So, jetzt haben wir den Salat. Bzw. die Japaner bald keinen mehr? Das Fehlen von Salat ist in meiner dunklen Kindheitserinnerung zumindest so in etwa das, was ich mit dem Reaktorunglück in Tschernobyl verbinde…
Ich werde mich hüten, irgendwelches technische Gefasel über die Vorgänge in und um die Reaktoren von Fukushima von mir zu geben. Mein Wissen über Kernkraftwerke ist ähnlich begrenzt wie das eines jeden durchschnittlichen Wikipedia-Lesers, und ich erwarte derzeit alles andere als vernünftige Informationen über die Situation vor Ort.
Aber ja, ich hab dann dennoch was zu sagen…
Ebenso wie sicher rund um den Planeten gerade ein Haufen engagierter Wissenschaftler daran arbeitet, Informationen zu bekommen und den weiteren Verlauf der ohnehin sehr unglücklichen Ereignisse in Japans Norden positiv zu beeinflussen, dreht sich die Erde weiter und an allen Ecken und Enden dieses runden Planeten mit grenzenloser Oberfläche wird weiter Politik betrieben. Und ja, da werden wir bald ziemlich derbe von betroffen sein.
Schließlich stellt dieses Unglück einmal mehr in Frage, ob die Nutzung von Kernenergie noch zeitgemäß ist.
Auch wenn ich oben im Text Tschernobyl erwähnt habe, möchte ich jetzt nicht bloß eines explodierten Reaktorgebäudes wegen Panik verbreiten. Ob die Vorgänge in Fukushima jetzt um den Faktor 100 ungefährlicher sind als 1986 in der Sowjetunion, etwa vergleichbar oder hundertmal schlimmer – ich gehöre nicht zum Kreis derer, die das einschätzen können. So wie sicher ein Großteil der Leute, die sich jetzt dazu zum Thema melden.
Fakt scheint jedoch mal ganz konservativ betrachtet zu sein, dass ein Ereignis, dass alle hundert, vielleicht alle zweihundert Jahre auftritt, dafür gesorgt hat, dass an einem AKW radioaktive Strahlung entweicht. Ob das jetzt unkontrolliert geschah oder wegen eines regulierenden Druckablassens, spielt im Ergebnis keine Rolle.
Und unabhängig davon, ob das jetzt schon ein Super-GAU ist, oder nicht einmal einer werden kann, man muss ja wohl zugeben, dass es nicht ganz unerheblich ist, wenn ein Teil eines Gebäudes explodiert, der mit ziemlicher Sicherheit nicht aus Designgründen existierte.
Schon gestern habe ich bei Twitter (fragt mich nicht bei wem, ich habs aus den Augen verloren) einen Tweet gelesen, der sinngemäß lautete:
„Jede Wette: „Es ist in Anbetracht vielen Opfer taktlos, die Ereignisse für plumpe Anti-Atomkraft-Propaganda zu nutzen.““
Dass plumpe Propaganda nicht hilfreich ist, ist klar. Nicht umsonst ist der Begriff „plumpe Propaganda“ ein kleines Bisschen negativ konnotiert. Traurig ist, dass diese Argumentation kommen wird.
Als ewiger Nörgler bin ich jetzt sicher nicht gerade der geeignetste Mensch auf dieser Welt, um zu Sachlichkeit aufzurufen. Aber ich möchte mal klarstellen, dass jede weitgehend politische Äußerung zum Thema, ob pro, ob contra, den Tatbestand der Pietätlosigkeit erfüllen wird. Ebenso wie es einige unangemessen finden würden, jetzt noch drauf rumzuhacken, dass es „vorhersehbar“ war, ist für andere sicher der Gedanke unerträglich, dass bereits darüber gefaselt wird, dass das ja überall sonst nicht hätte passieren können.
