Der Volksentscheid in Baden-Württemberg zum Ausstieg aus Stuttgart 21 ist gestern gelaufen und hat bei miserabler Wahlbeteiligung einen Erfolg für die Befürworter gebracht. Ich schätze, dass damit „dr Fisch butzt isch“ und der neue Bahnhof so gebaut wird wie geplant. Es ist kein Geheimnis, dass ich kein Befürworter des Projektes bin, deswegen an dieser Stelle noch ein paar böse Worte zum Abschluss hinterher. Ich gehöre nun zu den Leuten, die prinzipiell damit leben können. Ohne eine Prise Zynismus schaffe ich es nicht, aber die Leute im Ländle sind alle volljährig – sie sollten wissen, was sie tun.
Als Person mit Randgruppenmeinungen bin ich es eigentlich ja gewohnt, dass Entscheidungen anders getroffen werden, als es mir persönlich in den Kram passt. Es ist natürlich ein wenig schade, wenn das auch an Punkten passiert, an denen man die eigene Meinung mal für hof- und mehrheitsfähig hält.
Ja, ich halte es nach wie vor für die falsche Entscheidung. Und auch wenn es nur nach dummdreister und beleidigter Arroganz eines Verlierers klingt: Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich noch einige Male Gelegenheit haben werde in den nächsten 2 Jahrzehnten, den Befürwortern von heute zu sagen „Ich hab es ja gesagt…“
Ich möchte aber auch gleich anmerken: Natürlich wäre ich froh, wenn es nicht so ist. Ich mag manchmal ein zu großes Ego haben, aber ich schaffe es auch nicht, meiner Heimat die Pest an den Arsch zu wünschen, bloß um Recht gehabt zu haben.
Mir persönlich ist der emotionalisierte Kampf um S21 ohnehin bescheuert vorgekommen. Mir geht es doch nicht darum, „dagegen zu sein“ oder auf irgendeiner Welle mitzuschwimmen. Ich bin noch nicht einmal gegen einen einschneidenden Umbau des Bahnhofes. So wie ich der Meinung bin, dass der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden sollte, so sehe ich auch ein, dass man in Stuttgart massiv was daran machen sollte. Dass man dafür allerdings die komplette Stadt untertunneln muss, den Kopfbahnhof in einen Durchgangsbahnhof umbauen, nebenbei die Anzahl der Gleise halbieren und für 5 Milliarden Euro unter die Erde verlegen muss – das glaube ich wirklich nicht.
Aber gut, Baden-Württemberg scheint mehrheitlich genau das zu wollen. Bitte sehr.
Meine Prognose ist, dass die Bauzeit sich um gut 2 bis 5 Jahre verlängert, der Preis letztlich nicht bei 4,5 Milliarden, sondern eher bei deutlich über 6 Milliarden liegen wird und die Verkehrs-, Lärm- und sonstigen Belastungen die Vorstellungen der meisten Leute übersteigen. Ich wette, es wird noch erheblichen Streit über die Finanzierung geben und es werden Einsparungen an anderen Stellen gemacht, bloß um die Baustelle in der Innenstadt möglichst schnell fertig zu bekommen. Und nachdem, was bisher so alles rauskam, vermute ich sogar, dass es noch ein oder zwei handfeste Bestechungsskandale oder ähnliches geben wird, bei denen ein Aufschrei durchs Ländle geht. Und ja, immer dann werde ich da sein und ganz arrogant behaupten, es sei nur verdient und dass ich das schon immer gesagt habe.
Wer weiss, vielleicht hat meine Heimatstadt so um meinen 50. Geburtstag herum einen schicken Bahnhof. Vielleicht ergibt sich das prognostizierte Chaos durch die Engstellen im Schienennetz auch nicht, weil die Bahn irgendwann mal pünktlich wird. Falls das aber alles ein riesiger Reinfall wird, dann werde ich mir meine Schadenfreude auch gönnen. Aber die gibt es dann immerhin umsonst, versprochen!
