Jans Hochgefühl ob seiner heldenhaften Zurückweisung des dringenden Bankproblems hielt einige Zeit an. In den letzten anderthalb Tagen hatte er sich mehrmals moralisch hochgezogen an der Tatsache, gerade kein dringendes Problem zu haben. Auf der Suche nach einem Löffel für seinen Joghurt hatte er sogar zwischen zwei Filmen die Zeit gefunden, eine Spülmaschine einzuräumen. Ganz seiner neuen Pragmatik folgend ging er dabei so logisch wie möglich vor. Denn natürlich hätte sein Geschirr allenfalls in Scherben zersplittert komplett in die Maschine gepasst. So sah er sich gezwungen – nein, er erarbeitete aus freien Stücken den Plan! – das Gerät zunächst mit den Sachen zu füllen, die er am dringlichsten benötigte:
Müslischüsseln: Ja.
Gläser: Ja.
Besteck: Ein paar Löffel, ein paar Gabeln.
Tassen: Kaffee war alle, also wozu?
Er arbeitete auf diesem Wege immerhin genügend vom Stapel ab, um den Tisch freizuräumen und den Rest des Zeugs auf die Arbeitsfläche zu verfrachten. Schwer mit Tellern bewaffnet wie höchstens die befähigtsten Kellner ihrer Zunft verlud Jan das Lotterleben der letzten zwei Wochen auf einen fast schon nett anzusehenden Haufen hinten im Eck der Küche. Im Grunde konnte er damit schon relativ zufrieden sein, denn erstens hatte er sein Arbeitspensum rein mathematisch verunendlichfacht, zweitens hatte er jetzt einen Löffel für seinen Joghurt.
Seine Tage verbrachte er weitgehend sinnlos im Internet, wo er sich die Filme runterlud, zwischen denen er gelegentlich an die Hausarbeit dachte. Das Haus hatte er seit dem Bankanruf nicht mehr verlassen, sogar das Duschen hat er aufgeschoben, wenngleich die Spülmaschine inzwischen besser roch als er. Aber Jan wären genügend Gründe dafür eingefallen, notfalls hätte er mit irgendwelchen Umfragen in drittklassigen Blogs zu belegen versucht, dass er am Duschen gehindert wurde.
Am frühen Morgen des 10. Februars weckte ihn ein ausgesprochen ungemütliches Geräusch. Ungemütlich war es deswegen, weil er es selbst so eingestellt hatte. Der Klingelton, der einen Anruf seiner Mitbewohnerin Alexa anzeigte, war mit voller Absicht das nervigste Kreischen, das er jemals als Tondatei auf seinem Handy gespeichert hatte. Das Kreischen von Alexa.
Aufgenommen hatten sie es an einem gemütlichen WG-Abend, bei dem sie sich in volltrunkenem Zustand zu irgendwelchen Widerwärtigkeiten zu überreden versuchten. Soweit er sich erinnern konnte, war es Alexas Reaktion auf die Ankündigung, an Markus Unterhosen riechen zu müssen. So genau hatte er es nicht mehr im Kopf, vielleicht ging es auch um seine Unterwäsche.
Alexa jedenfalls, derzeit beim Snowboarden mit irgendwelchen scharfen Typen in der tiefsten Schweiz, hatte versprochen, den noch unklaren Zeitpunkt ihrer Rückkehr mit einem Telefonat anzukündigen – einfach, weil sie beide um Jans Ordnungssinn Bescheid wussten, jedoch unterschiedliche Einstellungen dazu hatten. Und er wollte keinesfalls unvorbereitet auf Alexa treffen, nur weil er den Anruf verpasste!
Das wilde Schreien holte Jan zwar nicht aus den tiefsten je gehabten Träumen, aber immerhin kamen nackte Menschen drin vor, schade war es also irgendwie trotzdem. Das darauf folgende Telefonat war kürzer als das mit der Bank, insbesondere weil Jan sich nicht gerade aktiv am Verlauf beteiligte. Er beließ es bei einem Grunzen hier und da und verabschiedete sich mit einem halblebigen „Bis dann“ – Alexa kannte seine Morgenlaunen wenigstens und nahm sie ihm nicht übel.
Siedend heiß schoss Jan aber in den Kopf, was sie ihm übel nehmen könnte: Den Zustand der Wohnung. Und zwar trotz seiner bisherigen Bemühungen in so ziemlich allen Details. Und das sollte er dem Haussegen zuliebe bis Sonntag Abend hinkriegen. Jan vergewisserte sich noch einmal, dass es wirklich erst Freitag war und schlief beherzt weiter. Als er erneut erwachte, war die Rückkehr von Alexa nur noch eine diffuse Bedrohung in den hintersten Winkeln seines Gehirns. Und hey: Sonntag! Da ist noch Luft!
Aber, seinen Tatendrang nicht ganz unterdrückend, beschloss er, wenigstens einen Raum noch an diesem Abend für ihre Ankunft – wenigstens oberflächlich! – in Schuss zu bringen.
Was sollte Jan jetzt machen?
- In der Küche loslegen, dann ist das Gröbste schon weg! (50%, 53 Votes)
- Den Flur fegen und chillen... (19%, 20 Votes)
- Nicht aufräumen, ihr aber ein Geschenk zum Ausgleich machen. (17%, 18 Votes)
- Drauf scheißen. Wenn sie es ordentlich haben will, soll sie selbst... (14%, 15 Votes)
Total Voters: 106
Ohman, die Unordnung konnte ich mir wirklich bildlich vorstellen. Das macht mir Sorgen. Und: Wieviel Geschirr haben die beiden? Mit ein Bisschen Mühe kriegt man ein Set schon in den Geschirrspüler^^.
Ansonsten habe ich mich gerade sehr amüsiert. Ich freue mich auf die Fortsetzung und das Donnerwetter von Alexa 😉
„In der Küche loslegen, dann ist das Gröbste schon weg!“
Sash, hast Du bei fragmutti.de geluschert? Ich lach mich weg…
Ach einfach schön geschrieben ….. Wie lange ist die gute denn schon weg? Muss schon ein ziemlicher Stapel an Geschirr sein, den er da so ganz alleine schmutzig gemacht hat *gg*
Er soll vor allem bitte endlich mal duschen!
Und sie dann an der Tür abfangen und irgendwo in einer lauschigeren Umgebung mit ihr essen/was trinken gehen (und ihr dabei das Geschenk überreichen, für das ich gevotet habe…). Ich glaube, damit wäre allen am besten gedient.
OK, klingt öde. Für die Story wär ein Donnerwetter vermutlich spannender. 😀
Ich nochmal wegen „Alexa jedenfalls, derzeit beim Snowboarden mit irgendwelchen scharfen Typen in der tiefsten Schweiz…“:
Solche Mitbewohner sind kein abwegiges Szenario – ich wohnte mal einge Wochen bei einer sehr aufregenden Frau (allein ihr Name war, kein Witz, schon eine Fabel, solche Details erzähle ich aber nur unter vier Augen und nach Einflößung von mindestens vier nicht von mir spendierten Halben) zur Untermiete, die das halbe Jahr überall auf der Welt unterwegs war und mit solchen „scharfen Typen“ „Skydiving“ solo und in Formation absolvierte, incl. solchen Aktionen wie „kurz vor der Landung ‚die Kappe aufmachen‘ und dann mindestens 50 Meter weit eine Seeoberfläche ‚entlangsurfen’…“
Die waren alle aufsehenerregend bekloppt, auch und gerade die Frau. Und es waren aber alle auch sehr, sehr nett! Manche WGs rocken…
(Mit diesen Worten gebe ich zurück an das angeschlossene Blog-Hauptquartier….)
Was für ne langweilige Abstimmung! In der Küche loslegen. Leute, ich bitte euch – wir wollen doch hier nicht logisch werden! Klar kann ich in der Küche loslegen – und ruckzuck siehts sauber aus. Viel interessanter wird es doch erst, wenn genau das nicht passiert …
@Tjeika:
Das mit der Spülmaschine ist authentisches Wissen 😀
@Kommentator:
Nichts läge mir ferner, ich hab meine eigenen Erfahrungen 😉
@Clarissa:
Gute Frage… aber man kann ja eine Menge Zeit beim Boarden verbringen…
@anicca:
Den Kommentar solltest du in zwei Wochen nochmal lesen. Eine klitzekleine entscheidende Sache hab ich schon geplant 😉
@Kommentator:
OK, klingt beeindruckend 🙂
Aber ganz ehrlich: Ich hab so viel WG-Erlebnisse, dass ich sie nicht ohne Grund gerade nebenbei in ein Buch packe. Und nichts von dem hier von Jan bisher geschriebenen ist auch nur im Ansatz unrealistisch, das ist mir bewusst 😀
@ednong:
Sowas ähnliches hab ich mir auch gedacht 😀
Wäre der Austausch von Türschlössern, Hausnummer, Straßen- und Klingelschild eine Option, noch einen knappen Tag zusätzlich rauszuschlagen? 🙂
Auch wenn es in den Kommentaren zu Teil 2 schon angesprochen wurde: bei mir taucht auch nur das Voting-Ergebnis auf. Geh ich hingegen mit dem schlauen Taschenfernsprecher auf Deine Seite, werden mit die Abstimmknöpfchen angeboten (aber mein Mobilbrowser kann mit dem Klick auf „Vote“ nichts anfangen…) – und die IP dürfte verschieden sein, denn ich war mit der Mobiltröte von unterwegs auf der Seite, nicht von zuhause.
(oder hat meine WG-Partnerin hier schon abgestimmt? Mal nachfragen…)
Huch, wer lesen kann, ist klar im Vorteil… die Umfragen sind ja nur zeitlich beschränkt freigeschaltet, wie Du in der Einleitung ankündigtest. Dann vergiss doch einfach mein unqualifiziertes Gemecker von vorhin…
Ich glaube hier lesen zuviele Männer mit, die schonmal nach einem Urlaub der Frau/Freundin die Wohnung nicht aufgeräumt hatten 😉
Ich geb‘ zumindest zu, das dieses Ereignis mein Abstimmverhalten massiv beeinflusst hat – wohlwissend, das die Geschichte anders viel lustiger wäre *gg*
urgs, so ein Ferkel. Vor kurzem musste ein Heizungsmoneur in einer Studenten WG die Heizung reparieren. Bevor er in der Küche an den Heizkörper konnte, musste er erst mal das dreckige massenhaft rumstehende Geschirr beiseite schieben.. Nett, was der so erzählt hat. Wurgs.
@Daniel:
Interessante Idee mit dem Austausch der Schlösser etc. 😀
DIE Idee ist mir tatsächlich nicht gekommen…
@Manuel:
Allgemein meinen es die Leute viel zu gut mit Jan, ich sehe schon…
@Micha:
Wenn du das schon schlimm findest… du hast nie in einer WG gewohnt, oder? 😉
@ Sash
doch, habe denen wo hin getreten, wenn alles eingesaut war.
Wobei ich schon in einer gewohnt habe, wo es mich wundert, das sich keine Schimmelkulturen gebildet haben…. wurgs