Freitag = Polizeitag (3)

Nazidemonstration. In Weinheim. Weinheim?

Muss man nicht kennen, und dank Abwesenheit der Nazis war das eine kurze Gegendemo, die sich bald auflöste und die 200 km Anfahrt nicht wirklich gelohnt hat. Aber gut, ab nach Hause, gemütlicher Abend in der WG. Wir waren zu fünft, und der Rest würde sicher nachkommen.

Wir waren inzwischen fernab jeder größeren Gruppe auf dem Weg zum Auto, als wir merkten, dass uns eine Wanne im Schrittempo folgte. Klar führte das zum ein oder anderen lustigen Kommentar unter uns, aber was wollen sie uns bitte?

Irgendwann haben sie dann aufgeschlossen und fuhren neben uns. Ein neugieriger Beamter fragte aus dem Fenster, wo es denn hingehe.

Ich hab ohne den Blickkontakt zu erwidern den Autoschlüssel aus der Tasche gezogen, hochgehalten und gesagt:

„Zum Auto. Heimfahren.“

Das hat ihnen offenbar als Antwort genügt und sie haben sich zurückfallen lassen. Von uns weichen wollten sie nicht, und wir nahmen es mit einer eigentlich unverständlichen Gelassenheit hin, dass sie offenbar sehen wollten, in welches Auto wir steigen und dabei wahrscheinlich noch kurz das Kennzeichen überprüfen.

Wir hatten keinen Bock auf Stress und sind zügig eingestiegen und haben uns lediglich darüber amüsiert, dass die Überprüfung eigentlich nur ergeben könnte, dass das Auto einem bald 60jährigen gehört, der nur insofern jemals mit der Polizei zu tun hat, als seine Tochter in dem Verein arbeitet…

Also sind wir losgefahren. Aber wohin?

Es war die graue Vorzeit in der Menschheitsgeschichte, in der Navis noch blöd waren wie Nacktmulle im Weltall und zudem unbezahlbar für Proletariervolk wie uns. Also hatten wir einen perfiden Plan: Wir sind immer weiter gefahren, bis eine größere Straße kreuzt. In diese sind wir nach dem Zufallsprinzip eingebogen und haben uns so zu immer größeren Straßen vorgetastet. Irgendwann würde sicher ein Schild Richtung Autobahn kommen…

Das Prinzip ist – wenn man es nicht gerade als Taxifahrer anwendet – sicher nicht blöd und würde auch in Berlin funktionieren. Aber wir hatten ja Geleitschutz. Ganz offensichtlich waren wir ihnen derart suspekt und sie waren unterbeschäftigt genug, uns mit der Wanne zu folgen. Wir sind sicher einen mehr als bekloppten Weg gefahren, aber mit unserem Stuttgarter Kennzeichen hätte unseren Verfolgern auch die Idee kommen können, dass wir nicht zum ausgewählten Personenkreis gehören, die sich in Weinheim – ich wiederhole: IN WEINHEIM! – auskennen.

Wir waren sicher schon fünfmal durchs gesamte Kaff gegurkt, als wir einen relativ komfortablen Vorsprung vor unseren Verfolgern hatten. Ohne die Geschwindigkeitsbegrenzung zu übertreten mehr als 200 Meter. Es folgte eine lang gedehnte Rechtskurve, bei der sie uns aus den Augen verloren.

Es war eine Kurzschlussaktion, dass wir beschlossen haben, wir schütteln sie ab. Wir hatten nun wirklich nichts getan, und es ist einfach wirklich stressig, die ganze Zeit Cops im Nacken zu haben, die einen beobachten…

Also habe ich das Licht ausgemacht und bin in eine recht üppige Parklücke vorwärts eingebogen.

Es hat natürlich nicht geklappt…

Es ist ein ziemlich ungutes Gefühl, wenn man in einem Auto sitzt und neben einem fährt eine Wanne vorbei mit einem kompletten Sixpack schwerbewaffneter Cops darin, von denen jeder die Möglichkeit nutzt, einen hasserfüllt anzusehen. Es kam, wie es kommen musste: Wenige Meter vor uns fuhren sie ebenfalls rechts ran und sprangen aus dem Wagen.

Ich hab die Situation zu entschärfen versucht, bin ausgestiegen, hab die Hände beschwichtigend gehoben und gesagt:

„Ey, keine Panik! War nur ein Scherz…“

Die Antwort folgte prompt. Der Chef erklärte mit einer Hand am Schlagstock übel gelaunt:

„Sie sehen ja: Wir lachen alle!“

Die folgende Dreiviertelstunde standen wir also in Weinheim am Straßenrand und haben uns und unser Auto von den Cops filzen lassen. Dazu kam eine intensive Ausweiskontrolle, und beendet wurde das alles mit einer rechtlich sehr fragwürdigen „Bitte“, die „Stadt“ schnellstmöglich zu verlassen. Das war ja nun wirklich kein Problem.

Etwas Ärger staute sich allerdings in mir auf, als ich linker Hand eine Tanke sah, an der wir dringend unseren Spritbedarf hätten decken sollen. Aber ich bin mir sicher, dass ich heute noch Abdrücke von Schlagstöcken irgendwo im Gesicht hätte, wenn wir an dieser Stelle gewendet hätten. So haben wir uns also bis zur Autobahn eskortieren lassen und das friedliche Weinheim damit verschont, unser gutes schwäbisches Geld dort liegen zu lassen. Der eine Euro mehr beim Tanken auf der Autobahn war dann auch nicht der Rede wert.

4 Comments

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4 Responses to Freitag = Polizeitag (3)

  1. Michael

    Irgendwie kam mir der Satz
    „Du willst es doch auch“
    in den Sinn.
    Also manchmal ist wirklich nichts zu machen, da sind die Fronten total verhärtet.
    Aber hier:
    Ich hätte die Polizisten gefragt, wie ich denn wieder am schnellsten heimkomme, dann redet man miteinander und nimmt den Polizisten das „alle Antifa suchen nur Krawall“ Vorurteil weg.
    Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, daß sie die Glatzen noch viel weniger mögen. Hier trauen die sich nicht auf Straße.

  2. @Michael:
    Ach, im Nachhinein betrachtet, war das ein niedliches Spielchen. Vielleicht war es etwas provokativ, dabei so guter Laune zu sein – aber sonst? Das war wirklich nur ein Witz. Wahrscheinlich von beiden Seiten aus 😉

  3. cohn structa

    ..mit Witzen wär ich bei denen vorsichtig. Die Wannenfahrer genügen – freundlich gesagt – nicht den intellektuellen Anforderungen an Streifenhörnchen. Wenn man Sie das merken lässt, werden sie recht unlustig.
    Siehe die Demo unlängst in Berlin, wo ein Rechthaber mal eben ..äääh mehrfach stolperte oder eigene Erfahrungen (als Unbeteiligter !) auf der Anti-Nazi-Demo letztes Jahr in Köln (in bester Vorstadt-Manier „pass bloss auf“, die Herren aus Bayern).
    Wobei es da wohl nach Insidern ziemliche Unterschiede geben soll. Will man einen nicht-friedlichen Wanneneinsatz holt man die Kollegen aus Berlin oder aus Augsburg…

    Ich streite ab, hier über Polizisten kommentiert zu haben.

  4. @cohn structa:
    Ich denke, Verallgemeinerungen kann man nicht mal auf die Bundesländer anwenden. Aber es soll schon so Tendenzen geben…

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