Selbstverständlich wird das alles wesentlich teurer, das ist doch normal. Der Berliner Hauptbahnhof sollte 400 Mio. kosten, zum Schluss hat die Bahn zugegeben, dass es 1,2 Mrd. wurden. Naja, gerade dreimal so viel.
Das macht dann beim Stuttgarter Bahnhof…
@Aro:
Das Lustige ist, dass viele das als Argument nehmen. Ehrlich! Da wird dann gesagt: „Ist doch normal, dass das mehr kostet…“
Das Geld soll mir persönlich mal scheißegal sein, aber anscheinend finden es erstaunlich viele Leute inzwischen normal, sich belügen zu lassen…
Normal ist das ja auch, vom eigentlichen Wortsinn. Es fragt sich nur, wohin das führt. Entweder die Leute werden Anarchisten, was ich durchaus für verschmerzbar halten würde 🙂
Oder sie wandern irgendwann zu irgendwelchen rechtsextremen Populisten ab, die mit ihrer Ablehnung der etablierten Politik punkten können.
Vielleicht sehe ich das ja zu schwarz, aber ein Blick in einige andere europäische Länder macht mir da nicht unbedingt Hoffnung.
@Aro:
Ganz ehrlich: Ich hab die Befürchtung, die meisten ignorieren das und nehmen es als gegeben hin.
(War jetzt allgemein gemeint, nicht auf S21 bezogen)
Das Schlimme daran: Es wird sich keine Besserung ergeben.
Und deshalb geh ich jetzt unter die Dusche.
Gute Nacht!
(NEIN, ich schlafe dort nicht, ich habe ein seperates Bett.)
@Aro:
Schade, es gibt viel zu wenige Duschbetten…
Soweit ich das verstanden habe mit dem Volksentscheid, war nicht das Problem, dass zu viele Leute es wollten, sondern viel mehr außerhalb von Stuttgart hat es einfach nicht gejuckt. Es mussten soweit ich das weiß mehr als 2,5 Millionen Wahlberechtigte gegen den Bau stimmen, damit der eingestellt wird.
Anders als bei einer normalen Wahl ging es dabei nicht darum, dass es relativ zu den Wahlbeteiligten eine Mehrheit erzielt werden muss, sondern absolut zu den Berechtigten. Viele Beobachter die ich in den Tagen zuvor gehört habe, haben gesagt, dass es wahrscheinlich daran scheitern wird.
Ob das Projekt jetzt gut oder schlecht ist, kann ich aus der Entfernung und den mir vorliegenden Informationen nicht beurteilen, was mich an der ganzen Sache etwas gestört hat, war einfach, dass die Leute relativ spät auf die Straße gingen. S21 wurde ja nicht erst 2 Tage vor den ersten Protesten ins Leben gerufen und unbekannt kann ein solch großes Projekt auch nicht gewesen.
Auch wenn ich sagen muss, dass mir die Darstellung der Architektenvision, die ich mir im S21-Infopavillon am Stuttgarter Flughafen angesehen hatte, sehr gefällt, so bin ich als stets mit-Fahrrad-und-Gepäck-Bahnreisender ein Fan von Kopfbahnhöfen – es ist so schön, ohne Treppen oder Lifte Gleise wechseln zu können…
Was die Kosten und die Bestechungsskandale angeht, so vertraue ich Deiner Einschätzung mehr als dem offiziellen Glauben.
Ich habe mich bei der Abstimmung auch nicht ganz leicht getan – scheine aber ins Gesamtbild zu passen, denn auch ich hatte mich mit einigem Zögern knapp gegen den Ausstieg entschieden.
Sash, ich schließ mich dir komplett an. Auch an Schadenfreude werde ich es in ein paar Jahren nicht mangeln lassen. Und ja, ich bin mir sicher, dass wir da genügend Gründe für haben werden. Leider.
