Gratis Scheiße! Freut euch!

Bösartig, Irrational, Lügend, Demokratiefeindlich: Noch eines der freundlicheren Backronyme, die mir für die BILD einfallen.

Ich weiß, dies ist nur einer von zigtausend Texten, die heute landauf und landab über die kostenlose BILD veröffentlicht werden, die in knapp 41 Millionen Haushalte flattern wird. Und natürlich bin ich auch nicht der einzige, der sich kritisch äußert. Da könnte ich es also eigentlich auch lassen? Nein.

Denn ich bin überzeugt davon, dass die BILD nach wie vor eine der größten Gefahren für diese Gesellschaft darstellt und ich halte das nicht für einen Zufall. Man sollte zwar nie Bösartigkeit vermuten, wo auch Blödheit als Erklärung reicht, die Grenze überschreiten das Blatt und der zugehörige Konzern jedoch zu regelmäßig. Und so sehr diese angebliche Zeitung auch immer öfter belächelt und marginalisiert wird – genau darin liegt auch ihre Gefährlichkeit.
Mir geht es nicht um irgendeine Rache, weil die BILD mit mir politisch nicht auf einer Wellenlänge liegt. Das bin ich bereit zu ignorieren. Nein, wirklich schlimm an dem Blatt ist die Selbstverständlichkeit, mit der es alleine aufgrund der Auflage und eben jener belustigenden Akzeptanz ganz tief in die Gesellschaft eingreift.

Na klar, wer hat noch nicht gelacht über Artikel wie „Frau verwechselt Globus mit Kopf des Nachbarn“?

„Lustig, Schenkelklopfer! Siehste: Nehm ich doch nicht ernst!“

Aber bei wievielen Menschen bleibt z.B. nach der beispiellosen und mitunter nicht weniger faktenfreien „Berichterstattung“ der letzten zwei Jahre eine schlechte Meinung über Griechen? Einfach so, bei Leuten, die von Finanzpolitik nicht den Hauch einer Ahnung haben, dank Bild aber immer treffsicher über irgendwelche irrelevanten Luxus-Rentner und korrupte Beamte in Athen informiert wurden?
Und die ganz hartgesottenen Fans berufen sich dann darauf, dass sie die Zeitung ja nur des guten Sportteils wegen lesen. Ein Sportteil, in dem bildblog vor Jahren beispielsweise eine Bundesliga-Tabelle mit mehr als 150 Fehlern (!) gefunden hat.

Und die BILD arbeitet systematisch mit Vereinfachungen, Überspitzungen und wenn es mal nach hinten losgeht, dann war ja alles nur Spaß und der Boulevard funktioniert eben so. Da mag ich als unbedingter Vertreter der Pressefreiheit auch ein ganzes Stück weit mitgehen, aber die Grenzen, an denen sich BILD stößt, sind keineswegs nur die des guten Geschmacks, sondern regelmäßig die des Rechtsstaates an sich.

Die BILD verletzt ungefähr täglich (!) das Persönlichkeitsrecht von Menschen. Viele davon, meist Beschuldigte in einem Strafprozess, werden zwar von manchen Lesern nicht als schützenswerte Individuen eingeschätzt, aber schon an dieser Stelle zeigt sich, wie die perfide ständige Aushöhlung von Normen das Gesellschaftsklima ändern. In Dubio pro Reo? Auf’s Maul! Man wundert sich kaum noch, wenn irgendwo ein „Sex-Verbrecher“ mitsamt Foto von sich und seinem Wohnhaus in der BILD abgedruckt wird. Die meisten empörten Leser kriegen dann gar nicht mehr mit, dass der Mann noch gar nicht verurteilt und am Ende unschuldig war – und jetzt trotzdem in seinem Dorf nicht mehr leben kann.

An dieser Stelle zeigt sich oft auch, dass die BILD gerade bei solchen „großen Meldungen“ nicht den Hauch einer Recherche anstellt. So wurde neulich aufgrund einer einfachen Namensverwechslung eine Bloggerin von der Zeitung für tot erklärt – und weil man davon ausging, dass es sich um die richtige Person handele, hat man bei der Redaktion gleich noch Details aus ihrer Vita dem real existierenden Todesfall zugeschrieben.
Und auf der anderen Seite kämpft der Springer-Verlag, dem die BILD zugehörig ist, mit allen Mitteln für das Leistungsschutzrecht und jammert herum, wie schlimm es sei, wenn die Leute „aus dem Internet“ Fotos und Texte klauen.

