Verfallsdatum

In genau einem Monat werde ich 30 Jahre alt sein.

Manchmal frage ich mich ja schon, was das eigentlich bedeuten soll.  Gut, ich bin allgemein ein sentimentaler Zeitgenosse mit einem Hang zu Zahlenspielchen, aber so sehr ich es versuche: Ich kann nichts schlimmes daran finden, 30 zu werden. Dass man nur so alt ist, wie man sich fühlt, ist natürlich DER Spruch schlechthin zum Thema, aber ich bin ehrlich gesagt wirklich noch nicht am Eruieren, wo es überall Ü30-Parties gibt, bloß damit ich mich gesellschaftlich nicht abgehängt fühle.

Soll ich ehrlich sein? Ich merke das Alter selbst in meinen doch noch recht jungen Jahren. Dank offenbar ziemlich ungünstiger genetischer Vorbedingungen wird ein Haar nach dem anderen grau, die Kondition leidet nach nunmehr 12 Jahren Rauchen auch und ich bin sicher noch eine Spur gemütlicher geworden, als vor 10 Jahren. Und meine Freunde fanden mich damals schon ungewöhnlich lethargisch. Ich mache mir erstmals in meinem Leben mal Gedanken über meine Gesundheit, schließlich bleibt auch mir nicht verborgen, dass ich schon aus Altersgründen nie zum Club27 gehören werde – und nicht nur, weil ich nie ein Instrument gelernt habe. Ich habe in den letzten Monaten erstmals in meinem Leben bewusst und erfolgreich ein Bisschen abgenommen, ebenso werde ich mit dem Alkoholkonsum etwas vorsichtiger sein und das alles tue ich beileibe nicht nur (aber auch) um mir wenigstens das Elend Sport vom Leib zu halten.

Aber ansonsten gefällt mir der Gedanke ans Älterwerden auch ein wenig.

Ich habe es geschafft, mir bis 30 nicht meine vernünftige Weltsicht zu zerstören und kann darauf hoffen, selbst als Erwachsener noch halbwegs cool zu sein. Ich freue mich drauf, bei der Arbeit nicht mehr als Student gesehen zu werden, sondern auch von älteren Leuten als gleichberechtigter Gesprächspartner anerkannt zu sein. Außerdem warte ich seit nunmehr 20 Jahren darauf, dass mein Bauch nicht nur als natürliches Verhütungsmittel, sondern auch mal als niedliches Attribut meiner Person gesehen werden kann.

Sicher werde ich mich irgendwann in 5 bis 25 Jahren danach sehnen, nochmal jung zu sein. Da kommt wahrscheinlich niemand dran vorbei, der sich nicht rechtzeitig aus dem Genpool entfernt. Aber diese Panik vor dem 30. Geburtstag? Ich verstehe es echt nicht. Ist ja nicht so, dass man urplötzlich und isoliert von allen anderen mit einem Sprung um 10 Jahre älter und plötzlich zahn-, haar- und hirnlos wird. Der komplette Freundeskreis spielt bei diesem Spiel namens Leben ja mit.

Ich habe mich tatsächlich schon gefragt, wie „die Erwachsenen“ eigentlich damit umgehen können, dass sie den Zenit überschritten, die Hälfte ihres Lebens bereits hinter sich und all die wirklich coolen Dinge bereits mehr oder minder vergessen haben. Vor 15 Jahren schon. Die Antwort: Nun, die kommt mit der Zeit. Man wird nicht nur körperlich reifer, sondern auch geistig. Auch jenseits der „tollen“ Altersgrenzen von 16, 18 und 21 Jahren ergeben sich Neuerungen im Leben.

Ich bin froh, dass ich meine begrenzte Zeit auf diesem Planeten nicht damit verschwende, mich selbst als Mittelpunkt der Welt zu sehen und deshalb statt lustige oder bedenkenswerte Texte zu schreiben die erste Stunde des Tages mit Kosmetik verbringe. Wirklich schwierig wird es für mich wohl erst, wenn der Geist nachlässt.