Viele Grüße, Kat
Moin Sash,
ich glaube die Quoten für die Gegenseite zu Deinem Wettangebot sind exorbitant hoch und somit sehr lukrativ.
Wie das aber mit Wettquoten so ist, ist die Eintrittswahrscheinlichkeit aber auch sehr, sehr gering.
Ich nehme daher die „Sicherheit“ und setze einen hohen Betrag auf die „Kostenerhöhung“… 🙂
Oh Sash, ich liebe es nach solchen Abenden bei dir zu lesen, denn du schaffst es einen echt wieder aufzubauen, der gerade voll angepisst ist. Jedoch ich will ja fair sein und sage klar, die Leute wollten es haben und dann sollen sie es auch kriegen, und zwar mit allen dazugehörigen Dingen, die du ja beschrieben hast. Und weil ich ja ein friedlicher Mensch bin, und mich an den Aktionskonsens dieser „Bewegung“ halte, werde ich dem grinsenden Pro’ler mir gegenüber jetzt nicht einen Zahnarzt besuch verschaffen.
ich denke einfach nur, das auf uns Stuttgarter hier einiges zukommen wird. Wir müssen uns wohl noch mehr als jetzt auf unpünktlichkeit der Bahn rumschlagen und auch die Zeit des gemütlichen Einsteigen unterm Stern ist vorbei. Das was mich aber richtig sauer macht, ist wenn ich in 15+X Jahren mal mit der Bahn nachhause fahre ich meine Stadt nicht sehen werde, sondern nur schwarz. Ist wohl dann wieder politisch korrekt, jedoch fühle ich immer ein Heimat gefühl, wenn ich aus dem Zugfenster den Stern sehe.
desweiteren denke ich, wird in den kommenden Jahren der Verkehr auf den Straßen hier massiv zunehmen, denn wer 3mal oder öfter zu spät zur Arbeit kommt, weil die Bahn nicht fährt, wird wieder auf das Auto umsteigen und das kann doch echt kein Erfolg sein. Klar, wir bekommen dort hinten bestimmt ein paar Parkhäuser, aber eben erst in mehr als einem Jahrzehnt und dazu wohl noch zu diversen Preisen. Also heißt es für uns Stuttgarter: Mehr Stau,mehr gestank, mehr Parkplatz suche. Ach wird das ein Spaß……
Tja,
die Entscheidung ist für mich auch unverständlich. Aber vielleicht lag es auch an der komischen Fragestellung, die ja ein „Ja“ erforderte, wenn man den Bahnhof nicht haben wollte.
Das er teurer wird, ist ja schon jetzt zu sehen. Da wurde bisher gemauschelt – da wird auch weiter gemauschelt. Skandale und Bestechung wird es da sicher en masse geben.
Aber all das scheint den Bürger nicht (mehr) zu interessieren. Oder er hat einfach aufgegeben – denn bisher konnte er nix gegen die Praktiken machen, also wozu dann noch weiter Energie verschwenden.
Und zahlen wird es eh wieder der Bürger – über Steuern, über (üb)erhöhte Fahrkosten, wie auch immer. Und Pünktlichkeit bei der Bahn als Normalfall? Ich bitte dich, in welchem Jahrtausend lebst du? Das wird die Bahn niemals schaffen, auch wenn sie ncoh so sehr die Statistiken manipuliert und immerhin alle Züge mit maximal 5 Minuten als pünktlich gelten. Irgendwann sind es derer 7, dann 10 Minuten. Vielleicht soltle ich ja mal ein Buch über meine Bahnreise-Erlebnisse schreiben. Aber dann wird es nur heißen, dass das Ausnahmen seien …
Ich habe mich selber auch schon ausgetobt in ungefähr die gleiche Richtung wie Sash. Am Besten zur allgemeinen Gemühtslage passt der Kommentar meiner Oma
„I han noi gasagt, weil i will, dass endlich a Ruh isch!“
Also eine Randgruppenmeinung haben Sie zumindest hier nicht, denn viele sind Ihrer Meinung, ich auch – seit langem. Auch wenn ich den Stuttgarter Hbf. nur flüchtig kenne (ich war einmal dort), halte ich den geplanten Umbau für die falsche Entscheidung. Das galt auch schon vor knapp zwanzig Jahren, als damals lediglich der Plan dafür bekannt war.
