Im Internet geboren

Also ich weiss nicht, wie es euch Lesern geht. Ich bin nicht im Internet geboren. Genausowenig wie der Terroranschlag in Oslo, über den sich Hans-Peter Uhl jetzt mittels derartig undifferenziertem Quatsch und in Tateinheit mit Gedankenverkorksung und doppelblöder Blindheit ein Urteil erlaubt hat.

Aber ja: Mit der Zeit habe ich gelernt, mit dem Netz umzugehen. Wie üblich ein wenig unkonventionell und behelfsmäßig, aber ich hab es zum Hardcore-User gebracht, ohne in der Steinzeit meiner Computer-Kenntnisse auf Dialer hereingefallen zu sein. Ein einzelner Virencrash eines PC’s geht auf mein Konto, aber ich hab auch noch nie versehentlich eine Pornoseite geöffnet, wie das allenthalben passieren soll, sondern wenn dann absichtlich. Ich nutze das Internet mittlerweile zur Kommunikation in jeglicher Hinsicht, kaufe dort auch ein und suche nach Unterhaltung.

Dafür braucht es gewisser Grundkenntnisse, die ich inzwischen – wie beim Autofahren – kaum noch von natürlichen Reflexen unterscheiden kann. Was ist das Internet? Wie bediene ich einen Browser und was sind Webseiten und was kann man auf ihnen alles anstellen? Ganz ehrlich: Das sind keine Fragen, die irgendjemanden heutzutage noch beschäftigen sollten. Vielleicht muss man nun wirklich nicht wissen, was gerade der superaktuelle Trick ist, um sich gegen die neueste Spionagesoftware des US-Militärs zu wehren, ohne gleichzeitig das Filesharing unterbrechen zu müssen – aber als ganz wichtige Grundlage sollte man vielleicht wissen, wie man danach (oder ggf. eben auch nach Unterhaltung, Pornos oder Nachrichten) sucht.

Ich bin auch hier allenfalls Amateur. Ich muss jeden Befehl für Google, der über die Anführungszeichen hinausgeht, nachschlagen. Aber wenn es nötig ist, tue ich es. Und ich weiss, wie. Ich bin wirklich kein arroganter Nerd, der meint, die restliche Welt müsse dieselben Interessen haben und ich halte nach wie vor Deutsch für eine schönere Sprache als html. Aber überlegt mal bitte selbst, wann ihr das letzte Mal derart unbeholfen etwas in eine Suchmaschine eingegeben habt:

www.betriebsanleitung datenfunk in kölner taxen de.

Das ist kein Witz. Das ist eine reale Suchanfrage bei Google gewesen, mit der man dann auch noch auf GNIT landen kann. Im Ernst: Das ist abgesehen von der erschreckend korrekten Rechtschreibung nur noch durch Drogen oder eine langjährige CDU-Mitgliedschaft zu erklären. Man sollte meinetwegen allen Menschen einen Grundkurs in Internetnutzung geben. Aber in dem Stadium dürfen die da noch nicht alleine rein, ehrlich. Das ist viel zu gefährlich, sonst labern die am Ende alle so einen Schrott wie der Uhl.

12 Comments

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12 Responses to Im Internet geboren

  1. mt

    Ich glaube nicht, dass o.g. Suchabfrage so bei Google eingeben wurde, zumindest nicht manuell, dazu habe ich o.g. Muster von Anfragen zu oft im Referrer-Protokoll meiner diversen Sites.

    Das scheint eher eine Kombination aus aktivierbaren Browser-Features zu sein:

    Der Suchbegriff wird als URL eingegeben, dann von der automatischen Vervollständigung, die einige Browser anbieten, um „www.“ und „.de“ ergänzt.

    Anschließend stellt der Browser (ggf. nach nochmaligen des Nutzers in der URL-Zeile) fest, dass die URL nicht valide ist, und übergibt die Daten aus der URL-Zeile an die im Browser vorkonfigurierte Suchmaschine.

    Und schon ist die obskure Suchanfrage fertig. 😉

  2. Die unbedarften Versuche derjenigen, die eben nicht so intensive Berührungen mit dem Netz haben und es als Videotext mit mehr Möglichkeiten betrachten, sind schon amüsant.