Natürlich landet die BILD auch mal einen Treffer. Sicher haben sie auch schon mal einen Skandal aufgedeckt oder einen Politiker zu Recht in Bedrängnis gebracht. In weit mehr Fällen allerdings geschah das entweder mit fragwürdigen Methoden oder die Eigenleistung der BILD war überschaubarer als sie selbst verkündet. Denn auch in keiner anderen Zeitung werden derart viele Exklusiv-Meldungen verkündet, die in Wirklichkeit weder exklusiv, noch aktuell, in den schlimmsten Fällen aber sogar völlig haltlos sind – und somit exklusiv nur in dem Sinne, dass sich niemand anders getraut hätte, diesen Datenmüll auf Papier zu drucken.

Nein, die BILD ist nicht einfach irgendein doofes Käseblatt, das man nicht ernst nehmen muss. Die BILD ist eine angebliche Zeitung, die wiederholt, planmäßig und mit einer perversen Arroganz darauf hinwirkt, die Gesellschaft in ihrem Sinne zu beeinflussen. Und trotz sinkender Auflage schafft sie es immer wieder. Da werden anlässlich von Fußballspielen Nationen gegeneinander aufgehetzt, den Menschen Angst vor Ausländern gemacht, in dem man die Namen von Verbrechern in Achmed und Mohammed ändert und Menschen werden zu Freiwild gemacht, weil der BILD nichts daran liegt, dass sich in Deutschland Gerichte damit befassen, Straftäter zu verurteilen. Persönlichkeitsrechte werden mit Füßen getreten, Existenzen zerstört und nach 10 Jahren mit der BILD unterm Arm rutscht dann doch vielen mal ein „Man wird ja wohl noch sagen dürfen, dass …“ heraus.

Nein, bei mir wird heute keine BILD im Briefkasten liegen. Ich habe meinen Widerspruch rechtzeitig abgesendet. Und vielleicht kann man bei der Reichweite der Zeitung schon froh sein, dass es noch mehr als 200.000 andere auch so gehalten haben. Dennoch wird das Land heute geflutet mit gedruckter Scheiße in Multi-Millionenauflage und neben den an dem Projekt direkt beteiligten Schaumschlägern im Diekmann-Gewand werden sich wahrscheinlich auch ein Haufen Menschen finden, für die „Geil, für umme!“ ein Grund ist, dieses Hetzblatt zu lesen. Ich für meinen Teil habe nicht den Hauch eines Verständnisses dafür und ich betrachte jeden, der die BILD verteidigt, als potenziell gefährlich. Und Blödheit alleine entschuldigt das in diesem Fall kein Bisschen!

Links:

bildblog
Spiegeloffline mit einem Tipp
Lukas Heinser im Freitag über die Abstumpfung durchs ständige BILD-Lesen
Stefan Niggemeier darüber, wie die BILD Ausländerfeindlichkeit fördert

24 Comments

Filed under Medien, Politik

24 Responses to Gratis Scheiße! Freut euch!

  1. Lisa

    Letztens hatte ich einen Artikel in einer Berliner Tageszeitung (nicht BZ) darüber gelesen, in dem die Postleute befragt wurden die das austragen müssen. Die haben wohl auch die Aufgabe den Verweigerern ein extra (rotes) Kuvert in den briefkasten zu werden. Ich will NICHTS von denen. 🙁

  2. Lis

    Vielleicht befindet sich im roten Umschlag die Zeitung. ÜBERRASCHUNG!

    Äh nein, mal sehen ob die Postboten überhaupt Lust haben, da zu unterscheiden. Die sind wirklich die Leidtragenden der ganzen gratis Scheiße.

  3. Chris

    Danke !!!!

  4. Arno

    Mist, ich wusste, dass ich gestern was vergessen hab.

