würden die weiterhin nach alten Mustern operierenden Kartelle langsam bedeutungsloser werden – was den bisherigen Protagonisten bei der Herstellung und im Verkauf unglaublich helfen würde. Zum anderen gäbe es Chancen auf staatlicher Seite, auch auf die Drogen selbst Steuern zu erheben, was zusammen mit der Entlastung von Judikative und Exekutive die gesellschaftlichen Kosten des Drogenkonsums wahrscheinlich über Nacht in eine dicke Einnahmequelle verwandeln würde.
Bei allem Verständnis für die Angst vor mehr Drogensüchtigen darf man nicht vergessen, dass man zur selben Zeit Millionen Menschen ein vernünftiges Leben erst ermöglicht. Und ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass wir eine Menge Leute entlasten, die wirklich nie irgendwas schlimmes gemacht haben, außer etwas zu konsumieren.
In dem Punkt sehe ich mich wieder selbst als gutes Beispiel. Vor Jahren habe ich hier und da gelegentlich etwas Gras geraucht. Das mache ich seit Ewigkeiten nicht mehr, aber es hätte sein können, dass ich deswegen meinen Job heute nicht machen könnte oder nie die Chance hätte, gewisse andere Berufe zu ergreifen. Weil ich ein paar Mal einen Abend lang Spaß hatte, ohne dass irgendwer dabei zu Schaden gekommen ist…
Sind wir doch mal ehrlich: Was maßt sich unser Staat eigentlich an, derart über unsere Freizeit zu bestimmen?
Natürlich bin ich nicht dafür, dass noch mehr Drogen konsumiert werden. Es sind tausende, die durch Drogenkonsum auch ohne ihre Kriminalisierung gestorben wären. Ebenso ist Verelendung nichts, was den Abhängigen von hochpreisigen Drogen vorbehalten ist. Einen Ausblick auf dieses Leben geben ja die vielen Alkoholabhängigen unter den Geringverdienern und Arbeitslosen. Das wichtigste ist aber Prävention in Form von Aufklärung! Und wenn wir ehrlich sind: Die wird momentan einfach nicht zufriedenstellend geleistet. Wer hat denn in der Schule ernsthaft was über Drogen gelernt? Mit viel Glück hat man ein paar Horrorbilder von fast toten Junkies gesehen, und irgendwann war ein Polizist zu Besuch, der einem erklärt hat, dass man sterben kann und keinen Führerschein bekommt, wenn man Drogen nimmt. Vielleicht bin ich ob dieser Methoden etwas zu pessimistisch, aber wenn man nach solchen Erläuterungen dann irgendwann vielleicht doch mal Drogen nimmt, stellt man plötzlich fest, dass man danach immer noch lebt und es niemand mitbekommen hat, man also auch seinen Führerschein behalten darf. Das animiert nicht gerade dazu, es bei einer einmaligen Erfahrung zu belassen, wenn es ansonsten doch lustig war.
Es müsste Platz gemacht werden für ernstliche wissenschaftliche Aufklärung ohne das Damoklesschwert mit den eingravierten Buchstaben „Und ausserdem isses eh verboten, also Finger weg!“
Dass ich nicht dafür bin, Heroin an Kleinkinder abzugeben, schreibe ich mal vorsichtshalber hier hin. Ich hoffe, auf die Idee ist jetzt niemand gekommen… gegen eine wie auch immer geartete Zugangskontrolle habe ich nichts einzuwenden.
Ich bin mir sicher, dass es andere Möglichkeiten als die jetztigen gibt. Aber wie bei so vielen Themen müsste man dazu ohne parteipolitische Scheuklappen sachlich an ein Thema rangehen. Wieso widerlegen Politiker diese Theorien immer mit Drogenstatistiken rund ums Kottbusser Tor? Wieso hackt die Bild-Zeitung auf Jugendlichen aus dem Drogenmilieu rum, die sich eine Handtasche klauen, ohne mal wenigstens bis zur Frage nach dem Preis für Drogen zu recherchieren? Bzw. zu denken…
Und da sind wir wieder an dem Punkt, der mich am politisch konservativen Geschehen so ankotzt: Man versucht ungeachtet der enormen Möglichkeiten am Status Quo festzuhalten. Denn von da aus, wo die Entscheidungen getroffen werden, sieht es ja immer so schön aus, als würde alles funktionieren. Dass Bayern Solarzellen nach Honduras exportiert ist eine schöne Geschichte, dass Horst Seehofer aber über genauso viele oder wenige Umwege mit einem erschossenen 14jährigen in Mexico-City in Verbindung gebracht werden könnte… wie kann ich es nur wagen, sowas auszusprechen?
Aber vielleicht flammt die Debatte ja mal wieder auf…