Was aber viele Leute besonders abstößt (und auch da mache ich keine Ausnahme), ist die ganze Trickserei und Täuscherei, die da ablief. Insofern kann ich nur Walter Sittler zustimmen, der im Radio dazu mal Stellung nahm, in einer Art und Weise, die sehr deutlich war, aber gerade noch höflich blieb. Der Mann hat dafür meine Hochachtung. Ich bin mein ganzes Leben lang ein Fan der Eisenbahn gewesen; aber die Figuren, die den Laden DB vor Jahren übernommen haben, kann ich wirklich nur zutiefst verachten und verabscheuen.
Diesen Artikel kann ich Wort für Wort unterschreiben!
Als Bahn-Fan habe ich mich eine Zeitlang etwas intensiver mit der Thematik beschäftigt und kann absolut nicht nachvollziehen, was an dem Ding so toll sein soll. Sicher benötigt der Hbf eine gründliche Sanierung, aber das kommt m.E. immer noch günstiger, als in einem Anflug von Größenwahn das ganze Ding zu verbuddeln.
Aus dem im Grunde genialen Stuttgarter Hbf wird dann demnächst wohl der neue Herzinfarkt Europas. Aber die Fraktion derjeniger, die für teuer Geld die Grundstücke des Kopfbahnhofs verscherbelt, fährt ohnehin SUV & Co, also ist das auch egal…
PS: Sehr interessant fand ich, wie nach dem Schlichterspruch von Herrn Geißler die öffentliche Stimmung gekippt ist. War vorher in fast allen Umfragen eine Mehrheit gegen S21, hat danach die Pro-Fraktion die Oberhand gewonnen und schließlich auch behalten.
Wir hatten ja auf Facebook schon eine kleine Diskussion, deshalb gehe ich jetzt nur auf 2 Punkte ein:
Die Wahlbeteiligung würde ich mit 48,3% nicht als miserabel bezeichnen. Sie lag 18% unter der Wahlbeteiligung von den Landtagswahlen 2011 (66,8%), und dort war die Beteiligung ja im Vergleich zu 2006 (53,38%) schon gestiegen, aufgrund Fukushima und S21. Angesichts der Tatsache dass es ein Thema war, dass speziell die Landeshauptstadt betrifft, finde ich die Beteiligung hoch. In Stuttgart selbst war die Beteiligung ja sogar noch höher als bei der Landtagswahl.
Dann, wenn man sich die Einzelergebnisse anschaut, stellt man fest: Je höher die Wahlbeteiligung pro Wahlkreis, desto größer die Zustimmung für S21 (ausgenommen sind davon nur die Stadtbezirke Stuttgart Mitte, Ost, Süd und West). Beispiele: Heidelberg, Freiburg, Karlsruhe. Dort hat die Mehrheit für den Ausstieg gestimmt, dafür war die Beteiligung weit unter Landesschnitt.
Diese Zahlen sprechen eher dagegen, dass das Ergebnis bei einer noch höheren Beteiligung anders ausgegangen wäre.
Punkt 2: Deine Prognose ist durchaus realistisch, und im Vergleich zudem was manche Gegner prophezeien ist sie geradezu bescheiden. Nun gibt es aber kein Großprojekt, bei dem der Kostenrahmen bisher eingehalten wurde (falls du eins kennst, ich bin für Beispiele dankbar).
