Die Geschichte von Jan (4)

Während Alexa ihre langwierige und komplizierte Rückreise aus der Schweiz antrat, raffte Jan sich endlich auf und focht seinen Kampf mit der Spülmaschine aus. Auch im Intensiv-Modus wurde sie nur mäßig zufriedenstellend fertig mit dem, was er ihr aufbürdete. Nachdem er also das Spülbecken vom gröbsten Dreck gereinigt hatte, ging er ans nachträgliche Säubern einzelner Geschirrteile.

Im Laufe des Samstags lief die Maschine wieder und wieder. Die altersschwache Spülbürste flog nur so über die ausgespuckten Teile und die Schränke in der kleinen Küche füllten sich allmählich wieder. Jans Füße trugen ihn zwischen dem Fernsehsessel und der Spülmaschine hin und her, später zwischen der Maschine und den Küchenschränken. Nennenswerten Glasbruch schaffte er zu vermeiden, einzig ein altes Weinglas musste im Laufe des Tages entsorgt werden.

Der Wind pfiff um die Häuser, die Temperaturen stiegen nur sehr selten über -5°C, gelegentlicher leichter Schneefall umwehte das winterliche Berlin.

Alexa fror indessen fürchterlich in verschiedensten Regionalzügen der deutschen Bahn. Ihr Wochenendticket teilte sie mit ein paar jugendlichen Berlin-Touristen, das praktizierte sie seit Jahren bereits so. Ebenso wie die deutsche Bahn es seit Jahren praktizierte, die Züge im Winter ausfallen zu lassen. Oder zumindest die Heizung.

Ihren Urlaub hatte sie genossen, während der Rückfahrt dachte sie jedoch unentwegt an die Möglichkeit, mal eben schnell aus der Welt zu scheiden, umgehend zu sterben, egal wie, hauptsache warm. Verbrennen beispielsweise.
Viel mehr aber dachte sie an die Wohnung, die Stadt, sie war durchaus froh, wieder heimzukommen. Zwar wusste sie, dass das Wetter in Berlin nicht eben besser war, die Aussicht auf die beheizte Bude jedoch erwärmte sie auch innerlich. Ein bisschen auch die Aussicht auf Jan. Sicher, er hatte ihr Zuhause wahrscheinlich in den letzten drei Wochen übel zugerichtet und sie würde ihm das auch vorhalten – aber während ihres atemberaubenden Urlaubs ist ihr vor allem klargeworden, dass sie den liebenswerten Chaoten in ihm vermisste.

Die Truppe in der Schweiz – viele alte Bekannte, ein paar Facebook-Freunde und Freunde von Bekannten von Facebook-Freunden – war so wohlorganisiert wie öde gewesen. Sie hatte selbst an sich den Anspruch, die Planlosigkeit ihrer Jugendjahre – die sie auch damals mit Jan zusammengebracht hatte – hinter sich zu lassen, aber die ununterbrochene Party auf dem Gipfel war auch nicht, was sie wollte. Bereits vor der Ankunft hatten sie Finanzplanungen aufgestellt, Fahrer organisiert, Zeitpläne gemacht. Einen Schritt weiter, so fühlte es sich an, und sie hätte ein Formular zum Pinkeln unterschreiben müssen. Selbst das Budget fürs Gras hatten diese Spinner vorher festgelegt!
Aber – und das fuchste sie gewaltig – es hat auch funktioniert. Keine Geldsorgen, immer alles warm und ordentlich. Selbst als Olli nachts betrunken beim Versuch, seinen Namen in den Schnee zu pinkeln nach dem O mit heruntergelassenen Hosen einen Hügel hinabstolperte und sich das Handgelenk verstauchte, fanden sich zwei nüchterne Fahrer, die ihn ins nahegelegene Spital brachten.

Sie schwor sich, Jan nie zu sagen, dass sie im Nachhinein genoß, manchmal aufzustehen und nicht zu wissen, ob er die letzte Milch für seinen White Russian aufgebraucht hatte, oder ob sie unbehelligt frühstücken könnte (davon abgesehen hätte sie ohne diese Aktion damals nie herausgefunden, wie lecker Smacks ohne Milch schmecken).

Zitternd an die hässlichen roten Ledersessel des Zuges gelehnt wünschte sie sich, sie wäre noch einmal 15 und ihre Beziehung mit Jan hätte noch einmal diese falsche Zukunft, die sie sich damals ausgemalt hatte. Oder hatten, manchmal war sie sich nicht sicher.

Während ihr Zug die Stadtgrenze Berlins passierte, fuchtelte Jan mit dem altersschwachen Handfeger in der Wohnung herum, um kleine Häufchen zusammengekehrten Unrates entweder auf die vorgesehene Schaufel oder unter den nächsten Teppich zu schieben. Alexa sei Dank hatten sie nur wenige Teppiche, sie erkannte den praktischen Nutzen in Momenten mit Zeitmangel eindeutig nicht so gut wie er! Nach einem prüfenden Tritt auf den Läufer im Flur (nichts knirschte ernsthaft, gute Arbeit!) schmiss Jan die Arbeitsutensilien zur Seite und wandte sich dem Internet zu. Eigentlich müsste ihr Zug vor 20 Minuten angekommen sein. Wo blieb Alexa nur?

Nur 5 Minuten nach diesem Gedanken verließ selbige den Zug (der runde 30 Minuten Verspätung hatte) und war erstaunt, dass es außerhalb tatsächlich nochmal mindestens 10 Grad kälter war. Wie sollte sie es nur möglichst schnell und lebendig nach Hause schaffen?

