Wenn ich mir etwas weitestmöglich abgewöhnt habe, dann ist es folgendes: Eile!
Eile ist ein so nerviger Bestandteil des Lebens, dass ich mit gutem Gewissen sagen kann, ich verzichte vollständig darauf. Selbst wenn meine Fahrgäste bei der Arbeit zahlen und dazu hektisch in ihren Geldbeuteln umhernesteln, sage ich ihnen, dass wir mit Hektik um die Uhrzeit gar nicht erst anfangen wollen. Und mit Uhrzeit meine ich in etwa das derzeitige Jahrzehnt.
Ich nerve die Leute irgendwie immer, wenn ich sage, dass ich nicht mehr renne, wenn irgendwo eine S-Bahn rumsteht, die in meine Richtung fährt. Da fährt später noch eine und so hab ich wenigstens Zeit zum Lesen. Ist doch auch ganz nett. Natürlich können sich die meisten das schon der Arbeit wegen nicht erlauben, kurioserweise hab ich noch nicht festgestellt, warum ich daran schuld sein soll.
Abgesehen von der Arbeit zwingt einen ja normalerweise nicht viel zur Eile. Einen dieser seltenen Fälle hatte ich jedoch vorgestern.
Ich habe mit meiner Verlobten zusammen die Freuden eines ebenso einfachen wie erquickenden Gerichtes genießen wollen:
Spaghetti Bolognese.
Die Grundzutaten haben wir eigentlich immer im Haus, Fleisch haben wir extra gekauft und unseren Habanero-Streuer hatten wir soeben erst wiederentdeckt, sodass einem herzhaften Mahl nichts im Wege stand. Die Nudeln köchelten bereits in der zweiten Minute vor sich hin und Fleisch, Zwiebeln und Knoblauch erwarteten brutzelnderweise das Ablöschen mit zerkleinerten Tomaten.
Ich bin gar nicht der Meinung, dass Käse zwingend zu Spaghetti gehört, aber in einer freien Minute beim Betrachten des blubbernden Wohlgenusses ereilte uns beide ein wenig Trauer, dass wir keinen Käse im Haus haben. Im Wissen, dass ein bisschen Käse dieses leckere Essen und überhaupt den ganzen Abend – an dem wir zudem hart gearbeitet hatten – aufwerten würde, bot ich an, als eigentlich gemütlicherer Part noch schnell Käse zu holen. Es war 22.45 Uhr, lange vor Ladenschluss, und die verbleibende Kochzeit der Nudeln ließ mir Zeit, ohne Sprint eine Packung geriebenen Unsinns zu ergattern.
Denkste!
Die äußerst genau gehende Uhr in meinem Magen sagte mir, dass ich noch rund 4 Minuten habe, vielleicht 6, wenn Ozie auch schon das Anrichten übernehmen würde, als ich mich an der Kasse meines Supermarktes in die Schlange – jawohl: Schlange! – einreihte.
Ich überblickte die Situation, herumhibbelnd mit einer Packung streifenförmigen Goudas in der Hand, und stellte fest, dass sich vor mir genau 4 junge Männer irgendwo zwischen 16 und 22, bzw. zwischen Sonderschule und Drogenkarriere befanden. Jeder hatte neben sich auf dem Kassenband exakt eine Flasche Bier stehen. Sie kannten sich gut, redeten miteinander, scherzten und beleidigten ihre Mütter. Oder Mutter, man weiss ja nie.
Der erste war nun an der Reihe, die Kassiererin zog das Bier über den Scanner und schüttelte es dabei unnötig durch (oder muss man Sternburg vor Gebrauch schütteln?). Darufhin verlangte sie von dem Typen einen Ausweis, was alle Kumpels und ihn zum Lachen animierte. Wahrscheinlich dachte er, die blonde Schönheit interessiere sich für seinen Namen. Er kramte umständlich seinen Ausweis aus einem Geldbeutel, den er umgehend wieder einsteckte, um ihn erneut suchen zu können, als sie ihn, anstatt ihm ihre Telefonnummer zu geben, mit einem zu bezahlenden Preis konfrontierte.
Das Kleingeld reichte nicht, also musste ein Schein her. Ein Zwanziger. Na gut. Während die Kassiererin also nach grob 19,50 € in der Kasse umhersucht, werden noch ein paar Beleidigungen ausgetauscht und als das nächste Bier über dem Scanner geschüttelt wird, fällt dem ersten Typen ein, dass er sein Portemonnaie nicht hätte einstecken sollen, bevor er das Wechselgeld eingesteckt hat. Kurzer Stau, den die Kassiererin mit der Frage nach dem Ausweis des zweiten Typen zu verkürzen versucht. Ausweis? Den muss er natürlich erstmal suchen und reichte ihn ihr mit einem Grinsen, weil er wahrscheinlich dachte, die blonde Schönheit… wie? Das kommt euch bekannt vor?
Ihr werdet lachen: Das ist insgesamt viermal passiert. In den vier Minuten, die meine Spaghetti aber allerhöchstens noch brauchen würden. Während der zweite mit seinem Rückgeld zu erraten versuchte, wo sein Geldbeutel ist, habe ich bereits das Geld für den Käse abgezählt. Zur Sicherheit hab ich nochmal geschaut, wo mein Ausweis ist. Man weiss ja nie.
Gut, wirklich in Eile gekommen bin ich auch durch die vier Jungs nicht. Aber auf dem Weg zu meiner Wohnung hab ich mir die Frage gestellt, wo bitte der gute Brauch geblieben ist, für den Alk-Einkauf zusammenzulegen und das untereinander freundschaftlich zu klären. Oder mit einer Schlägerei. Wie auch immer, nur ein bisschen schneller halt…