15. Juni 2012 · 04:57
Das seit gestern (vorgestern?) öffentlich rumliegende Intelligenzfragment mit der Bezeichnung Referentenentwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes hat mich trotz meiner weitläufig bekannten Friedfertigkeit nur nicht auf die Palme gebracht, weil die Exemplare in unserem Haushalt noch zu wenig tragfähig sind.
Etwas, dass man diesem „Entwurf“ auch nachsagen kann.
Das Leistungsschutzrecht ist wieder da und mitsamt einiger anderer blöder Ideen sorgt es bei mir so langsam für die Befürchtung, unsere Regierung weiß was, von dem wir noch nicht wissen. Irgendetwas so wichtiges, dass es jetzt völlig egal ist, was für einen Blödsinn man fordert oder umsetzt, weil es eh keine Rolle mehr spielt. Anders ist das nicht mehr zu erklären!
Aber worum geht es? Wie sich das schon anhört: Das Leistungsschutzrecht – klingt ja erst mal nicht schlecht. Leistung kann man doch mal schützen, oder?
Probleme gibt es aber sowohl mit der Idee des Leistungsschutzrechtes an und für sich – als auch mit dem jetzt vorliegenden Entwurf.
Die Idee:
Ich habe mich mit der Idee vor einiger Zeit schon mal polemisch auseinandergesetzt, trotzdem auch hier nochmal:
Das Leistungsschutzrecht ist ein Wunschgesetz, das auf Initiative deutscher Zeitungsverlage auf den Weg gebracht wurde. Die Verlage stellen seit geraumer Zeit einige bis alle ihrer Texte auch online und kostenlos zur Verfügung. Das machen sie im Grunde freiwillig. Ein bisschen verdienen sie sogar daran, schließlich schalten sie beispielsweise Werbung auf ihren Websites. Viele Besucher kommen über Suchmaschinen und andere Links aus dem Internet auf die Verlagsseiten.
Das klingt soweit erst einmal nach Friede-Freude-Eierkuchen. Ist ein Text gut, wird er überall verlinkt, die Leute gehen auf die Seite der Verleger und generieren dort Einnahmen. Damit die Verleger diese Einnahmen auch bekommen, sorgt z.B. das Urheberrecht dafür, dass man fremde Texte nicht einfach woanders veröffentlichen darf.
Nun haben die Verleger aber ein Problem: Das Geld, das sie verdienen, ist zu wenig. Statt daraus aber zu schließen, dass sie vielleicht zu schlechte Texte veröffentlichen, oder dass sie ihre guten Texte nicht mehr kostenlos vertreiben sollten, gucken die Verlage sich um und stellen fest: Mensch, andere verdienen im Internet ja ganz gut, da wollen wir auch was davon.
So zielten die ersten Ideen auch hauptsächlich darauf, große Suchmaschinen dafür zahlen zu lassen, dass diese mit kleinen und automatisch generierten Textstückchen (so genannte „Snippets“) auf die Seiten der Verlage locken. Das ist so, als würde ich in meinem Taxi den Kunden einen Werbeflyer eines Hotels geben und sagen: „Übernachten sie dort!“ Am Hotel angekommen würde der Portier dann zu mir sagen: „Danke für den Kunden, ich bekomme jetzt noch 50 Cent dafür, dass sie unseren Werbeflyer verwendet haben.“
Würden wir diese Logik zur Staatsraison erklären, wäre Deutschland die erste formelle Idiotie des Planeten!
Die Verlage nutzen dabei eine kleine Lücke im Urheberrecht, die zum einen Zitate eines urheberrechtlich geschützten Textes in einem eigenen Kontext erlaubt, zum anderen aber auch die Snippets, die bisher schon wegen ihrer Länge und der damit einhergehenden geringen „Schöpfungshöhe“ niemals zu beanstanden waren. Zu Recht, denn solche Kurzausrisse können ja allenfalls genutzt werden, um überhaupt auf einen Text aufmerksam zu machen – und im Internet ist Aufmerksamkeit dank visit- und klickbasierter Bezahlung bares Geld wert!
Der aktuelle Vorschlag:
Der vorliegende Entwurf bestätigt nun eigentlich alles, was man dem Leistungsschutzrecht von Vornherein unterstellt hatte. Neben o.g. Idiotie wäre das vor allem das Schaffen einer größeren Rechtsunsicherheit im Umgang mit Pressetexten.
Es fängt damit an, dass der Entwurf bei strenger Auslegung einen Verstoß nunmehr schon bei winzigen Textfragmenten, mitunter einzelnen Worten oder Wortkombinationen sehen würde. Unklar ist dabei z.B., inwiefern wenigstens eine Überschrift in einem Hinweis eingebettet sein dürfte oder was ist, wenn man einen Text verlinkt, der um bei Google gefunden zu werden (sic!) die volle Überschrift in der Link-URL enthält.
Suchmaschinen – die naturgemäß keine eigenen Texte zu Suchergebnissen verfassen und damit nicht unters Zitatrecht fallen, könnten künftig theoretisch alle Verlinkungen auf leistungsschutzrechtlich gesicherte Texte unterlassen, weil ihnen sonst eine Abmahnung droht.