Zudem ist Pietät sicher nett, aber ohnehin dazu verdammt, zeitlich begrenzt zu sein. Es besteht wahrscheinlich sogar ein Konsens über alle politischen Lager hinweg, dass gerade vergleichbare Katastrophen in der Vergangenheit letztlich wenigstens einen kleinen Vorteil hatten: Sie konnten dazu genutzt werden, daraus zu lernen. Ob im Einzelnen die richtigen Schlüsse gezogen wurden – das mag ein anderes Thema sein.
Darüber hinaus birgt eine derartige „Argumentation“ die Gefahr, dass kleingeredet wird, dass es die Anti-Atomkraft-Bewegung seit Ewigkeiten gibt und sie sich jetzt nicht plötzlich meldet, um auf irgendeinem Trittbrett mitzufahren. Bloß weil man es seit 15 Jahren mal mehr und mal weniger geschafft hat, diese Leute zu überhören, braucht man sich jetzt nicht wundern, wenn sie nicht still sind, wo mal tatsächlich etwas passiert, vor dem seit Ewigkeiten von ihnen gewarnt wird.
Es mag sein, dass die Wahrscheinlichkeit eines atomaren Unfalls in Deutschland so niedrig ist wie sonst kaum wo. Aber es ist zum einen ziemlich überheblich zu glauben, die Japaner hätten sich über ihre Reaktorsicherheit keine Gedanken gemacht, und zum anderen ist dieser vielleicht vorhandene Vorsprung auch nicht gerade einer, den man mal eben verspielen sollte.
Ich bin ein eiserner Verfechter der Theorie, dass es eine absolute Sicherheit nicht gibt. Und ich bin so pragmatisch, deswegen unschöne Dinge als gegeben hinzunehmen. Aber wir reden bei Kernkraftwerken nicht darüber, wie eine Lösung der Probleme im Detail gewichtet wird – wir haben keine!
Katastrophen – so selten sie sein mögen – haben stets das Potenzial zu großflächiger Ausdehnung, und noch dazu werden Unmengen an hochgefährlichem Müll produziert. Müll, der so lange gefährlich ist, dass wir nicht nur nicht wissen, wie wir ihn unterbringen sollen, sondern noch nicht einmal, wie wir zukünftige Generationen davon in Kenntnis setzen könnten, dass er gefährlich ist.
Selbst unsere nicht gerade aktionsfreudige Regierung unter Mama Merkel will immerhin „nur“ eine Laufzeitverlängerung und nicht etwa ein dauerhaftes Festhalten an dieser sonst ja recht cleveren Form der Energiegewinnung.
Kurzum: Ich finde, gerade wenn etwas mieses wie jetzt in Japan passiert, sollt man darüber diskutieren, ohne dass einem was von Pietät erzählt wird, bloß weil es gerade (wie immer) schlecht passt.
Ungeachtet meiner persönlichen Abneigung gegen die Kernkraft an sich hoffe ich natürlich, dass das jetzt in Fukushima so glimpflich wie nur irgend möglich ausgeht und möglichst wenige Menschen und sonstige Lebewesen geschädigt werden, und die Geschichte doch eher ein zu lautes Rascheln im Blätterwald ist. Daran glauben tue ich allerdings gerade nicht so recht – zumal die derzeitigen Infos ausschließlich vom Betreiber und von der japanischen Regierung kommen – die mir als seriöse Quellen doch ein wenig zu sehr ins Geschehen involviert sind.
Falls jemand das Geschehen ausreichend findet, die Kernkraft zumindest nicht weiter zu unterstützen, dann kann ich nur empfehlen: Atomausstieg selber machen und Anbieter wechseln! (Hey, ich hab Propaganda versprochen!)
Hier aber noch ein paar informative Links:
Das PhysikBlog erläutert den Ablauf in AKWs und die Problematik der Kernschmelze anschaulich und unterhaltsam.
Physiker Jörg Rinds sucht nach Fakten und Links – nicht nach Meinungen.
Die Antiatompiraten tickern live Fakten aus Japan und Berichte von der Demo um Stuttgart.