„Ein bisschen unfair …“

sei mein gestriger Eintrag gewesen, mein kleiner Rant zum 11. September. Das war eine von mehreren nicht offen über die Kommentare kommunizierte Reaktion. Nicht zu Unrecht, das muss ich ja zugeben.

Aber ich glaube, die meisten der Leute, die unbedingt auch hier noch den letzten Senf, den ich von mir zu geben gedenke, lesen wollen, wissen mich ganz gut einzuschätzen. Eine Polemik wie den Text gestern schreibe ich vor allem dann, wenn mir einfach mal wieder zum Kotzen zumute ist. Ich bin so oft und so gerne auf der Suche nach Konsens und Kompromiss im Netz unterwegs, dass schon der ein oder andere Pazifist zum Kotzen den Raum verlassen hat. Aber ja, wenn man tagein, tagaus ständig von Scheiße erdrückt wird, braucht man auch mal ein Ventil.

Im Normalfall tendiere ich dazu, meine politischen Kenntnisse als zu niedrig einzustufen. Da taucht ein Thema auf und ich lese. Diese Meinung, jene Meinung. Dazu Faktenchecks, Metaanalysen, manchmal aber eben auch nur zwei Artikel, die mir gerade in den Feed geflogen sind. Auf der Basis fühle ich mich nicht unbedingt informiert genug, bei irgendwas mitreden zu können.

Und während ich darüber nachdenke, ob ich 200 halbwegs freundlich gesinnten Hardcore-Fans eine unausgegorene Meinung zumuten kann, kommen massenmedial verbreitet eine Horde Flachpfeifen angetanzt, deren Erkenntnisstand scheinbar nicht übers letzte Fix-und-Foxi-Heft raus ist, in dem zufällig auch mal ein ähnliches Wort aufgetaucht ist wie das, über das gerade geredet wird.Das kann einen echt fertig machen.

Und die letzten Wochen und Monate waren da echt kein leichtes Pflaster. Dass ich gestern die CDU-Wählerschaft mit Al-Qaida in einen Topf geworfen hab, ist dreist gewesen. Im Gegensatz zu den meisten CDU-Wählern weiß ich aber eben, dass unsere Regierung derzeit zumindest für uns hier in Deutschland eine weit größere Gefahr darstellt als die paar Bombenbastler mit ihren Wahnideen. Ja, natürlich: Bomben töten Menschen und geben außerdem verdammt gute Bilder ab, die „Gefahr, Gefahr!“ schreien. Da haben sie natürlich einen Vorsprung vor den gefalteten Händen unserer Kanzlerin.
Aber worüber wollen wir reden? Über die Geheimdienste, die längst abgespeichert haben, welche politische Meinung wir haben und welche Pornos wir gerne sehen? Über die Menschen, die vor Europas Grenzen verrecken, weil wir uns für was besseres halten und denen das nicht auch noch gönnen wollen? Wollen wir darüber reden, dass engagierte Dienstleister wie ich einen Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde noch für ein Geschenk halten würden?  Wollen wir mal klären, weswegen ausgerechnet ein ganz bestimmter imaginärer Freund namens Gott uns besser macht als die Freunde des gleichfalls absurd-dämlichen Kumpels Allah? Wollen wir uns auf eine Diskussion einlassen darüber, dass unsere Kanzlerin die Worte „ich tue mich persönlich schwer damit“ für ein Argument hält, gleichgeschlechtlichen Partnern die Adoption eines Kindes zu verweigern?
Vielleicht reden wir aber auch lieber über das Leistungsschutzrecht, das Euch zu Kriminellen macht, wenn Ihr diesen Text weiterverbreitet (das ist seit kurzem ganz von meiner Laune abhängig …).

So leid es mir für die bekloppten Krieger im Namen Allahs tut: All das hat mehr Einfluss auf das Leben hier als deren Bomben. Selbst, wenn sie irgendwann einmal hier explodieren sollten.

Ich weiß, dass unsere Gesellschaft Fortschritte macht. Und ich akzeptiere auch, dass das in einer Demokratie bisweilen langsamer vonstatten geht, als ich mir das wünschen würde. Aber ja: Ebenso wie die ewiggestrigen Taliban kotzen mich die Leute an, die Misstände nicht nur ignorireren, sondern auch legitimieren, indem sie – einfach weil es sich gut anfühlt – wählen, was sie (oder ihre Eltern) schon immer gewählt haben.

PS: Ich habe immer noch nicht einmal daran gedacht, eine Partei zu wählen, nur weil ich mir einen persönlichen Vorteil davon verspreche. Sicher, im ein oder anderen Fall mag das ein Nebeneffekt gewesen sein – aber wenn es nach mir geht, bin ich eigentlich so zufrieden, dass es Euch wehtun müsste. Nur kann ich im Gegensatz zu den Leuten, die Angela Merkel toll finden, immer noch über meinen eigenen Tellerrand hinaussehen.

Aber damit bin ich wohl in der Minderheit.

8 Comments

Filed under Politik, Vermischtes

8 Responses to „Ein bisschen unfair …“

  1. Was will man zu so einem Text noch sagen…?

    Kann man nix zu sagen. Ausser: Unterschreib ich!