Ist eigentlich auch logisch, weil kein Mensch kann beispielsweise die Inflation in 5 Jahren, die Stahlpreise in 5 Jahren, etc. vorhersagen. Oder könntest du für dich einen Haushaltsplan bis 2019 aufstellen, und Vorhersagen was du dann an Miete und Lebensunterhalt brauchst?
Und was ist jetzt das Fazit davon, dürfen, weil eben keine genaue Vorhersage möglich ist, keine Großprojekte mehr geplant und realisiert werden?
Übrigens, selbst die Landesregierung stellt ihren Haushaltsplan nur für ein Jahr im vorraus auf, und verfehlt den schon meistens knapp. Kretschmann & Co verlangen von der Bahn also Sachen, die sie selbst nicht leisten können.
@Daniel
Nun ja, mit Großprojekten ist das so ein Ding. Natürlich kann niemand die Preise für das JAhr x vorhersagen. Allerdings gibt es in diesem Bereich auch Firmen mit genügend Erfahrungen, die genau arbeiten. Des weiteren bin ich mir sicher, dass die Firmen bei Angebotsvorlage auf viele Reserven verzichten, nur um den Auftrag bekommen. Und dann maßlos draufschlagen.
Und dieses Verhalten ist meiner Meinung nach schlichtweg Mist. Außerdem könnte man gesetzlich vorgeben, dass der Kostenrahmen für Aufträge solcher Größenordnung um maximal x % überschritten werden darf.
So ein Gesetz wäre absoluter Quatsch, und potentieller Ruin für die Firmen. Schau dir allein mal als Beispiel die Stahlpreisentwicklung die letzten Jahre an, der Preis hat sich verfielfacht, und das konnte keiner vorhersehen. Soll eine Firma Pleite gehen, weil sie zu Preis X nicht mehr liefern kann, nur aufgrund eines Gesetzes?
Ich arbeite im Großhandel, und die Angebote die wir kriegen bzw. Preise die wir verhandeln sind alle von seitens unserer Lieferanten preislich befristet. Da gibt uns keiner ne Preisgarantie für länger als ein Jahr.
Und da hilft auch kein Erfahrungswert. Wenn du oder jemand anders aus Preisentwicklungen vorhersagen könnte, wäre er an der Börse Millionär.
Natürlich geb ich dir recht, dass da auch teilweise unsauber gearbeitet wird. Preisentwicklungen wie z.B. bei der Elbphilharmonie (von 77 Millionen auf fast 500) kann man nicht mehr durch Preisschwankungen erklären.
@ Daniel:
Naja, aber wenn ich eine Preisgarantie für ein Jahr habe, dann kann ich doch mein Angebot für genau dieses Jahr (oder etwas weniger) befristen. Und wenn innerhalb der Zeit der Bau nicht angefangen wird bzw. ich den Zuschlag nicht bekomme, dann muß eben neu verhandelt werden. Ist doch kein Problem, schließlich ist jedes Angebot, dass auch ich als Endkunde einhole, zeitlich befristet. Von daher sehe ich da kein Problem mit dem Gesetz.
Habe ich den Zuschlag, kann ich ja schließlich die Menge einkaufen zu dem angebotenen Preis.
Und klar, nicht jeder Preis ist für die gleiche Zeitspanne zu garantieren. Aber du sagst es ja selbst – manch eine Preisdifferenz zwischen Angebot und Endabrechnung ist selbst mit solchen Preissteigerungen nicht mehr erklärbar. Udn genau das finde ich absolut unsauber. Da wird einfach viel zu viel gemauschelt.
@Daniel:
Es mag sein, dass es die Leute auf dem Land nicht weiter interessiert hat, aber ich finde auch die Wahlbeteiligungen bei den Landtagswahlen absolut miserabel. Und unter 50% ist bei einem so lange so emotional geführten Diskurs echt nicht viel.
Im Übrigen schreibe ich das nicht, weil ich mir von einer höheren Beteiligung mehr Ja-Stimmen erhofft hätte. Mir ist schon klar, dass bei 50% Beteiligung rein statistisch auch hochgerechnet werden kann.
