Gerichtsverfahren sind eine komische Geschichte. Seit etlichen Einträgen hangele ich mich durch ein mir noch vor einem Jahr unbekannt gewesenes Thema und gebe Prognosen ab, wie es enden könnte, kotze Gift und Galle in Form scheinbar liebenswürdiger Anekdoten gegen Richter, Anwälte und mindestens das Justizsystem im Allgemeinen.
Und irgendwie kommt doch immer alles anders. Naja, fast.
Beim heutigen Termin, der Zeugenvernehmung, waren die Möglichkeiten eines Ausganges der Geschichte bereits von Anfang an eingegrenzt. René, seines Zeichens Sohn der beiden Beklagten, sollte mit seiner Aussage beweisen, dass zu meinem Einzug die Schäden, die mir zur Last gelegt werden, noch nicht existierten.
So gab es nur ent oder weder. Gelingt es, ist mit einer nächsten Runde in alle Bereiche zu rechnen, dem Auseinanderpflücken der Schadenshöhe z.B.. Im anderen Falle könnte es sogar das sofortige Ende sein.
Aber im Endeffekt wussten wir nicht einmal, ob René kommen würde, und wenn, ob er aussagt, und wenn, wie. Denn soweit wir wussten, wohnt er noch bei den Beklagten, ist mit ihnen verwandt, von ihnen wirtschaftlich abhängig… das macht vielleicht nicht so schnell glaubwürdig, birgt aber natürlich gewisse Risiken für die Wahrheit.
Vorbereitet waren wir für die Verhältnisse gut. Wir haben uns Erkundigungen von unseren Zeugen eingeholt, woran sie sich erinnern konnten, und haben eine kleine Auswahl fieser Fang- und offensichtlicher Lull-und-Lall-Fragen vorbereitet, um jede Lüge in bester Staranwalt-Manier in ein enger werdendes Netz purer Ausweglosigkeit zu lotsen.
Erschreckend war es für einen Moment, als ich beim Betreten des Gerichtsgebäudes ausgerechnet René und Petra sah, denn das Worst-Case-Szenario bestand aus der Kombination von einer Anwesenheit Renés und Beeinflussung seitens seiner Mutter.
Aber auch Dieter und der Anwalt ließen nicht ewig auf sich warten. Unsere beiden Zeugen waren auch da, sodass eine gewisse Ausgeglichenheit durch die Anzahl wenigstens gegeben war.
Direkt meinen Ex-Vermietern gegenüberzustehen hat mich zwar einmal mehr nervös gemacht, aber schon die Tatsache, dass der Anwalt vom umnachteten Moment, in dem er mir die Tür vor der Nase zumachte, abgesehen, wenig kampfeslustig gab, lies mich aufatmen.
Im winzigen Saal wunderte ich mich nur, dass eine mir unbekannte Frau das Geschehen verfolgte, aber so ist das bei öffentlichen Verhandlungen. Man kann sich dennoch mal ziemlich alleine fühlen. Am Kopf des Raumes die Richterin, mir gegenüber Dieter und sein Anwalt. Petra nahm wie die Unbekannte im Zuschauerraum Platz.
Meine Zeugen mussten den Raum zunächst verlassen, und Ozie sowieso, weil der gegnerische Anwalt sie ja bereits letztes Mal als „potenzielle“ Zeugin aus dem Raum entfernen lies.
Man fühlt sich so ein bisschen umzingelt.
Um mich selbst zu beruhigen, habe ich mir die vorbereiteten Fragen auf den Tisch gelegt und nach einem Blick zum gegnerischen Anwalt ebenso wie dieser meinen Unterlagenordner aufgeschlagen. Dazu gab es keinen ersichtlichen Grund, aber ich hatte nicht vor, dieses Mal in Punkto stoischer Gelassenheit oder professioneller Arroganz den Kürzeren zu ziehen.
Binnen drei Minuten lag ich in Führung.