  3. Nihilistin

    Moin Sash,
    na ja, ich sehe es um einiges anders. Ich finde die Begründung von MT ganz schlüssig – aber selbst wenn es nicht so wäre, könnte ein Mensch, der eine solche Suchanfrage ins Googlefenster eingibt, durchaus jemand wie mein Vater sein.
    Hey Leute – vergesst doch bitte nie: Alle Menschen jenseits der 50 sind noch mit Schreibmaschinen großgeworden. Ihre Abschussarbeit haben sie entweder noch auf der Schreibmaschine oder auf einem Computer geschrieben, wo das Betriebssystem noch vom Band geladen wurde. Ich finde, ein Großteil dieser Leute schlägt sich wacker und tapfer in einem Medium, mit dem sie nicht aufgewachsen sind.
    Ich würde jedenfalls diese Menschen, die sich wacker bemühen, niemals mit Scharfmachern wie Uhl in einen Topf werfen.
    Und – mir ganz wichtig: Ich halte mehr von jemandem der so was wie von Dir Beschriebenes in seine google-Maske haut, als von einem altersmäßigen „Digital Native“, der Dinge reinhaut wie „wo kan ich billig ifone herkrigen“ und der von einer Firewall noch nie was gehört hat.

  4. @mt:
    Also ans versehentliche Eintippen bei Google anstelle des Adressfensters hab ich ja auch noch gedacht. Aber bei dem „de.“ hab ich einfach nicht mehr dran geglaubt, dass es maschinell passiert sein könnte…
    Aber klar, es ist eine Möglichkeit!

    @Der Maskierte:
    Wie wahr…

    @Nihilistin:
    Naja, dass man eine Menge Ironie braucht, um diese beiden Themen zu verknüpfen, ist ja klar. Und es ist nicht so, dass ich nicht in meiner Familie auch Beispiele dafür hätte. Also ganz so böse ist es auch nicht gemeint 😉
    Anfragen wie die von dir unten genannte bekomme ich allerdings auch mit erschreckender Häufigkeit. Traurigerweise geht es meistens darum, wie man Taxifahrer wird 🙁

  5. stueckl

    also dergleichen hab ich schon live erlebt …
    Frage von KollegInnen … du wie heißt die Seite mit dem Zip-Programm?
    Ich: seven zip org
    KollegIn: startet Browser (mit Google Startseite) und gibt im Suchfeld „www.7zip.org“ ein
    ich: ohne www und mit Bindestrich nach seven – das ist die Addi, kannst du direkt im Adressfeld oben eingeben
    KollegIn: bessert Suche aus, klickt auf suchen … o Wunder – Googles bester Treffer ist 7-zip.org … KollegIn klickt auf Suchergebnis
    ich: du weißt aber schon, dass du die Adresse im Adressfeld auch eingeben kannst?
    KollegIn: ich muss doch die Seite suchen
    ich: WTF!

    Aber ich kann da wohl nicht mitreden … ich stamme ja noch aus der Prä-Google – nur IP-Adressen – Gopher Ära … da waren wir schon froh, wenn sich einer mal die Mühe machte, ein paar Adressen zu sammeln

  6. Daniel

    Gut geschrieben Sash, kann ich nur so unterschreiben.
    Jeder mit etwas Interesse (auch jenseits der 50) kann doch den Umgang mit dem Internet leicht lernen. Ist doch auch nicht schwerer als Auto fahren. Man muß halt nur wollen. Die, die nicht wollen, und sich nicht damit auskennen, sind dann halt auch die, die es verteufeln.

  7. Hallo Sash, jeder, der ein Linux-Betriebssystem benutzt, wie z.B ich und du das Ubuntu beweist doch mit dieser Wahl, dass er das Internet kritisch zu benutzen versteht und eigentlich gar nicht zu wissen braucht, was eine Firewall ist…

    Deinem Link bin ich mal gefolgt und musste lachen über die Blödheit dieses Typen von der CDU, der im Internet eine „Brutstätte des Terrors“ sieht…

    Dabei sind doch die Schützenvereine eine Brutstätte des Terrors. Viele Amokläufer haben es sich zunutze machen können, dass ihnen dort die Waffen zur Verfügung gestellt werden, um haufenweise Leute abzuknallen.
    Natürlich weiss ich, dass nicht jeder, der in einem Schützenverein ist, ein Amokläufer werden wird – aber warum muss es eigentlich ‚Schützenvereine geben? Und wenn Leute schon rumballern müssen, dann sollten ihnen hinterher nicht auch noch die Waffen zum Im-Haus.Aufbewahren mitgegeben werden.

    Es bleibt rätselhaft, warum ‚Schützenvereine nicht verboten werden, die scheinen ihre Lobby zu haben.

  8. @Daniel
    Gleich hole ich die Keule raus!!!
    Wir jenseits der 50 gehören zu denen, die das Internet aufgebaut haben.

    Tim Berners-Lee / Entwickler von HTML und Begründer des www. – geboren 1955
    Bill Gates – geboren 1955
    Steve Jobs – geboren 1955
    Ray Tomlinson / Erfinder der E-Mail und des @ in der E-Mail – geboren 1941

    Ihr jungen Leute verwechselt oft die vielfältigen Möglichkeiten des www. mit dem Social-Media-Quatsch von Facebook und SchülerVZ und IPhone-Apps.