Zu Punkt 2:
Und das findest du normal oder gut? Ich weiss, dass das bei keinem Großprojekt bisher gemacht wurde und es ist beschämend, widerlich, traurig, abartig, pervers und krank! Zumindest in einem Land, in dem man wegen 12,50 € nicht gezahlter Steuern theoretisch vor Gericht landen kann. Warum hat sich keiner von den Verantwortlichen hingestellt und gesagt: „Leute, das Ding kann durchaus auch 10 Milliarden kosten!“?
Ganz einfach: Weil höhere Zahlen immer die Gefahr bergen, dass am Ende gesagt wird: „Ui, dann lohnt es sich ja doch nicht…“
Und das passiert ausgerechnet bei den teuersten Projekten überhaupt? Was ist das denn für eine Logik? Ich verstehe ja, dass man die Inflation nicht pauschal schätzen kann. Aber dann muss man halt maximal rechnen – denn letztlich muss die Kohle doch irgendwo herkommen. Aber ich gebe dir in einem Punkt Recht: Das ist keine S21-spezifische Sache.
Ich habe sowieso nicht verstanden (und verstehe es immer noch nicht), warum ganz BW über Stuttgart entscheidet. Was interessiert es den Konstanzer oder Freiburger, was „die“ in Stuttgart machen?
Hätten die Stuttgarter über ihre Stadt entschieden, wäre es vielleicht auch nicht anders ausgegangen, aber es hätten nur die abgestimmt, die davon betroffen sein werden.
Was aber unbedingt noch zu verhindern ist: Lasst Euch kein gesichtloses Einkaufszentrum vom ECE andrehen. Weder Stuttgart noch die restliche Welt brauchen noch einen Schuppen mit H&M, C&A, P&C und Media Markt/ Saturn.
Thema Wahlbeteiligung: Ist sicher eine subjektive Einschätzung. Aber ich denk schon, dass man Landtagswahlen als Referenz nehmen kann, und gemessen daran war die Beteiligung auch. Auch war die Beteiligung deutlich höher als bei Bürgerentscheiden in anderen Bundesländern. Die Einschätzung mit hoher Beteiligung war eigentlich auch die Meinung die ich so in den Presseberichten wiedergefunden, selbst Kretschmann (dessen Ansichten ich sonst eher weniger teile) war mit der Beteiligung sehr zufrieden.
Klar wärs optimal, wenn jeder wählen gehen würde (solangs nicht grad die NPD ist). Aber es gibt nunmal nen bestimmten Anteil in der Bevölkerung den man nie erreichen wird. Aber wie gesagt, ist eine sehr subjektive Einschätzung.
Zum anderen Punkt: Ob ich es gut finde? Natürlich würd ich es auch begrüßen wenn man definitiv sagen kann „Stuttgart 21 kostet definitiv 5,73 Milliarden“. Aber das kann nunmal keiner. Auch die Gegner können das nicht. Die Zahlen die durch die Gegend geworfen wurden, sind doch allesamt Spekulation.
Die Inflationsrate ist ja nur ein Faktor. Da gibts noch 1000 andere. Wie gesagt, versuch du mal, sagen wir einen Griechenland Urlaub für 2 Personen für 2018 zu kalkulieren.
Du kennst weder die Inflation in Deutschland, noch in Griechenland. Du weißt nicht wie sich die wirtschaftliche Lage dort entwickelt, vielleicht sind bis dahin alle Hotels pleite gegangen, und die paar wenigen die es noch gibt nehmen astronomische Preise. Du weißt nicht, wie hoch die generelle Nachfrage nach Griechenland Urlauben in dem Zeitraum sein wird. Und du weißt nicht, wie sich die Flugpreise entwickeln. Und die Aufzählung könnte man endlos fortführen.