Der zweite große Stolperstein ist das „gewerblich“ im Text. Das Ganze gilt „natürlich nur für gewerbliche Nutzer“. Aber die Unterscheidung zwischen privat und gewerblich ist bei Blogs z.B. seit langem ein Streitthema. Ein Flattr-Button, eine Werbeeinblendung – und wenn sie nur 2,12€ im Monat einbringen – können schon einen gewerblichen Blog ausmachen und sollen es nach dem aktuellen Entwurf auch. Aber es geht noch weiter: Man kann auch unkommerziell bloggen, es aber dennoch gewerblich tun, wenn man sich beim Bloggen mit seinem normalen Beruf beschäftigt. So gesehen könnte mein Taxiblog GNIT als gewerblich gelten und ich nicht nur als Nutzer von Pressetexten abgemahnt werden, sondern meinerseits für meine Texte das Leistungsschutzrecht in Anspruch nehmen und Leute abmahnen, die die Artikel von mir via Facebook (zu meinem Nutzen!) weiterverbreiten. Doch wie unterscheidet man, welche Texte privat sind oder nicht? So fragt Kai Biermann auf zeit.de auch:
„Wobei sich natürlich die Frage aufdrängt, wie der Leser eines Blogtextes wissen soll, ob der Autor zu den gleichen Themen auch als Journalist arbeitet. Zumindest wenn der Autor nicht so bekannt ist wie eben Stefan Niggemeier.“
Ob dieses Zitat nach dem Leistungsschutzgesetz legal ist? Keine Ahnung! Derzeit ist es durchs Zitatrecht gedeckt. Rechtsanwalt Thomas Stadler weißt in seiner Kurzanalyse darauf hin, dass die Gesetzesbegründung sich ausdrücklich auf ein BGH-Urteil zu Tonträgern beruft, das „kleinste Tonfetzen“ bereits als schützenswert sieht.
Udo Vetter weist zuletzt noch darauf hin, dass die zu erwartenden Abmahnwellen zumindest indirekt dafür sorgen dürften, dass die Menschen sich weniger zu veröffentlichen trauen und vor allem scheuen werden, aufgrund dieser unklaren Rechtsfragen über geschützte Zeitungstexte zu reden und sie ggf. öffentlichkeitswirksam zu kritisieren – dass also quasi über die Hintertür auch noch in die Meinungsfreiheit eingegriffen wird.
Fazit:
Als Fazit kann ich als Blogger schonmal sagen, dass mir diese Idee auf den Zeiger geht. Viel wichtiger aber ist, was dieses Leistungsschutzrecht, wenn es denn so oder so ähnlich kommen sollte, gesamtgesellschaftlich bewirken würde. Und da das Konstrukt bereits die Wort gewordene größte anzunehmende Blödheit zwischen zwei Buchdeckeln darstellt, sehe ich da schwarz. Nico Lumma beispielsweise schreibt, dass das Leistungsschutzrecht als einziges recht gut erkläre, warum in Deutschland keine finanzstarke Internet-Elite existiert. So kann man es auch sagen.
Peinlich daran wird vor allem werden, dass im Falle eines Durchkommens dieses Entwurfes erstmal reihenweise die Einnahmen der Verlage selbst sinken würden, falls haufenweise Blogger und Google – und das kann man allen, auch dem Unternehmen, eigentlich nur empfehlen – es fortan unterlassen würden, auf geschützte Texte hinzuweisen. Aus Angst vor Abmahnungen. Eine interessante Idee hatte dazu @donaupiratin auf Twitter:
„[…] dass das #lsr sich gar nicht gegen das Internet, sondern gegen kleine und mittlere Zeitungsverlage richtet?“
Eine gar nicht so dumme Idee, wobei es sich im Endeffekt nichts schenkt, wer an Lizenz- oder Abmahngebühren wegen kleiner Textfragmente pleite geht: Blogger oder Lokalzeitung.
Wie so oft bei schwarz-gelben Ideen zum Internet wäre das Ergebnis möglicherweise verheerend und keineswegs so harmlos, wie es Christopher Keese, seines Zeichens einer der Hauptbefürworter des Ganzen aus dem Axel-Springer-Verlag, unter presseschauder.de munter verkündet: Dass das ja eigentlich voll toll sei, schon alleine weil Blogger damit jetzt ja auch was verdienen könnten.
Die meisten Geldverschiebungen dank dieses Gesetzes werden sich aber sicher nicht aufgrund irgendwelcher Lizenzen für Texte ergeben, denn die meisten Nennungen von Texten erfolgen im Rahmen einer Kritik oder eines Hinweises, wer kauft sich dazu den ganzen Text? Das Internet bedient sich in solchen Fällen gerne und völlig zurecht kommentierter Verlinkungen! Nein, verdienen an der Sache werden in erster Linie Anwälte, die an harmlose Blogger horrende Abmahnungen wegen lächerlicher Zitate verschicken, mit denen die Verleger ohnehin Geld verdient haben.
Die Verlage überschätzen ihre Relevanz maßlos und glauben, es sich erlauben zu können, auf die paar wenigen Leute zu zielen, die sie für wichtig erachten und unterstützen. Der Schuss wird (auch) nach hinten losgehen und dann ist das Geschrei unter den jetzt so siegessicheren Arschgranaten umso größer!
Lieber lasse ich mir kostenlos ins Taxi kotzen, als diese Gesetzesentwurfsscheiße gutzuheißen!