  9. @Daniel:
    Danke!

    @Sica:
    Ja, die haben wohl eine gute Lobby, bzw. sie sind halt etabliert. Das Netz ist auch nur als solches böse, weil es für manche Menschen noch immer neu und unbekannt ist.
    Ich denke mir immer: Mit der Logik können wir auch die Schulen verbieten. Ich meine, was gibt es an Schulen nicht alles schlimmes: Mobbing und Gewalt auf dem Pausenhof, Drogenmissbrauch sowohl von Schülern als auch Lehrern, seltsame politische Einstellungen… was die Idioten à la Uhl noch nicht begriffen haben, ist dass es diesen Quatsch im Netz gibt, weil das Netz wie so ziemlich jedes soziale Umfeld nur über die Leute funktioniert. Und die Leute sind verschieden und es sind auch schlimme dabei. Ganz einfach. Was dabei „am Internet“ falsch sein soll, hat von denen noch keiner erklären können…

    @Petra:
    Mal bitte nicht wild durch die Gegend drohen hier!
    Es geht hier ja nicht um eine Altersgeschichte – und ich hab den Satz von Daniel so verstanden, dass das Alter kein Hinderungsgrund sein muss. Und wer fordert, dass man die Alten nicht so angehen sollte, wirkt reichlich unglaubwürdig, wenn der Konter dann pauschal auf die Jüngeren zielt.

  10. Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit in der Elternarbeit an diversen Schulen und Schulformen kann ich über jüngere (bis 25) und über ältere (ab 55) Internetnutzer bestens mitreden. Und es ist tatsächlich so, dass wir wie unser Hirn nur 10% des Angebots nutzen. Altersbedingt auf unterschiedlichen Ebenen, wobei bei mir (wie bei den meisten Älteren) die Information und die Suche danach im Vordergrund steht. Jüngere nutzen tatsächlich eher solche Dinger wie Browsergames und Plattformen wie Facebook, GuteFrage.net oder YouTube.
    Im vorletzten Schuljahr habe ich an der Realschule eine Englisch-AG mit Hilfe des www. veranstaltet. Hier habe ich den Schülern den richtigen Umgang mit dem leo.org / dicct beigebracht. Die finden nämlich auch nur Vokabeln, wenn man ihnen das Richtige vorgibt.
    Bei dem Post von Daniel wehre ich mich einfach gegen die Grenze „mit 50“. Wenn er den Satz ohne diese Klammer geschrieben hätte, wäre ich ganz damit einverstanden gewesen.

  11. @Petra:
    Aber die Klammer ist schon ein ziemlich eigen gewähltes Kriterium. Wie gesagt: Ich hab das nicht so aufgefasst und habe wirklich nicht im Sinn, irgendwen des Alters wegen einer Unfähigkeit oder sonst etwas zu bezichtigen.
    Natürlich nutzen die Generationen das Netz unterschiedlich. Wie das Leben selbst auch. Nicht ohne Grund sind Clubs für Leute über 40 eher selten zu finden. Dass eine ganze Reihe Jüngerer erst recht keinen Plan vom Netz hat, steht ausser Frage.
    Die Suchanfrage hab ich ja eher ironisch mit dem Statement Uhls verknüpft. Es geht und ging nie darum, dass alle über 50 (oder welches Alter auch immer) keinen Plan vom Netz haben, sondern dass die, die das Netz als Gefahr sehen, diejenigen sind, die noch nicht einmal eine Suchmaschine bedienen können und noch viel weniger als der Rest einen Plan davon haben, was das Internet an sich eigentlich alles ist und auch im positiven Sinne sein kann.

  12. Daniel

    Sorry wenn ich mich mißverständlich ausgedrückt habe – Sash hat mich da schon richtig verstanden .
    Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, das jeder KANN, aber die Zahl derer, die nicht wollen, mit steigendem Alter zunimmt. Da eine bestimmte Altersgrenze zu ziehen, war vielleicht nicht so schlau von mir.
    Schlimm ist halt nur, und ich glaub da sind wir uns alle einig, wenn jemand, egal welchen Alters, igendwelche Verbote, Einschränkungen oder Überwachungsmaßnahmen im Netz fordert, der sich nicht damit auskennt.
    Mal ehrlich, so nen Schwachsinn wie das Sperren von bestimmten Seiten (was ja mittlerweile vom Tisch ist), kann sich doch nur jemand ausgedacht haben, der nicht weiß wovon er eigentlich redet.

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