23. Juni 2012 · 05:33
Bösartig, Irrational, Lügend, Demokratiefeindlich: Noch eines der freundlicheren Backronyme, die mir für die BILD einfallen.
Ich weiß, dies ist nur einer von zigtausend Texten, die heute landauf und landab über die kostenlose BILD veröffentlicht werden, die in knapp 41 Millionen Haushalte flattern wird. Und natürlich bin ich auch nicht der einzige, der sich kritisch äußert. Da könnte ich es also eigentlich auch lassen? Nein.
Denn ich bin überzeugt davon, dass die BILD nach wie vor eine der größten Gefahren für diese Gesellschaft darstellt und ich halte das nicht für einen Zufall. Man sollte zwar nie Bösartigkeit vermuten, wo auch Blödheit als Erklärung reicht, die Grenze überschreiten das Blatt und der zugehörige Konzern jedoch zu regelmäßig. Und so sehr diese angebliche Zeitung auch immer öfter belächelt und marginalisiert wird – genau darin liegt auch ihre Gefährlichkeit.
Mir geht es nicht um irgendeine Rache, weil die BILD mit mir politisch nicht auf einer Wellenlänge liegt. Das bin ich bereit zu ignorieren. Nein, wirklich schlimm an dem Blatt ist die Selbstverständlichkeit, mit der es alleine aufgrund der Auflage und eben jener belustigenden Akzeptanz ganz tief in die Gesellschaft eingreift.
Na klar, wer hat noch nicht gelacht über Artikel wie „Frau verwechselt Globus mit Kopf des Nachbarn“?
„Lustig, Schenkelklopfer! Siehste: Nehm ich doch nicht ernst!“
Aber bei wievielen Menschen bleibt z.B. nach der beispiellosen und mitunter nicht weniger faktenfreien „Berichterstattung“ der letzten zwei Jahre eine schlechte Meinung über Griechen? Einfach so, bei Leuten, die von Finanzpolitik nicht den Hauch einer Ahnung haben, dank Bild aber immer treffsicher über irgendwelche irrelevanten Luxus-Rentner und korrupte Beamte in Athen informiert wurden?
Und die ganz hartgesottenen Fans berufen sich dann darauf, dass sie die Zeitung ja nur des guten Sportteils wegen lesen. Ein Sportteil, in dem bildblog vor Jahren beispielsweise eine Bundesliga-Tabelle mit mehr als 150 Fehlern (!) gefunden hat.
Und die BILD arbeitet systematisch mit Vereinfachungen, Überspitzungen und wenn es mal nach hinten losgeht, dann war ja alles nur Spaß und der Boulevard funktioniert eben so. Da mag ich als unbedingter Vertreter der Pressefreiheit auch ein ganzes Stück weit mitgehen, aber die Grenzen, an denen sich BILD stößt, sind keineswegs nur die des guten Geschmacks, sondern regelmäßig die des Rechtsstaates an sich.
Die BILD verletzt ungefähr täglich (!) das Persönlichkeitsrecht von Menschen. Viele davon, meist Beschuldigte in einem Strafprozess, werden zwar von manchen Lesern nicht als schützenswerte Individuen eingeschätzt, aber schon an dieser Stelle zeigt sich, wie die perfide ständige Aushöhlung von Normen das Gesellschaftsklima ändern. In Dubio pro Reo? Auf’s Maul! Man wundert sich kaum noch, wenn irgendwo ein „Sex-Verbrecher“ mitsamt Foto von sich und seinem Wohnhaus in der BILD abgedruckt wird. Die meisten empörten Leser kriegen dann gar nicht mehr mit, dass der Mann noch gar nicht verurteilt und am Ende unschuldig war – und jetzt trotzdem in seinem Dorf nicht mehr leben kann.
An dieser Stelle zeigt sich oft auch, dass die BILD gerade bei solchen „großen Meldungen“ nicht den Hauch einer Recherche anstellt. So wurde neulich aufgrund einer einfachen Namensverwechslung eine Bloggerin von der Zeitung für tot erklärt – und weil man davon ausging, dass es sich um die richtige Person handele, hat man bei der Redaktion gleich noch Details aus ihrer Vita dem real existierenden Todesfall zugeschrieben.
Und auf der anderen Seite kämpft der Springer-Verlag, dem die BILD zugehörig ist, mit allen Mitteln für das Leistungsschutzrecht und jammert herum, wie schlimm es sei, wenn die Leute „aus dem Internet“ Fotos und Texte klauen.
Natürlich landet die BILD auch mal einen Treffer. Sicher haben sie auch schon mal einen Skandal aufgedeckt oder einen Politiker zu Recht in Bedrängnis gebracht. In weit mehr Fällen allerdings geschah das entweder mit fragwürdigen Methoden oder die Eigenleistung der BILD war überschaubarer als sie selbst verkündet. Denn auch in keiner anderen Zeitung werden derart viele Exklusiv-Meldungen verkündet, die in Wirklichkeit weder exklusiv, noch aktuell, in den schlimmsten Fällen aber sogar völlig haltlos sind – und somit exklusiv nur in dem Sinne, dass sich niemand anders getraut hätte, diesen Datenmüll auf Papier zu drucken.
Nein, die BILD ist nicht einfach irgendein doofes Käseblatt, das man nicht ernst nehmen muss. Die BILD ist eine angebliche Zeitung, die wiederholt, planmäßig und mit einer perversen Arroganz darauf hinwirkt, die Gesellschaft in ihrem Sinne zu beeinflussen. Und trotz sinkender Auflage schafft sie es immer wieder. Da werden anlässlich von Fußballspielen Nationen gegeneinander aufgehetzt, den Menschen Angst vor Ausländern gemacht, in dem man die Namen von Verbrechern in Achmed und Mohammed ändert und Menschen werden zu Freiwild gemacht, weil der BILD nichts daran liegt, dass sich in Deutschland Gerichte damit befassen, Straftäter zu verurteilen. Persönlichkeitsrechte werden mit Füßen getreten, Existenzen zerstört und nach 10 Jahren mit der BILD unterm Arm rutscht dann doch vielen mal ein „Man wird ja wohl noch sagen dürfen, dass …“ heraus.
Nein, bei mir wird heute keine BILD im Briefkasten liegen. Ich habe meinen Widerspruch rechtzeitig abgesendet. Und vielleicht kann man bei der Reichweite der Zeitung schon froh sein, dass es noch mehr als 200.000 andere auch so gehalten haben. Dennoch wird das Land heute geflutet mit gedruckter Scheiße in Multi-Millionenauflage und neben den an dem Projekt direkt beteiligten Schaumschlägern im Diekmann-Gewand werden sich wahrscheinlich auch ein Haufen Menschen finden, für die „Geil, für umme!“ ein Grund ist, dieses Hetzblatt zu lesen. Ich für meinen Teil habe nicht den Hauch eines Verständnisses dafür und ich betrachte jeden, der die BILD verteidigt, als potenziell gefährlich. Und Blödheit alleine entschuldigt das in diesem Fall kein Bisschen!
Links:
bildblog
Spiegeloffline mit einem Tipp
Lukas Heinser im Freitag über die Abstumpfung durchs ständige BILD-Lesen
Stefan Niggemeier darüber, wie die BILD Ausländerfeindlichkeit fördert