Aber hey, ich werde bald 30, nicht 90. Mit den Gedanken daran kann ich mir also noch eine Weile Zeit lassen 🙂

16 Comments

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16 Responses to Verfallsdatum

  1. Aber man kann so schön mit der Erwartungshaltung vieler Mitmenschen, dass man jetzt 30 wird, kokettieren. Habe zumindest ich so gemacht und war mir ein riesen Spaß.

  2. Jens

    Was die soziale Entfremdung angeht: Da sind andere Faktoren (z.B. Umzug, Kinder kriegen) viel ausschlaggebender als so’n Geburtstag. Ich kenn’s ja von einer guten Bekannten von mir: Spätestens seit dem zweiten Kind ist die so im Stress, dass man kaum noch eine Chance hat, sie mal am Telefon zu erwischen – vom Verabredungen ganz zu schweigen.

  3. Andreas

    bis auf die Tatsache, dass es mir sehr wohl etwas ausgemacht hat 30 zu werden (habe meinen 29. groß gefeiert….das letzte jahr mit der 2 vorne) kann ich alles unterschreiben. Schöner Text. Jetzt bin ich bald 36! Ich kenne das graue Haar, die schwindende Kondition, den (wenn auch erfolglosen) Vorsatz weniger Alkohol zu trinken bzw. ein wenig körperlichen Ballast loszuwerden etc…….aber dafür klafft zwischen uns und den „Jungen“ nicht mehr die riesige Lücke wie früher, solange 16 Jährige (mein Sohn) noch die selbe Mucke gut finden, wie wir „Älteren“ ist die Welt noch in Ordnung. Rock on \m/

  4. @Der Maskierte:
    Hmm, naja, darum habe ich mich jetzt wohl gebracht 😀

    @Jens:
    Oder Nachtarbeit 😀
    Nee, du hast ja Recht. Im Grunde ist es ja auch das, was ich sagen will: Warum soll ich vor der blöden 30 Panik haben? Ich hab neulich im Taxi auf die Frage nach meinem Alter „30“ geantwortet und dann ein „äh, also fast“ nachgeschoben.

  5. @Andreas:
    Na die dicke Sause zum 29. hab ich verpennt 🙂
    Ansonsten finde ich die Musik ein sehr schönes Beispiel… Rock on \m/

  6. 30 – pffft. Lächerlich. Absolut lächerlich. Werd erstmal 50!

    Und der Part mit der ersten Stunde Kosmetik interessiert mich. Was machst du in der Stunde?

  7. Aro

    Das Schlimmste ist eigentlich, dass man mit 30 ja noch nicht auf die Ü30-Partys darf (bist ja dann noch nicht ÜBER 30). Und auf die U30-Partys auch nicht mehr.
    Ach, es ist ein Elend. Ich fühle mich sooo alt.

  8. Marco

    Ich glaube, neben der persönlichen Einstellung zum Älterwerden etc. hängt das auch ein bisschen an der Lebens- und insbesondere auch Beziehungssituation, in der man sich befindet. Ich weiß nicht, ob das jetzt verständlich ist, aber der Unterschied, den ich meine ist z.B.: Du hast einen Job, mit dem du zwar keine Reichtümer verdienst, aber über die Runden kommst und der dir Spaß macht, bist seit Jahren in einer glücklichen Beziehung und heiratest demnächst, alles mit 30 voll OK. Ich war an meinem 30. Geburtstag Single. Ich war zwar nie krampfhaft auf der Suche, und Torschlusspanik hat sich auch noch nicht gerade eingestellt, aber man macht sich schon so seine Gedanken. Klar, die kann man sich immer machen, aber so ein runder Geburtstag ist doch irgendwo nochmal ein Meilenstein. Ich hatte auch nicht direkt ein Problem mit der 30, aber wie gesagt, so den ein oder anderen Gedanken in dieser Richtung macht man sich. Wenn ich dann noch mit dem Studium 2,5 Jahre später fertig geworden wäre, also mit 30 noch keinen „richtigen“ Job gehabt hätte, wär das wahrscheinlich alles etwas heftiger ausgefallen.