Was du machen kannst: Du kannst die Entwicklung der letzten 10 Jahre recherchieren, diese auf den entsprechenenden Zeitraum hochrechnen, und noch nen Risikopuffer von 10% drauf rechnen. Das würde wohl jeder als vernünftig und logisch ansehen. Trotzdem kannst du es eben nicht garantieren, dass es nicht doppelt so teuer wird. Und du wirst auch keinen Reiseveranstalter finden, der dir einen Preis zusichern wird.
Und um noch nen Schritt weiterzugehen: Nehmen wir mal an, du planst die Reise mit jemand zusammen, und der sagt: „Ich übernehme aber nur die Hälfte der Kosten die wir anfangs ausgerechnet haben, der Rest vom Risiko liegt bei dir“ – da würdest du wohl auch protestieren.
Zurück zu S21: Bislang scheint die Kalkulation mit 4,5 Milliarden doch recht realistisch zu sein. Es sind 90% der Aufträge vergeben, und man liegt im Kostenrahmen. Dennoch läßt sich natürlich nicht ausschließen, dass unvorhergesehene Dinge passieren.
Klar, man kann jetzt alle Faktoren der Gesamtkalkulation nehmen, und jeweils vom Worst Case ausgehen, dann ist man vielleicht bei 30 Milliarden Maximalkosten, und jeder wird dann sagen dass es unwirtschaftlich wird. Nur wie gesagt, dann dürfte man überhaupt keine Großprojekte mehr starten.
Alles oben geschriebene gilt natürlich auf für Alternativprojekte wie K21.
So, ich hoffe ich bin jetzt nicht zu sehr abgeschweift und konnte einigermaßen rüberbringen worum es mir geht.
Aber einen Punkt noch: Wichtig ist natürlich schon, dass man das ganze kritisch betrachtet, und nicht jede Kostenerhöhung einfach so durchwinkt. Und da trau ich den Grünen mehr zu als der CDU. Kretschman (dessen Reaktion auf das Ergebnis mich mehr als positiv überrascht hat), hat ja selbst gesagt, er begleitet das Projekt jetzt kritisch-konstruktiv. Sofern er jetzt nicht wegen jeder zusätzlichen Schraube eine Verzögerung einleitet die letztendlich mehr kostet als die Schraube selbst, andererseits aber wirklich ein wachsames Auge auf die Kostenentwicklung hat, könnte ich mir vorstellen dass das unterm Strich einige Millionen spart.
@Petra: Dein Argument zählt in doppelter Hinsicht nicht. Erstens, wenn man sich die Detailsauswertung der Wahlkreise anschaut, hat sich auch Stuttgart mit 53% für den Weiterbau entschieden. Zweitens ging es in dieser Abstimmumg um den Finanzierungsanteil des Landes BW, und das betrifft nunmal alle Bürger in diesem Bundesland.
Mal einmal abgesehen vom bisher Gesagten:
Mir – als Berliner – wurde ja aus zwei Gründen gesagt, ich hätte gefälligst nicht dagegenzusein.
Zum einen: Ich wäre ja nicht von hier und damit hätte ich keine Ahnung.
Meine Antwort darauf, war immer nur Schulterzucken. Was soll man dazu auch sagen?
Zweitens: [Hier bitte die üblichen Befürworterargumente einfügen.]
Lustigerweise bin ich nicht gegen S21 und für K21 aus den üblichen kostenbedingten Gründen – also nicht nur. Es ist eigentlich ganz einfach: Die Bahn hat damals schon den berliner Hauptbahnhof verkackt. (An meinem Geburtstag war mal so ein lustiger Sturm vor einigen Jahren und da fegte es ein wenig Fassade herunter.) Warum sollte das hier dann also anders sein?
Das mal noch dazu.