  2. Wahlberliner

    Ich muss ja jetzt doch noch mal in die Richtung sticheln, dass der Vergleich des Stereotyps „CDU-Wähler“ und „Bombenleger“ aus meiner Sicht zumindest auf einer Stufe berechtigt erscheint – ich glaube nicht an den Terrorismus, dessen Gefahr man uns immer weis machen will. Und akzeptiere im Zweifelsfall auch, weil ich dies öffentlich (wenn auch Pseudonym, aber das dürfte ja nur noch für die lesende Öffentlichkeit gelten) kundtue, ein Teil der dafür verantwortlichen Randgruppe zu sein, dass mitunter ein weiterer Terroranschlag (vielleicht nicht ganz so aufwändig wie der 11. September vor 12 Jahren) inszeniert wird, damit doch möglichst viele daran glauben, dass es diese Bedrohung gibt. Ich glaube auch nicht an irgendwelche Religionen, aber daran, dass Terroranschläge mit Kalkül von Leuten durchgeführt werden, die damit etwas ganz bestimmtes erreichen wollen. Also schaut man „Qui bono“, und sieht, dass sowohl beim 11. September, als auch bei den auf deutschen Bahnhöfen gefundenen Dilettantenbomben oder Sauerlandbombern und was es da noch so für Vorkommnisse gab, immer der Machtkomplex, zu dem auch eindeutig eine CDU (bzw. zumindest deren innerer Kreis – wobei sich das auch über die meisten anderen großen Parteien sagen lässt) gehört, den größten Nutzen hat.
    Sei es mehr Öl, mehr Überwachung der Bevölkerung, oder die Kostenvermeidung einer Asbestsanierung, oder mehr Überwachung, Wirtschaftsförderung der Rüstungsindustrie, Wirtschaftsförderung der Überwachungsindustrie, und natürlich auch mehr Überwachung.

    Ich denke sogar, dass selbst die RAF künstlich militarisiert worden ist, bzw. man einige Idioten gefunden hat, die Gewalt toll fanden, die man dann mit den Mitteln ausgestattet hat, zum medial wahrgenommenen „Kopf“ einer eigentlich friedlich intendierten links gerichteten Studentenbewegung zu werden, weil diese ansonsten (ohne die Gewalt) in der Bevölkerung schlicht zu viel Sympathien erhalten hätte, was den etablierten Machtkomplex in Gefahr gebracht hätte.

    Nein, an Terror, wie er in den Medien dargestellt und den Menschen davor Angst einzujagen versucht wird (damit sie sich freiwillig und gerne mehr überwachen lassen) glaube ich schon lange nicht mehr. An Terror aus der Ecke des „militärisch-industriellen Komplexes“ (oder wie man auch immer dessen Pendant heutzutage nennen mag) unter falscher Flagge kann ich glauben. Diese Leute sind ja auch perfide genug dafür.

    Deshalb ist diese Gleichstellung meines Erachtens sogar sinnvoll, wenn ich auch die Wähler dieser Parteien selbst eher als die an der Nase Herumgeführten betrachte.

  3. hrurururur

    Ich glaub, ich guck hier erst nach der Wahl wieder rein. Dieses gegenseitige Gepushe geht mir in den anderen Medien schon auf den Sack.

    Man kann sich drüber aufregen, wenn Menschen sich nicht darüber im Klaren sind, wie wertvoll FREIE Wahlen sind oder dass sie sich nicht informieren. Oder meinetwegen über den besseren imaginären Freund streiten. Aber das nur bei einzelnen Gruppen zu tun, finde ich nervig. Vor allem in der Wortwahl.

    Du nimmst auch sonst kein Blatt vor äh den Bildschirm, aber andere wegen ihrer Meinung runterputzen ist sonst in deinen Blogs nicht deine Art.

    Und nein, ich bin weder ein Fan der Raute der Macht, noch religiös. Ich finde lediglich, dass das keine Diskussionskultur ist, der ich beiwohnen möchte. So ein Stammtischniveau hast du nun wahrlich nicht nötig.

    Bis in zwei Wochen 🙂

  4. @Torsten Bentrup und Kat:
    Danke. 🙂

    @Wahlberliner:
    -.-

    @hrhrurur:
    Das ist natürlich Deine freie Entscheidung. Aber natürlich rede ich über bestimmte Gruppen. Wie alle anderen auch. Schließlich geht es nicht immer nur ums große Ganze oder den theoretischen Überbau, sondern auch um einzelne Vertreter bestimmter Gruppen.
    Nicht ohne Grund gehört es inzwischen weitgehend zum gesellschaftlichen Konsens, dass man sich über Nazis lustig machen und sie ärgern darf. Aber ja, mir gehen auch andere auf den Zeiger, so ist es halt.

  5. elder taxidriver

    Friedrich Nietzsche meint:

    ‚Bei einem längeren Gespräch wird auch der Weiseste dreimal zum Narren und einmal zum Tropf‘.

  6. elder taxidriver

    Das ist nicht speziell für diesen oder den vorigen Sash-Beitrag gedacht , sondern ist eine Art Generalamnestie für alle, die sich an solchen Diskussionen beteiligen.

  7. hartmut

    „[…] deren Erkenntnisstand scheinbar nicht übers letzte Fix-und-Foxi-Heft raus ist, in dem zufällig auch mal ein ähnliches Wort aufgetaucht ist wie das, über das gerade geredet wird.“

    Schönste Umschreibung für Dunning-Kruger die ich vermutlich jemals lesen durfte … mein Tag ist gemacht 🙂

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