16. Juli 2011 · 08:35
Kaum ist Google+ in nennenswertem Umfang auf dem Weltmarkt für Eitelkeiten, im Bereich der sozialen Netzwerke, halbwegs angekommen, schon steht die erste Krise ins Haus. Eine Art Identitätskrise. Zum einen fragen sich natürlich die Nutzer, was aus Google+ wird, andererseits gibt sich Google selbst schon alle Mühe, dem Ganzen eine gewisse Richtung zu geben.
Scheinbar löscht Google einzelne Nutzerprofile, wenn diese den Eindruck erwecken, sie würden keinen Klarnamen enthalten. Und so super-social, wie das alles nunmal ist, schwappt eine mehr oder minder große Welle durch die digitale Bude. Alte binäre Haudegen fühlen sich an eine Zeit erinnert, als das selbe Thema offenbar im Usenet durchgenudelt wurde, ein Großteil der Leute schaut indes fasziniert zu, weil sich bisher scheinbar niemand Gedanken darüber gemacht hat.
So schrieb plomlompom sich in Rage über diese Ungerechtigkeit und forderte die User auf, Pseudonyme zu nutzen, woraufhin sich etliche Gegner aufschwangen und klarstellten, dass es sich hierbei überhaupt um gar kein Problem handeln würde. Mehrfach wurde auf Googles Hausrecht verwiesen und darauf, dass man ja woanders spielen gehen könne, wenn man keinen Bock hat, sich mit Klarnamen zu melden.
Das wiederrum rief Sascha Lobo auf den Plan, der eine Lobesrede auf die freie Namenswahl in der digitalen Öffentlichkeit hielt und die Meinung vertrat, dass das mit dem Hausrecht albern sei, weil Google schließlich als eines der großen sozialen Netzwerke durchaus so etwas wie „die Öffentlichkeit“ sei.
Verschiedenste Kommentatoren versammelten sich auf verschiedensten Posts und proleteten munter ihre Fürs und Widers heraus. Die Debatte ging vom Hausrecht zum Telemediengesetz, vom Stalker bis zum unterdrückten Diktaturbekämpfer und natürlich auch jeweils wieder zurück.
Ich wollte mal meine Meinung dazu kundtun:
Ich kenne ja als Blogger die Vor- und Nachteile pseudonymen Daseins. Ich selbst blogge zwar seit geraumer Zeit mehr oder minder unter Klarnamen, weil mir die Anonymität zu anstrengend war, aber ich habe natürlich viel mit Pseudonymen um mich herum zu tun.
Als Negativbeispiel fällt mir da beispielsweise ein altkluger Vollspaten ein, der mit seinem psychotisch anmutenden Geschreibsel seit einem Jahr meint, er müsse Unwahrheiten über mich in seinem bedeutungslosen Kleinstblog von sich geben, während er sich fälschlicherweise für clever genug hält, seine Identität zu verschleiern.
Auf der anderen Seite stehen die vielen hundert Leute, die in meinen beiden Blogs kommentieren und dies in großer Zahl völlig ohne Klarnamen unter frei gewählten Pseudonymen tun und dabei im Grunde nie ernsthaft den Eindruck erwecken, als würde ihnen eine Verletzung der Netiquette in den Sinn kommen.
Bei allem Ärgernis, das minderbemittelte Trolle im Netz auslösen können: Überwiegend scheint die Sache mit den Pseudonymen gut zu funktionieren. Hier greift auch eines der Argumente vieler Verteidiger der Pseudonym-Idee: Viele Menschen haben sich eine Identität im Internet (oder auch im Reallife-Freundeskreis) zugelegt, die nichts mit dem offiziellen Namen zu tun hat. Und warum sollte man ihnen das verbieten? In sozialen Netzwerken geht es um zwischenmenschliche Kommunikation ohne vertraglichen Charakter. Eine Identifizierbarkeit muss ja nicht zwingend gegeben sein.
Folglich vertrete auch ich die Ansicht, dass Google gut daran täte, Pseudonyme zu erlauben, auch wenn sie so dämlich klingen, dass man um den Verstand des Benutzers fürchtet.
Die Menschen, die sich (und was ist in sozialen Netzwerken anderes zu erwarten?) eine Identität zulegen, die ihnen am Herzen liegt, werden sich kaum in Wildwest-Manier durchs Netz schlagen. Schließlich sind auch Pseudonyme für die Personen dahinter und die Personen gegenüber wichtige Teile der Kommunikation – ebenso wie der eigene Name.
Ja, Ausnahmen bestätigen die Regel. Die LoVeRbOy_SEXY_38(cm;)) dieser Welt werden damit vielleicht Teil des Internets (oder hier: Teil des Netzwerkes) bleiben und in ihrer Anonymität hier und da rumtrollen. Ich wage aber zu bezweifeln, dass sie jemand ernst nehmen muss. Zumal das Aussieben bei Google+ (wie auch bei Facebook übrigens) nach offenbar nicht allzu cleveren Parametern vorgenommen wird, die es immer erlauben werden, sich als Hans Wurst anzumelden, auch wenn man Kunigunde Veilchen heißt.
Google selbst sollte es egal sein, unter welchem Namen sich die Nutzer durchs Netz bewegen. Für den Konzern sind alleine die Verknüpfungen und Vorlieben interessant, um sie für die Werbung zu verwenden. Dabei spielt der Name so oder so keine Rolle, wenn Google nicht morgen plant, auf Postwurfsendungen umzusatteln. Erzwingen kann man das nicht, man kann es nur versuchen. Aber der Versuch ist vielleicht so dumm nicht.
Man muss sicher keine Stalkingopfer oder unterdrückte Minderheiten in anderen Ländern bemühen, um pro Namensfreiheit zu argumentieren, aber wenn man sie dann letztlich auch noch auf der richtigen Seite verbucht, dann sollte klar sein, dass Google+ gut daran tun würde – und im Übrigen auch wesentlich mehr Benutzer finden und binden wird,- wenn jeder seinen Namen selbst wählen kann.