Ein bisschen verstohlen schlich Jan sich aus dem Haus. Alexa fluchte und grummelte unter der Dusche, als er die Tür schloss und sich auf den Weg zur Bank machte. Alexa hatte ihm ihre Karte und die PIN nach einer groben Vorreinigung ihrer Hände auf den Tisch geknallt. 5566! Irgendwie traute sie ihm wohl gar nix zu. 5566! Was ist das eigentlich für eine PIN? Ist ja klar: Da hat die Dame ohnehin das bessere Gedächtnis und bekommt so eine Zahl. Jan war ein bisschen aufgewühlt, einerseits tat ihm Alexa leid – er dachte an seine Versuche nach dem Umzug, ein bisschen Lack von den Fingern zu bekommen – andererseits: Hallo? Was hatte er bitte schlimmes gemacht?
Und dann die 5566! Er selbst hatte eine blöde PIN: 3068. Oder 3806? 3086? Ja eben, da sieht man’s ja!
Während ihn zum Ende der Straße hin das urbane Leben mehr und mehr einholte, die Hochbahn kreischend ihren Weg nach Friedrichshain ins Metall schnitt, bewegte er sich wie in Trance über den Bürgersteig. Den Kopf gen Boden gesenkt, Gehwegplatten Bordsteine betrachtend zog er an einigen Menschen vorbei, die ihn für einen eigenbrödtlerischen Nerd hielten. Was er zu gewissen Teilen ja auch irgendwie war. Den Weg zum Bankautomaten kannte er auswendig und als er dort eintraf, stellte er fest, dass er nicht einmal wusste, wie er hierher gekommen war.
Um Jan herum war es laut, neben der Bahn kreischten auch noch ein paar Kinder, die Hektik eines normalen Arbeitstages flutete die U-Bahn-Station und ein paar Obdachlose bettelten mehr oder minder lautstark. Mit den Gedanken abschweifend stellte er sich grinsend vor, wie albern es wäre, würden ein paar fleißige Leute nicht nur den Autofahrern eine Scheibenwäsche für kleines Geld anbieten, sondern auch ihm die Brille reinigen. Mit diesem großen Wisch-Dings. Hihi.
Nötig gewesen wäre es allemal.
Zu sich kam er erst wieder, als der Automat ihn warnte, er hätte die falsche PIN eingegeben. War ja klar! 5566, nicht 3086! Er erhielt zwei druckfrische Fünfziger, Banknoten, die Jan so schon lange nicht mehr gesehen hatte. Zur Bank ging er meist nur für einen Zwanni zwischendurch, den Rest erledigte er ohnehin online. Selbst Lebensmittel kaufte er im Internet. Es entsprach nunmal nicht seinem Naturell, die Wohnung zu verlassen, redete er sich seine Situation oftmals schön. Reich wie selten tigerte er den halben Weg zurück, um am Plus angekommen festzustellen, dass dieser inzwischen ein Netto war. Irgendwann hatte er sich mit Alex mal darüber unterhalten, da war was…
Ein bisschen uninspiriert schmiss er einige Lebensmittel in den Wagen, die sie in der WG immer dahatten. Also zumindest, bis bei ihm mal wieder Not am Mann war. Dosengemüse, Fertigessen und ein paar Tomaten. Zur Gewissensberuhigung und um an der Kasse nicht auszusehen wie ein ausgangsfauler Nerd, der sich nur von Tiefkühlpizza ernährt. Er umkreiste in Gedanken noch ein paar Hähnchen-Nuggets, verwarf den Plan aber wieder und wandte sich den Tütensuppen zu. Er hatte zwar weder Appetit noch Hunger, irgendwie glich dieser Ausflug dennoch ein bisschen der Prekariats-Vorstellung vom Schlaraffenland. Als er zu Ungunsten von Alexas Geldbeutel mal eben beschloss, sowohl Champignon-, als auch Waldpilz-Creme-Suppe einzupacken, zuckte er zusammen. Jemand rief seinen Namen!
„Jan, alter Stoffel! Was machst du denn hier?“
Er blickte sich um und sah in ein freundliches Gesicht, das er lange nicht gesehen hatte.
Wer spricht Jan plötzlich im Supermarkt an?
- Uwe, sein Anwalt für diverse Kleinigkeiten (37%, 36 Votes)
- Franky, eine Art One-Night-Stand vom Dezember (35%, 34 Votes)
- Markus, ein guter Freund, den Jan seit einer Woche anrufen wollte (16%, 16 Votes)
- Peter, ein Alter Klassenkamerad (kein Kontakt seit Jahren) (12%, 12 Votes)
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