Wer sich kürzlich über eine Meldung von mir bei Facebook oder Twitter gewundert hat, sei weiter beunruhigt: Ja, es ist tatsächlich wahr, dass Ozie und mir auf dem Heimweg ein blutender Rentner in die Quere kam.
Das heisst: In die Quere kam uns zunächst eine hysterische Frau, die um ein Handy bettelte. Ein paar kurze aufgeregte Sätz später stand er dann vor uns: Die Hosen bis zum Bauchnabel hochgezogen, die kahle Stirn verschwitzt, der linke Hemdärmel ungelogen vor Blut tropfend. Mit einem netten Grinsen im Gesicht hat er uns freundlich begrüßt.
Den Notruf. Der Mann ist gestürzt, hatte einen epileptischen Anfall und ist jetzt verletzt.
„Geht es ihnen gut?“
„Jaja, jetzt geht’s mir gut! Ich hatte einen Anfall.“
Die Frau am anderen Ende der Leitung war offenbar auch überrascht, freundlich vom Opfer selbst bestätigt zu bekommen, dass ein Anfall vorlag, nun aber eine stark blutende Wunde das Problem sei. Sie bat uns, ein Handtuch zu besorgen, und so begann die glücklicherweise nur kurze Wartezeit auf die Sanitäter. Ozie holte ein Tuch und ich beschloss, den immer noch freundlich lächelnden Kerl zu einer Bushaltestelle zu begleiten und sorgte mich ein wenig um das viele Blut, das stromartig an seinem Arm entlanglief.
„Wollen sie sich setzen?“
„Na, ist vielleicht besser, oder?“
„Passiert ihnen das öfter?“
„Jaja, ich bin ja Epileptiker.“
Den Rat, das Blut abzutupfen, sind wir nicht gefolgt, da noch nicht einmal zu erkennen war, wo eigentlich die Wunde war, aber wenigstens konnten wir die verbleibenden 2 Minuten dafür sorgen, dass seine Sachen nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen werden und er sich keine Sorgen mehr macht, nicht mehr nach Hause zu kommen. Lügen können auch mal notwendig sein.
Mit der gleichen Unaufgeregtheit, die er uns entgegenbrachte, begrüßte er auch die Sanitäter und ließ sich problemlos versorgen. Während sich auf dem Boden an der Haltestelle bereits eine beachtliche Pfütze Blut angesammelt hatte, überließen wir den grinsenden Greis den professionellen Helfern.
Es gibt genügend Gründe, den armen Herrn zu bedauern. Seine Lockerheit indes fand ich beachtlich. Als wir gingen, glaubte ich zu erkennen, dass er mit seinem geschundenen Arm winken wollte. Kurz nachdem einer der Sanitäter einen offenen Bruch vermutete…