    Naja, einen alten Briefumschlag nehmen, „Porto zahlt Empfänger“ drauf und ab in den Briefkasten. Nur schnell runter, nicht dass jemand noch denkt, ich hätte den Mist abonniert…

    Arno

  5. Michi

    Hmpf, ich hab auch den Aufkleber aufm Briefkasten vergessen…

    Wenn man den Mist aber schonmal im Haus hat, hab ich wenigstens mal durchgeblättert. „Die besten Sätze von Franz-Josef Wagner“ – *kotz* Ansonsten wie erwartet nur ein Axel-Springer-Werbeblättchen.

    @Sash: Die ersten drei Links unter deinem Artikel führen alle auf Spiegel Offline.

  6. Arno

    Macht nix: Die Post ignoriert diese Aufkleber (zumindest hier) eh. Sie waren erst nach meinem vorigen Kommentar da und ich hatte noch schnell einen Kleber angebracht.

    Damit hab ich nun gar keine Skrupel mehr, das Altpapier zwischen Post und Axel-Springer-Verlag hin und her zu reichen.

    Arno

  7. Mariha

    Tja und ein Postbote hat mir gestern erzählt, dass die Bild Verteilung heute oberste Priorität hat, die „richtige“ Post soll heute eben liegenbleiben wenns nicht geschafft wird.

  8. @Lis: Die Postboten tun mir ja auch irgendwo leid, aber das ist dennoch ein Nebenkampfschauplatz.

    @Chris:
    Bitte. 😉

    @Arno:
    Und? Wie is gelaufen?

    @Michi:
    Seien wir ehrlich: Das Blatt zu kriegen ist nicht das Ding. Dass die BILD weiter existiert und eine gewisse Macht hat, ist das Problem …
    Das mit den Links versuche ich mal zu beheben!

    @Mariha:
    Na das ist ja noch doller … 🙁

  9. Arno

    @Sash: Naja, zufällig kam zusammen mit der BILD noch ein großer A4-Fensterumschlag. Post aus dem Umschlag raus, BILD rein, BILD wieder raus, Impressum suchen (und ich dachte, die können nur in Großbuchstaben schreiben…), Adresse auf Umschlag, „Porto zahlt Empfänger“ drüber, BILD wieder rein, zwei Streifen Paketband zum Zukleben, Umschlag in Briefkasten.

    So isses gelaufen.

    Arno

  10. schott

    Die Bild als „eine der größten Gefahren für diese Gesellschaft“ zu sehen ist doch arg eingeengt. Die Feinde der Freiheit und des Bürgertums sind es doch, die eine wahre Gefahr darstellen; das Überbewerten von Druckschriften muss doch mal ein Ende haben.

  11. @schott:
    Und diese Menschen wachsen auf Bäumen? Wo kommen denn die Meinungen her. Ich will nicht behaupten, dass die BILD das alleine verbockt, aber wenn Dinge in den Medien auftauchen, erhalten sie eine gewisse Relevanz. Und jeder von uns lässt sich davon unterbewusst beeinflussen. Dementsprechend halte ich eine Zeitung für gefährlich, die wiederholt mit falschen Tatsachen und zurechtgebogener Berichterstattung (wie sie so schön selbst sagt) „Meinungen bildet“.

  12. Im Laufe der Zeit habe ich verschiedene Lackmustests entwickelt, die ich anwende, wenn ich Menschen besser einschätzen möchte. Die Spreu vom Weizen trennen will. Die meisten dieser Tests sind Bullshit. Zu ungenau. Einer funktioniert immer. Bestehend aus zwei einfachen Fragen.

    1. Magst du die Beatles?
    2. Liest du die Bild?

    Wird die erste Frage mit „Nein“ beantwortet sieht es schon schwarz aus, es besteht aber noch Hoffnung solange 2. ebenfalls mit einem „Nein“ beantwortet wird. Ist es ein „Ja“, dann hast du einen wirklich stumpfen Idoten vor dir, der seine DNA nicht in den Genpool künftiger Generationen fließen lassen sollte. Egal was für wirre oder ach so kluge Gedanken ihn zu dieser Aussage gebracht haben mögen, über kurz oder lang ist das immer ein Trottel.

    Bums.Ende.Aus.

    Ps. Den Test in eine normale Unterhaltung verpacken. Das kommt sonst schon etwas seltsam.