Wie kommt Alexa möglichst schnell heim?

  • Taxi! Das kann der Autor sicher am besten beschreiben 😉 (34%, 33 Votes)
  • Sie sollte Jan anrufen, dem fällt was ein... (31%, 30 Votes)
  • Ist ja nur knapp ein Kilometer. Laufen! (20%, 20 Votes)
  • Taxi? Taxi ist teuer! Nimm den Bus! (16%, 16 Votes)

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16 Comments

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16 Responses to Die Geschichte von Jan (4)

  1. Marius

    Taxi wäre ja meine Wahl. Aber das wurde sicherlich nicht in den Finanzplanungen voraus/mitbedacht… hmm.

  2. Clarissa

    Wenn sie läuft wird ihr sicher wieder warm. Oder sie ist erst so richtig durchgefroren…. aber die Option scheint es nicht zu schaffen.

  3. Roter Ledersessel und Regionalexpress passt aber nicht gut zusammen. 😉 Ich spreche aus Erfahrung, ich fahre jedes Wochenende Bahn und komme doch meist an…

  4. anicca

    TAXI!!!
    So eine Chance, dass Alexa sich in den netten 2m-Taxifahrer verknallt und dem ungeduschten Jan, der noch nichtmal ’n Geschenk für sie besorgt hat, entkommt, kriegen wir nie wieder!

    Ich fahr jetzt den PC so oft ‚runter und wieder hoch, um neue IP-Adressen zu kriegen und neu abstimmen zu können, bis das Taxi endgültig gewonnen hat. HA!

  5. Also auf gar keinen Fall für das Taxi stimmen. Da gibt es genug Geschichten in dem anderen Blog. Laufen ist langweilig, da gibt es nichts zu berichten. Laßt den Jan sich was überlegen, stimmt also für den Anruf! Los also, für den Anruf bei Jan abstimmen! 😉

  6. Nachdem ich vorgestern ja auch für die Sicherheitsvariante („Jan räumt auf“) gestimmt habe, finde ich, das dem armen Kerl ruhig noch ein paar Minuten für’s aufräumen fehlen können – wird ja sonst voll langweilig und planbar 😉
    Bin also wie ednong auch für den Anruf bei Jan!!!

  7. David

    @annica: Das kannst du auch einfacher haben, ohne hoch-/runter zu fahren 😉

  8. Matt

    Also ganz klar Jan anrufen. Sie ist in Gedanken eh schon die ganze Zeit bei ihm, was sollte da also näher liegen?

    Alternativ kann sie natürlich auch ins Taxi steigen, das hat dann vollkommen unvorhergesehen eine Panne und sie ruft dann erst Jan an, der ihr entgegen kommt und mit dem Gepäck hilft.

    Oder es passiert was ganz anderes. Ab wann kommen denn eigentlich die Zombies? 😉

  9. @Marius:
    Warten wir es ab 😉

    @Clarissa:
    Nee, sieht schlecht aus…

    @Nessa LG:
    Echt? Verdammt, ich war mir sicher, dass das die REs waren…

    @anicca:
    Hmm, ein Cameo-Auftritt in meiner eigenen Geschichte… interessante Idee 😉

    @ednong und Manuel:
    Ich bevorzuge den Anruf im Grunde auch. Obwohl ich noch nicht weiss, was dann passieren soll…

    @Matt:
    Hmm, da kann ich ja mal drüber nachdenken.

  10. mm.

    @Nessa Lg / Sash
    Es gibt/gab Regionalzüge mit roten (Kunst-?)Ledersitzen, das sind manche der alten einstöckigen Wagen (gewesen?). Ist ein paar Jahre her, dass ich das zuletzt gesehen hab.

  11. @mm.:
    Ich denke, dass es die gibt/gab – da sind wir uns einig. Aber waren das sicher Regionalbahnen oder vielleich IRs?

    @all:
    Ach kommt! Ein Unentschieden schon in der vierten Runde?

  12. mm.

    Regionalexpress wars. Definitiv.
    Hab grad noch n bisschen bei wikipedia gelesen. Da stand, dass auch IR-Wagen im Zuge der Abschaffung des IR auf Regionalbahn „umgearbeitet“ worden sind.
    Stimmt also möglicherweise beides. 🙂

  13. @mm.:
    OK, das könnte des Rätsels Lösung sein 😀

  14. TAXI!
    Das dürfte interessant werden und bietet die Möglichkeit dem Beispiel von Stephen King zu folgen und sich selbst in die Geschichte zu integrieren.
    *gespanntwart*

  15. Mir hat der Perspektivwechsel unglaublich gut gefallen. So lernt man Alexa gleich ein klein wenig besser kennen. Und irgendwie ist es niedlich, dass ihr das Chaos lieber ist, als diese komische Ordnung in der Schweiz, auch wenn sie das wohl nie zugeben würde – jetzt mal ehrlich, man muss doch schon tierisch bekifft sein, wenn man sich selbst ein Budget für das Gras gibt, oder?
    Ich fürchte ja, dass der Läufer doch knirscht und sie demnächst nicht einmal den in der Wohnung haben 😉
    *zum nächsten Kapitel flitz*

  16. @sniggelz:
    Nein, einen eigenen Auftritt fand ich keine so gute Idee. Aber wer weiss, vielleicht später mal.

    @Tjeika:
    Ich fand die Idee auch gut, sie ein bisschen besser kennenzulernen. Und ihr leichter Hang zum Chaos musste irgendwie untergebracht werden, wenn sie mit Jan zusammenwohnt…
    Und das Knirschen… du bist gut! 😀

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