Ich habe mir mein süffisantes Lächeln nicht permanent verkneifen können, als mir klar wurde, dass René wahrheitsgemäß aussagt. Nach wenigen Sätzen seinerseits war klar, dass er zum fraglichen Zeitpunkt nie in der Wohnung war und lediglich bezeugen kann, dass die Schäden nach meinem Auszug existierten. Bei meinen Fragen musste ich plötzlich erfinderisch sein, denn ich hatte eigentlich keine passenden. Er sagte ohnehin nichts gegen uns aus, und so habe ich die Zeit genutzt, um ihn den Umfang der Schäden schildern zu lassen, was ggf. bei weiteren Beweisaufnahmen oder einer zweiten Instanz von Belang sein könnte. Selbst das nicht ohne Erfolg.
Der dritte Schaden (die Duschtür, bei der ein unbeteiligter Freund gestern beim gemütlichen Beisammensein spontan rief „Die war doch ewig schon kaputt!“) wurde nur noch oberflächlich angegangen, da René bereits gesagt hatte, er war zur fraglichen Zeit nie im Bad, aber ich muss es eben erwähnen, weil Renés O-Ton zum Zustand beim Auszug
„Komplett deformiert“
schlicht in diesen Eintrag gehört.
Die Richterin deutete ihre Enttäuschung bezüglich der Beweiskraft an, und so tat der Anwalt, was er tun musste: Kurze Unterbrechung.
Ich war eigentlich gelassen genug, um diese zum Pinkeln zu nutzen, aber um der Gegenseite nicht den Eindruck zu vermitteln, sie seien der einzige gackernde Haufen im Gericht, bin ich festen Schrittes raus, hab Ozie, die sich den Tisch im Flur inzwischen mit den drei Zeugen beider Parteien in trauter Eintracht teilte, mit einer hoffentlich professionell anmutenden Geste zu mir gewunken.
Auf dem Weg ins Abseits vernahm ich die Stimme des gegnerischen Anwaltes:
„Also, jetzt bleibt nur noch eine Möglichkeit…“
Ich lauschte, immer noch festen Schrittes durchs Haus marschierend, angestrengt.
„Anerkenntnis…“
Yes!
Etwa 5 Minuten später war bereits zu Protokoll gegeben, dass die Beklagten die Klage anerkennen. Die volle Kaution, die Zinsen, die Gerichtskosten… all das geht zu Lasten Dieters! So wie ich es immer gesagt habe.
Wir haben gewonnen!
Ein paar halblebige Jammereien hatte ich noch anzuhören, wie sehr sie belogen wurden und dass ihre Lehre daraus sei, keine WG’s und „Studenten“ (ca. 3 Leute von 13 in der gesamten WG-Zeit) mehr aufzunehmen.
Als ich nach einem unspektakulären Ende ohne große Emotionen oder Worte den Saal mit professionell anmutender Nüchternheit verlassen habe, fauchte mir Petra noch zu:
„Dir wünsch ich nur, dass du mal ähnliche Erfahrungen mch’sch, weil des jetzt…“
Ohne mich umzudrehen, erwiderte ich ein dahingehauchtes
„Hach…!“
Von René habe ich mich mit einem Handschlag verabschiedet und mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt, was er mit einem Lächeln entgegennahm. Mit Ozie und meinen beiden Zeugen habe ich mich dann davongemacht, um mir das Elend nicht länger anzusehen.
Die haben nicht im Geringsten verstanden, warum sie den Prozess verloren haben, mal abgesehen davon, dass eine ganze Menge themenbezogener Ignoranz nötig ist, um sich von einem wahrheitsgemäßen Geständnis des eigenen Sohnes überaschen zu lassen. Wir sind die bösen und das Recht ist eben mal wieder ungerecht. Wahrscheinlich glaubt das selbst die Richterin noch, was ich schade finde. Aber ich hab ja jetzt, was ich will.
😀
So, es gibt noch mehr zur Fahrt, ich könnte stundenlang schreiben. Aber ich hab in den letzten 60 Stunden nur 2 x 4 davon geschlafen und mein Körper braucht noch Kraft für die zweistellige Anzahl an großen Bier, die heute Abend vernichtet werden will.
Ich melde mich aus Berlin live wieder und beantworte auch die Kommentare erst wieder zu Hause. Morgen kommt nur ein kurzer Taxitext, aber glaubt mir: Der Alltag kommt schnell genug wieder…
Und jetzt wird gefeiert!!!