Der Punkt ist doch nicht, daß man Kostensteigerungen (durch Rohstoffpreisschwankungen oder Inflation) nicht zuverlässig vorhersehen kann. Geschenkt. Aber schon jetzt wurde gelogen und manipuliert, um die Vorgaben nicht massiv zu überschreiten. Weil diese Vorgaben eben immer damit verknüpft waren, daß man dann das ganze Projekt überdenken müsste. Es gibt klare Vorgaben, welcher Nutzen für welche Investitionen zu erreichen ist und daran schrammt S21 nach den beschönigten Angaben grade so eben noch vorbei. Würde man jetzt die realistischen Zahlen nehmen, wäre schon anhand dieser Vorgaben das Aus für S21 zwangsläufig.
Das erste Mal in meinem Leben hab ich erlebt, daß gegen ein unsinniges Projekt über alle Gruppen hinweg protestiert wurde. Ich hab das erste Mal bewusst erlebt, daß die Staatsgewalt beweisbar illegal und brutal gegen friedliche Protestierer, gegen Schüler und Rentner gleichermaßen, vorgegangen ist. Der Staat hat seine Polizeitruppen gegen seine Bürger eingesetzt und alle, die es sehen wollten, hatten genug Quellen, um es auch beweisbar zu sehen. Das war kein „schwarzer Block“, kein langhaarigen Autonomen. Das war das Volk, daß da mit Wasserwerfern weggespült wurde!
Ich habe Hoffnung gehabt, daß das ein Umdenken auslöst. Das die Menschen begreifen, daß da mit aller Macht ein Projekt durchgeprügelt wird, daß einer handvoll Menschen die Taschen voll macht und für das alle zahlen werden.
Diese Hoffnung ist am Sonntag gestorben.
@ Torsten
Sie bringen es ganz genau auf den Punkt.
Einen Vorteil kann ich dennoch sehen: Je mehr Leute endlich erkennen, wie sie hier in diesem Staat von vorn bis hinten, Tag und Nacht, von den Machthabern systematisch belogen und betrogen werden, desto besser ist es. Warum die Wahlbeteiligung seit Jahren derart niedrig ist, hat sich auch schon mancher gefragt; die früheren Erklärungen (die Leute sind zu dumm und/oder zu faul, zur Wahl zu gehen) greifen schon länger nicht mehr.
Man sollte in Bezug auf das Ergebnis aber auch beachten, worüber abgestimmt wurde. Es ging ja nicht um Stuttgart 21 an sich, sondern um einen möglichen Ausstieg aus der Finanzierung. Bei einem Ausstieg drohte die Bahn mit 1,5 Milliarden Kosten für das Land, während die Befürworter des Ausstiegs mit unter 350 Millionen rechneten. Welcher Betrag auch immer letzlich korrekt ist, dürfte die Aussicht auf den Verlust (also ohne dass etwas dafür gebaut würde) solch hoher Summen auch einen Einfluss auf das Ergebnis gehabt haben.
Natürlich kann man nur spekulieren, wie es z.B. vor 5 oder 10 Jahren ausgegangen wäre, hätte man nur über die Sinnhaftigkeit des Projekts abgestimmt (zumindest die Beteiligung wäre wohl kleiner gewesen, da die Sache erst kurz vor knapp in der breiten Öffentlichkeit richtig emotional geworden ist). Auch muss man ja beachten, dass die Projektbefürworter lange überhaupt keinen Grund hatten, für das Projekt zu demonstieren und somit den Eindruck erweckt haben könnten, in der Minderheit zu sein.
Trotzdem ist es Fakt, dass man durch das Ergebnis nicht sagen kann, welcher Anteil tatsächlich Stuttgart 21 gebaut haben will. Man kann nur sagen, wer in der aktuellen Situation gegen einen Ausstieg ist. Das können Leute sein, die das Projekt gut finden, aber auch welche, die jetzt vor teilweise vollendenden Tatsachen das Projekt lieber durchziehen möchten. Aber auch den Ausstieg kann man natürlich für besser halten und es den „Nein“-Sagern (also gegen den Ausstieg) später vorhalten.. 😉