Scheiß Piraten!?

Ich habe sehr großen Respekt vor der Piratenpartei. Das muss ich einfach mal wieder – und zwar jetzt mehr denn je – erwähnen.

Gerade dass sie so vielen Angriffen von allen Seiten ausgesetzt sind, amüsiert mich eher. Ich würde nie behaupten, dass ich restlos alles toll finden würde, was in den Reihen der Piraten so passiert – viel bedenklicher finde ich jedoch, dass man viel von der hochgewirbelten Scheiße in anderen Parteien gar nicht erst mitkriegt. Da poltert in irgendeiner Piraten-Ortsgruppe ein neu beigetretener Neonazi bei einem Treffen rum und schon vergessen die Medien, dass in anderen Parteien teilweise Altnazis auf mehrere Jahrzehnte Karriere zurückgucken konnten, bis sie – wenn überhaupt – mal ausgeschlossen wurden. Mit anderen Worten: Man zeige mir mal eine Partei, mit der man sich zu hundert Prozent identifizieren kann! Das ist ja noch nicht einmal Zweck einer Partei!

Ein besonders schönes Beispiel für so aufgebauschte Kleinigkeiten ist z.B. das gerade in Berlin stattfindende Refugee-Camp am Brandenburger Tor. Einige Flüchtlinge weisen mit einem Hungerstreik an zentraler Stelle darauf hin, dass der Umgang mit Asylsuchenden in Deutschland menschenunwürdig ist. Vor einiger Zeit hab ich vor dem Hintergrund eines Gerichtsurteils bereits etwas über die grundsätzlichen Probleme geschrieben. Traurig und beschämend, dass es in diesem Land heutzutage noch notwendig ist, zu solchen Mitteln zu greifen. 🙁

Nun aber – glaubt man den vielen Stimmen in Netz und Presse – ist etwas ganz schlimmes passiert: ausgerechnet die Piraten nehmen sich als Unterstützer der Flüchtlinge an. Mehrere teils prominente Parteimitglieder sind unter vielen anderen vor Ort, versorgen die Leute mit Getränken und helfen ihnen beim Umgang mit der Polizei, die die genehmigte Demonstration zwar prinzipiell gewähren lässt, dennoch aber die Situation ständig verschärft, indem sie beispielsweise trotz klirrender Kälte den Leuten Klamotten, Planen und Pappe wegnimmt, damit sie nicht trocken sitzen können. Alles rechtlich irgendwie machbar, da ja nur eine Demonstration, nicht aber ein Campieren erlaubt ist. Trotzdem unverantwortlich und scheiße!

Aber gut. Gegen die Solidarisierung mit den Flüchtlingen will keiner ernsthaft was gesagt haben, aber das mit den Piraten sei schon eher nicht so gut. Warum? Na, weil sie die armen Leute ausnutzen, um sich zu profilieren. Damit aber nicht genug. Es geht auch genau andersrum: Während sich die Linke und die Grünen gerade mal zu kurzen Anstandsbesuchen am Camp für freudiges Posieren vor der Kamera herablassen konnten, finden es so manche Journalisten plötzlich schlimm, dass der politische Geschäftsführer der Piraten, Johannes Ponander, nicht selbst vor Ort sei. Und nicht zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass der medienkritische Schachzug „tits4humanrights“ (über die hervorragende Aktion mehr hier.) jetzt auch in der Kritik steht, weil Medienkritik nunmal nichts mit der Sache zu tun hätte und den armen Menschen, die da frieren, nur schaden würde.

Mal ganz ehrlich: Geht’s noch?

Ich mache hiermit im Grunde gerade auch den Fehler, eher über die Aktion der Piraten und die Kritik daran als über die Flüchtlinge selbst zu schreiben. Vielleicht sollte ich das nicht tun. Im Grunde ist es lächerlich, über die Berichterstattung pro/contra einer Partei zu schreiben, wo doch dahinter viel größeres Unrecht zu finden ist.

Aber das ist nicht richtig. Zum einen lenkt das Interesse an den Piraten ja tatsächlich die Augen der Öffentlichkeit auch auf das Problem der Demonstranten – und ich finde es eigentlich umso bewundernswerter, dass sich Parteipolitiker ungeachtet eventuell negativer Kritik an so einer Aktion beteiligen.
Zum anderen gibt es immer wichtigere Dinge. Immer. Und ebenso wie der Lokalteil einer Zeitung eine Daseinsberechtigung hat, kann man auch mal über die Berichterstattung zu den Piraten was schreiben, obwohl einen im Grunde das dahinterliegende Problem der Flüchtlinge noch mehr aufregt.

Während ich das veröffentliche, „genießen“ die hungerstreikenden Flüchtlinge eine von der Polizei genehmigte Ruhepause von nicht ganz vier Stunden. Weiterhin ohne Decken, Schlafsäcke, Regenschutz oder dergleichen. Anbei ein paar Unterstützer, die aufpassen, sich um alles mögliche kümmern und für Öffentlichkeit sorgen. Was schlecht gefunden wird, weil ein paar davon Piraten sind. So ist das hier im weltoffenen Deutschland.

2 Comments

Filed under Medien, Politik, Vermischtes

2 Responses to Scheiß Piraten!?

  1. Opa Hans

    Wenn ein halbwegs bekannter Mensch etwas Gutes unterstützt, gibt es immer ein paar Deppen, die krähen:“Der will sich doch nur profilieren!“ Letztlich ein Ausdruck bösartiger Kleinkariertheit und dummdreister Versuch, das schlechte Gewissen über die eigene Passivität zu übertönen.

  2. @Opa Hans:
    Wunderbar auf den Punkt gebracht!

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