  13. @Kontertanz:
    Sicher zwei gut gewählte Fragen, aber – wenngleich ich selbst die Beatles mal ganz gerne höre – ist die Entscheidung „pro Beatles“ immer noch wesentlich selektiver und schwerer zu treffen als die „contra Bild“. Die Beatles nicht zu mögen, mag begründet sein im Missgefallen von Gitarrenmusik, englischen Texten, dem 60s-Sound. Vielleicht lehnt man sie auch politisch, philosophisch oder deswegen ab, weil alle immer sagen, man müsse sie gut finden. Und keiner dieser Gründe macht einen per se dämlich. Das hingegen macht das Positionieren pro Bild auf jeden Fall.
    Aber: Dass es im Alltag klappt, glaube ich sehr gerne 😀

  14. Die Aufkleber am Briefkasten wurden zumindest bei mir leider auch ignoriert.

    Sash, hat es was genutzt in die Liste eingetragen zu sein, oder hast Du das Schundblatt trotzdem bekommen?

  15. Es klappt. Und über welchen Weg auch immer man zu dem Empfinden gelangt, die Beatles seien doof, man ist vielleicht noch nicht dämlich aber man schaut schonmal danach aus 😉 Alleinstehend reicht die Beatlesfrage natürlich nicht aus, das ist mir klar. Ich kenne auch coole Beatles-Nichthörer. Daher ist dieser Test zweiteilig.
    Achja. Lustig. Habt ihr in Berlin auch diese Bild-Reklame, die hier in Hamburg überall rumhängt? Ein scharf geschossenes Portrait von den widerlichsten Promis der Nation und dazu eine Handgeschriebene Notiz darüber, was ihrer Meinung nach so toll an dieser Zeitung sei. Kotzwürg.

  16. @lichterspiele:
    Bei mir hat es geklappt. Roter Umschlag war natürlich da, aber keine BILD.

    @Kontertanz:
    Ja, in seiner Zweiteilung ist der Test gut 🙂
    Und die Werbung haben wir natürlich. Die haben hier ihr Hauptquartier, wir kriegen das wahrscheinlich immer zuerst ab. Und wenn es ganz schlimm kommt, dann nutzen sie ihr Hochhaus als Werbefläche. Das allerdings ist extrem selten!

  17. Maik

    Kontertanz, Menschen die darüber urteilen mögen wer seine DNA in den Genpool zukünftiger Generationen fließen lassen sollte, sehen sich selbstredend auch als die besseren Menschen, denn ihnen steht es freilich zu zu urteilen … Man ist das stumpf!

  18. @Maik:
    Nun ja, wir kategorisieren unsere Gegenüber alle ein. Und wer hält nicht einige Menschen für offensichtlich blöd. Insofern würde ich da jetzt kein Fass aufmachen, der Seitenhieb zum Darwin-Award und seinen Bewerbern passt doch eigentlich ganz gut.

  19. gala

    Man was bin ich froh, dass ich trotz vergessenen Aufklebers diesen Müll net hatte… Genau wie niemand anders bei uns aus dem Dorf 😉
    Der Bote hat sich geweigert… Worüber ich auch ganz froh bin. Nur eine alte Dame hat sich beschwert, dass sie die nun doch bekommen hat.
    Der Rest war nur glücklich 😉

  20. @gala:
    Klingt nach einem netten Dorf 🙂

  21. Ich habe meinen Widerspruch für meine Privatadresse zwar pünktich abgeschickt, aber sie kiegen Dich ja doch…
    Konnte gar nicht so schnell gucken, da hat mir der Briefträger die BILD auf den Tresen meines Ladens geworfen, quasi wie in einen amerikanischen Vorort-Garten, während ich in einem Kundengespräch war, und ist ungewöhnlich schnell und wortlos wieder verschwunden. Der hatte offensichtlich Sorge, er muss sie wieder mitnehmen! Hinterher schmeissen hätte auch nicht mehr gereicht 😉

  22. @Mobilfunkfachverkaeuferin:
    Man muss es ja auch nicht übertreiben. Die Postboten waren ja offensichtlich ohnehin die Leidtragenden (wie passend!) bei dieser Geschichte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert