Es gibt von meiner Seite aus natürlich nicht nur gerichtliches aus Stuttgart. Auch mit Gerichten zu tun hat zwar folgende Geschichte, dennoch handelt sie vom Dienstleistungsgewerbe.
Vor dem besagten Gerichtstermin waren Ozie und ich schon drei Stunden zu früh vor Ort. Mit Grund. Schließlich wollten wir uns noch wegen der Beistands-Geschichte erkundigen. Außerdem war es eine Möglichkeit, noch schnell zu checken, ob sich Termin oder Ort verändert haben und zu sehen, wo der Saal überhaupt ist.
Das haben wir hinter uns gebracht, und nun wollten wir bis zur Verhandlung noch „Mittagessen und nochmal alles durchsprechen“. Wo wir genau hingehen, wussten wir nicht, aber da sich ums Gericht in einem Kilometer Umkreis sicher mindestens 15 Restaurants befinden, waren wir frohen Mutes, etwas zu finden, das uns zusagt.
Unsere Ansprüche waren nicht hoch, wir wollten nur irgendwas essen – natürlich möglichst nicht für 200 € – und einen Platz für 3 Stunden Planung haben. Den haben wir gefunden.
Zwei Pizzerien lagen zuerst auf dem Weg, und bei der Zweiten waren wir eigentlich schon kurz vor dem Reingehen. Wir haben aber beschlossen, dass wir noch einen Blick auf das Lokal nebenan werfen. Glücklicherweise! Sonst hättet ihr jetzt nichts zu lesen 🙂
Die Karte, die an der Gaststätte „Kronprinz“ aushing, war nicht überwältigend, aber immerhin preiswert. Ozie indes entdeckte den Hinweis, der unser Leben bereichern sollte:
„Separater Raucher-Bereich“
Danke! Entscheidung gefällt. Bei rund 3 Stunden Zeit, die wir dort zu verbringen gedachten, gilt das als Killer-Argument. Auf der Karte befanden sich gutbürgerliche deutsche Küche und Angebote aus dem Balkan-Gebiet – was mir als Anhänger einfachen Essens sehr entgegenkam. Wir sind also rein, und ich hab gleich ganz frech nach dem Raucherbereich gefragt.
Der Kellner wurde etwas verlegen und meinte:
„Ist aber nicht beheizt!“
„Wir schauen einfach mal!“
Also sind wir dorthin und es war tatsächlich ein paar Grad kühler, aber bei weitem nicht Außentemperatur. Also haben wir beschlossen, zu bleiben. Nachdem wir Cola bestellt hatten, hab ich Ozie bereits meine Meinung zum Kellner kundgetan:
„Hier hat aber auch irgendwer seinem bosnischen Onkel einen Job verschafft!“
Der Kerl war nett und höflich, aber er sprach nur gebrochen Deutsch und war ein wenig steif und erweckte ein wenig den Eindruck, er sähe gerade das erste Mal ein Restaurant von innen. Und im Gegensatz zu dem ziemlich heruntergekommenen Gebäude trug er Anzug und Krawatte, was irgendwie völlig deplaziert wirkte.
Der Raucherraum war noch um einiges liebloser gestaltet als der Rest des Restaurants. Sämtliche Tischdekorationen fehlten hier – mal abgesehen von Wachsdecken, die um die Jugendzeit meiner Eltern mal modern waren. Uns war das allerdings völlig egal.
Wir haben dann Essen bestellen wollen.
Ich habe mich für eine Gulaschsuppe als Vorspeise und als Hauptgang Leber mit Reis, Zwiebeln und Rauchfleisch (für fantastische 5,80 €) entschieden und Ozie überlegte, ob sie Spinat und Spiegelei im Tagesangebot nehmen sollte. Da hierzu eine Tagessuppe aufgeführt wurde, wollte sie wissen, um was für eine Suppe es sich handele.
„Ich frag mal nach!“
sagte der Kellner und verschwand.
Eine Minute später tauchte er mit einer Suppe wieder auf und hielt sie Ozie unter die Nase:
„Griessuppe mit Möhren!“
Ozie war angetan davon und behielt die Suppe. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass er sie bei Nichtgefallen auch wieder mitgenommen hätte. Kurios war es dennoch. Dann das Geschirr…
Was sicher jeder kennt, sind diese weißen Porzellan-Teller, die in einem hässlichen Rosa-Rot-Ton mit Ornamenten und Landschaftsbildern versehen sind. Sowas gab es als Untersetzer. Die Suppe selbst befand sich in einem Blechnapf. Ich hab nichts gegen Metallgeschirr einzuwenden, aber die Kombination war ein bisschen fragwürdig. Man packt ja auch in einen giftgrünen Fiat Punto keine Edelholz-Armaturen.
Aber das Essen hat geschmeckt!
Das Preis-Leistungs-Verhältnis war blendend, und ich bin auch niemand, der sich bei einem Hauptgang für unter 6 Euro darüber Gedanken macht, ob TK- oder Fertig-Ware zum Einsatz kommt. Wenn es so war, dann haben sie es gut gemacht, und witzig war’s ja auch noch 🙂
Nach dem Essen haben wir je einen Tee mit Zitrone bestellt. War ja kühl 😉
Er nahm die Bestellung so auf und verschwand. Ein paar Sekunden später stand er wieder in der Tür und fragte, was wir denn für einen Tee wünschten. Sie hätten Hagebutte, Pfefferminz, Früchte…
„Früchte!“
haben wir geantwortet. Eigentlich war es uns egal. Was warmes mit Geschmack!
Zwei Minuten später stellte er uns zwei schwarze Tee auf den Tisch. Ich ging zur Toilette und amüsierte mich bereits darüber, dass an der Wand Auszeichnungen aus den Jahren 1985 bis 1993 hingen, da ich davon ausging, dass es damals in dem Laden noch ganz anders aussah.
Als Dessert hatte ich einen Eisbecher bestellt und Ozie Vanilleeis mit heißen Himbeeren.
Während meiner Abwesenheit hat er das Eis serviert und nachdem er es hingestellt hat, zu Ozie gemeint:
„Vanilleeis war aus, ich hab ihnen eine Kugel Walnußeis gegeben.“
Und ich hab mich bei meiner Wiederkehr schon gewundert, warum in einem stinknormalen Eisbecher ausgerechnet Erdbeer- Schokolade- und Walnußeis drin ist…
Genaugenommen war es also eine Katastrophe. Aber es war der beste Laden, den wir zu diesem Zeitpunkt hätten finden können. Es war lecker, günstig, die Bedienung war immerhin nett und mir ist es lieber, es wird dilettantisch auf Kundenwünsche eingegangen als gar nicht. Uns war es egal, was wir nun genau bekommen haben und insofern denke ich, dass es auch völlig ok war, dass ich dennoch ein Trinkgeld von 10% gegeben habe – was im Übrigen bei einem Rechnungsbetrag von nicht einmal 30 € keinesfalls die Reisekasse gesprengt hat. Wir hatten in dem Raum unsere Ruhe für die Vorbereitung und haben lecker gegessen.
Für alternative Abenteuerurlauber, die noch was im Gericht zu erledigen haben, kann ich den Laden also empfehlen. Sonst sollte man es sich vielleicht überlegen.
Beim Rausgehen ist Ozie dann noch aufgefallen, dass auf jedem Tisch im regulären Bereich Werbeaufsteller für Vanilleeis mit Erdbeeren standen…
Klingt schraeg. Mich würd da ja ein Blick in die Küche interessieren. Is zwar nicht zwingend das Dilletanten immer gehaeuft auftreten aber eben wahrscheinlich. Aber wenns so viel Spaß gemacht hat sollt man vielleicht nicht riskieren sich den im Nachhinein zu verderben.
@cypher:
Ja, ist vielleicht besser, nicht alles zu wissen 😉
Sash, irgendwie klingt das nach Geldwäscheinstitut, getarnt als Restaurant 🙂
PS: Wie kann man eigentlich „Griesssuppe mit Möhren“ zubereiten, geschweige denn essen? Ist das was spezifisch Schwäbisches? 😉
PPS: Nur mal so als Sammel-Kommentar: Habe Deinen Gerichtsprozessbericht und alle verwandten Themen gelesen, gratuliere Dir zu in wichtigen Punkten unschlampigen Ex-Vorbewohnern und hoffe dass jetzt alles gut wird!
@Nihilistin:
Ja, ob das mit dem Geldwaschen vielleicht der Fall sein könnte… wer weiß?
Was die Suppe angeht: Ich kannte es bisher nicht und weiss auch echt nicht, ob das essbar ist. Das sollte Ozie vielleicht beantworten. Also es war eine normale Brühe mit Gries drin. Oder so… kein Plan!
Und danke für die Wünsche zum Verfahren! 🙂