28. Oktober 2013 · 10:55
Vorwort:
Manche werden das hier sicher missverstehen. Als ob ich mir auf meine soziale Ader einen runterholen würde oder dergleichen. So ein Bockmist! Dafür hab ich immer noch Pornos en masse!
Blogeintrag:
Ich bin gerade einkaufen gegangen. Wie ungefähr zweimal täglich. Der Laden liegt direkt vor meiner Haustüre, eine genauere Planung, einen Wocheneinkauf oder etwas derartiges brauche ich nicht. Ich bin sowieso immer da.
Heute war da ein neues Gesicht. Vor dem Laden. Die innen kenne ich alle schon. Die Festangestellten, die Zeitarbeiter, die Securities. Mein Block, mein Block – hier macht mir keiner was vor!
Vor dem Laden stand nun eine Verkäuferin eines Obdachlosenmagazins. Nicht die erste, das hatten wir schon öfter hier. Ist ja nicht so, dass die Armut in den Randbezirken weniger werden würde. Sicher, die Mieten sind niedrigen – aber sonst?
Ich lese die Zeitungen – ob nun Motz oder Straßenfeger – tatsächlich immer mal wieder. Im Gegensatz zu meiner alltäglichen Quelle – dem Internet – sind sie natürlich mies. Andererseits hab ich auch schon „Qualitätsjournalismus“ mit erheblich niedrigerer Latte wahrgenommen. Aber egal. Heute hatte ich frei, ich wollte nur …
Ja, verdammte Kacke! Ich wollte mir eigentlich nur einen halben Kasten Bier holen. Inzwischen wieder gesund, nach einer Woche voll interessanter Arbeit, mit guter Laune und der Vorfreude auf ein einfach lockeres Wochenende. Und währenddessen bin ich einfach so beschwingt an einer jungen Frau vorbeigegangen, die wahrscheinlich nichts davon in näherer Zukunft haben wird. Während ihre „Arbeit“ darin besteht, mich anzugrinsen – auch wenn ich ihr noch so unsympathisch bin … verlinke ich hier – zack! Schon wieder! – meine Wunschliste auf Amazon und irgendwer von Euch hat Mitleid und bestellt mir irgendein Luxusgut.
Ich finde das ok, ich bin statistisch gesehen immer noch arm und ich versuche Euch dennoch zu unterhalten. Ein schlechtes Gewissen hab ich nicht unbedingt. Auf der anderen Seite bin ich so weit weg von der jungen Frau gewesen, dass ich es nicht mit mir – und o.g. Gewissen – vereinbaren konnte, mit meinem Proll-Einkauf einfach so von dannen zu ziehen.
Scheiße, vielleicht komme ich in „finanzielle Schwierigkeiten“ am Ende des Monats. Ich weiß es noch nicht, aber es sieht dank meiner Krankheit verdammt danach aus. Aber meine „Schwierigkeiten“ sind ein Scheiß! Ich werde nicht aus meiner Wohnung fliegen, nicht meinen Job verlieren, auch nicht meine Frau oder sonst einen relevanten Teil meines Lebens. Auch wenn es auf dem Papier mal wieder aussieht, als sei ich der nächste Amokläufer, der nichts zu verlieren hat.
Mir geht es doch eigentlich gut!
Also hab ich meinen halben Kasten Bier bezahlt. Und eine Tüte Chips noch dazu. Chips! Überlegt Euch mal, wie scheiße priviligiert man sein muss, um sich Chips zu kaufen! Lebensmittel, die einen längerfristig umbringen, aber an dem Abend einfach mal lustig den Magen voll machen …
Als ich rausgegangen bin, stand die Frau noch immer da und hat ihr Magazin feilgeboten. Wohlwissend, dass in Marzahn kaum jemand sich dafür interessiert, dass irgendwer anders noch ärmer ist als man selbst.
Ich bin zu ihr hingegangen, hab ihr konspirativ einen Zehner in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich trotz alledem die Zeitung nicht brauchen würde.
Ein Zehner ist scheiße viel Geld in meinem Universum. Ich arbeite dafür locker eine bis drei Stunden. Je nachdem, was ich gerade mache. Oder, um es ehrlich zu sagen: Ja, diese Spende hat mir wehgetan! Das Geld wird mir irgendwo fehlen, ich werde mir vielleicht irgendwann irgendwas nicht kaufen können deswegen. Ich hatte das nicht übrig, ganz ehrlich!
Aber ich habe es einer jungen Frau gegeben, für die diese zehn Euro vermutlich noch viel mehr waren. Ja, sicher: Ich hab sie damit nicht gerettet oder sonst irgendwas essentielles finanziert. Vielleicht habe ich nur ihren Arbeitstag um eine halbe Stunde verkürzt, vielleicht „nur“ ihren Umsatz um 10% erhöht. Vielleicht hab ich sogar einen völlig unbedeutenden Beitrag zu gar nichts geleistet. Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht und ich kann nur hoffen, dass es was gebracht hat.
Aber was wäre ich für ein Arschloch, würde ich Menschen vorschreiben wollen, was sie mit geschenktem Geld tun sollen!