    Und dass ich älter werde, in dem Sinne dass Durchfeiern, viel Alkohol, wenig Schlaf nicht mehr so gut über Tage hinweg funktioniert wie mit 16 oder 18, hab ich auch mit Anfang 20 schon gemerkt 😉

  9. @Marco

    Viel Alkohol funktioniert schon, man muss den Alk halt bedachter auswählen und kann nicht mehr den billigen Fusel wie früher nehmen. 😉

  10. gala

    args und ich schieb scho panik wegen der im nov. kommenden 25 werde von den geschwistern des ng’s alt genannt, ich will auch 30 werden :heul

  11. @gala

    Die 5 Jahre von 25 bis zur 30 gingen gefühlt schneller rum als die 5 von 20 bis 25.

    Und wie sagte ein guter Bekannter so schön: „Ab 30 ist es so, da freust du dich aufs Wochenende und schwupps, bist schon wieder ein Jahr älter.“ 😀

  12. @ednong:
    Und du wirst von den 70-Jährigen angegangen, dass du nicht weisst, was alt ist, stimmt’s? 😉

    @Aro:
    Das wird schon wieder…

    @Marco:
    Da hast du natürlich nicht unrecht. Aber es bestätigt ja letztlich, dass es nicht an dieser Zahl liegt.

    @Der Maskierte:
    Den Preis für lebensnahe Praxistipps muss ich heute wohl wieder dir zusprechen 😀

    @gala:
    Ich werde alt genannt, seit ich diese 5 Jahre jüngere Frau an meiner Seite habe 😉

  13. Seit dem 27. Geburtstag bekomme ich jeden Morgen einen Schock, wenn mich diese alte Frau aus dem Spiegel anguckt. Das verliert sich aber im Laufe des Tages.
    Zum 30. ging es mir ähnlich wie Marco – Kerl weg, Job weg, und viel Freunde mit denen ich feiern wollte im Urlaub (Da Geburtstag auf Ostersonntag). Kurz darauf hatte ich mein Leben mal wieder umgekrempelt und die Silberhochzeit rückt so langsam näher.

  14. Marco

    @Der Maskierte:
    Ich meinte auch nicht, dass viel Alkohol nicht mehr geht, oder einer der anderen Punkte, aber die Kombination „Durchfeiern, viel Alkohol, wenig Schlaf“ funktioniert nicht mehr so gut mehrere Tage lang wie das früher ging. 😀

  15. Oni

    Ich werde in zwei Monaten 30. Eine Freundin habe ich zum Glück, aber keinen „richtigen“ Job. So ein Zeitvertrag an der Uni hat einen Nachteil, auch wenn das Geld für mich dicke reicht, ich meine Zeit frei einteilen kann und es meist sogar Spaß macht: In einem Jahr läuft er aus und ich muss mir was „richtiges“ suchen. Das hat aber nichts mit dem Alter zu tun und finde ich auch nicht so schlimm.

    Tragisch finde ich dagegen, dass Ü30-Partys demnächst mit 90er-Jahre-Musik verseucht sein werden. Da werde ich endlich alt genug, um auf die Partys zu gehen, wo ältere Musik gespielt wird, da stellen die um auf die Musik aus „meiner Zeit“. Als Jugendlicher habe ich Popmusik passiv-aggressiv gehasst. OK, eigentlich jetzt auch noch ;). Rock on \m/.

  16. @Marco

    Das ist allerdings wahr! Wobei ich feststellen, dass ich „im Alter“ zumindest einen Abend härter feiern kann als die Jugend.

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