Monthly Archives: Oktober 2014

Unendliches

Wie ich ja schon öfters erwähnt habe, fröhne ich seit meinem Einnisten in der Blogosphäre auch wieder meinem liebsten Kindheitshobby – der Astronomie. Nach wie vor nur als Zuschauer, bzw. Leser, aber das ist ok. Teleskope sind teuer, in Raumanzügen sehe ich fett aus und in Berlin findet sich selten eine sternklare Nacht. Da ist das Internet doch hochwillkommen. Und es tut sich einiges da draußen; gerade und in nächster Zeit.

In zwei Wochen, an meinem Geburtstag (12.11.) wird beispielsweise die Rosetta-Sonde (über die hab ich hier schon mal geschrieben) ihren Lander Philae auf dem Kometen Tschurjumov-Gerasimenko absetzen.

Kurz davor wird Alexander Gerst, der derzeitig einzige Deutsche im All, die ISS wieder verlassen. Was außerordentlich schade ist, denn seinem Twitter-Account zu folgen, war eine wahre Freude in den letzten Monaten. Kaum einer hat je glaubhafter gesagt, dass er die Rückwärtssalti beim Zähneputzen vermissen wird. 😉
Noch humorvoller rund ums Weltall twittert nur noch @DLR_next, das sollte man sich eigentlich auch nicht entgehen lassen.

Am aktuellsten und zugleich traurigsten ist die Explosion der Versorgungsrakete für die ISS heute Nacht. Obwohl nur Sachschaden (das aber sicher ordentlich) entstanden ist, zeigt das doch auch mal wieder, wie schwer uns die ganze Raumfahrtgeschichte noch fällt. Immerhin ging es dabei um eine fast schon belanglose Aufgabe: Zwei Tonnen Material in eine 400 km hohe Umlaufbahn zu bringen. Für sich gesehen reichlich unspektakulär. Trotzdem hat der Optimismus dieses Mal nur 6 Sekunden angehalten:

Hoffen wir, dass alles andere gut klappt.

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Wenn zwei sich streiten

… sitzt der gesunde Menschenverstand weinend in der Ecke.

In Köln ist gestern eine Demo von Hooligans gegen Salafisten eskaliert und hat damit für Schlagzeilen gesorgt. Ich, wie immer zu spät aufgestanden, hab mich gefragt:

„Hä? What the Fuck?“

Aber ja: Vereinsübergreifend hatten sich Hools verschiedener Fußballvereine zu einer Anti-Salafisten-Demo getroffen und das Ganze ist letztlich zumindest in Teilen eine Nazidemo gegen Ausländer geworden. Inklusive Krawallen und vieler vieler unschöner Szenen. Das ist natürlich scheiße, aber das ganze Sujet ist wieder einmal schwieriger als gedacht. Auch jetzt, nach vielen Stunden, komme ich über das WTF nicht hinaus.

Zum einen haben wir da den Salafismus, bzw. dessen neofundamentalistische Auslegung der heutigen Islamisten. Ein vermutlich in weiten Teilen wahnhafter Haufen Gotteskrieger, der teilweise allen Spielarten des Terrors aufgeschlossen ist, um den Planeten in die vorgestrige Zeit zurückzubomben.

Zum anderen sind da die Hooligans, doch auch hier vor allem jene, die sich innerhalb rechtsextremer Kreise bewegen oder gar auf organisierten Neonazistrukturen aufbauen.

Nun ist es schwierig, im Angesichte so großer Idiotie den größten Feind zu finden.

Hooligans an sich sind nicht zwingend rechts. Aber sie haben das Problem, dass selbst ihr ursprüngliches Weltbild (grob vereinfacht: Wir sind alle harte Kerle, kloppen uns gegenseitig und wer gewinnt, ist der King!) viele Parallelen zu rechtem Gedankengut in sich trägt und demnach von Neonazis prima instrumentalisiert werden kann und hier wohl auch wurde. Trotz allen Ehrenkodizes, die es vielleicht zur Gründungszeit der Gruppen mal gegeben haben mag.

Und dass die heutigen Salafisten den Islam so auslegen, dass die Ungläubigen getötet werden müssen, ist leider auch nur schwer zu verhindern, denn wie (zumindest fast) jede Religion tendiert auch der Islam zu einer deutlichen Abgrenzung zwischen Gläubigen und Ungläubigen, was den Fundamentalisten immer irgendwie als Rechtfertigung für dieses oder jenes herhalten kann.

Und so gesehen ist es in meinen Augen absolut verständlich, gegen den Islam – und noch spezieller gegen die Salafisten – zu demonstrieren. Darüber hinaus ist es aber auch ebenso grundsätzlich falsch, dass sich irgendein Nazi oder auch nur Hool zum vermeintlichen Rächer aufschwingt.

Da es nach mehreren Jahrzehnten schlechten Fernsehprogramms ja offenbar immer eine schwarz-weiß-Entscheidung geben muss, möchte ich einen Lösungsvorschlag in den Raum werfen:

Sowohl Nazi-Hooligans als auch Salafisten sind uneingeschränkt scheiße. Und als Gegenentwurf möchte ich ein atheistisch-humanistisches Weltbild anbieten. Ob man Leuten den Tod an den Hals wünscht, weil sie an was anderes glauben oder eine andere Hautfarbe haben, ist egal – man ist in beiden Fällen ein Idiot.

Und als humanistischer Atheist kann man zumindest versuchen, weder ein Idiot noch ein Arschloch zu sein. Ich kann mit Hooligans prima leben, so lange sie sich untereinander kloppen. Ich finde das nicht toll oder erstrebenswert, aber im Grunde mit der persönlichen Freiheit vereinbar. Ich kann auch mit Moslems oder sogar Christen leben, so lange sie sich nur selbst ihrem eigenen Wahn unterwerfen. Ich finde das auch völlig bescheuert, aber so lange sie ihrer tatsächlich existenten Umwelt nicht zu sehr auf den Zeiger gehen, gönne ich ihnen diese Marotte. Ich kann grundsätzlich der Freund jedes Menschen auf diesem Planeten sein und bin das eigentlich auch, so lange er sich nicht dadurch disqualifiziert, dass er Fremden seine persönlichen Macken zur Vorschrift machen will. Ob das nun ein Ungläubiger ist oder die eigene Ehefrau.

Religion und Rassismus sind zwei fast annähernd gleich dumme und inzwischen überholte Gedankenkonstrukte, die der Welt schaden. Und sie schenken sich nichts. Wo die Religiösen an der Macht sind, morden und foltern sie und schließen Menschen aus ihrem Rechtssystem aus (nur als Beispiel: Homosexuelle). Und wo die Rassisten an der Macht sind, werden „Fremde“ getötet. Manchmal auch nur passiv, man sehe sich nur die Flüchtlingskatastrophen an den Grenzen der EU an.

Nun, gestern in Köln gab es keine direkte Auseinandersetzung zwischen Nazis und Salafisten, sondern nur Nazis. Dementsprechend verurteile ich, was dort passiert ist. Bei einem Aufeinandertreffen hätte ich vermutlich beiden nur viel Spaß gewünscht …

(Ja, man wird vielleicht etwas zynisch bei so vielen Idioten um einen herum …)

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Wenn nicht schön schön ist.

Eingang zum KZ Sachsenhausen, Quelle: Sash

Eingang zum KZ Sachsenhausen, Quelle: Sash

Es ist lange her, dass ich das letzte Mal eine KZ-Gedenkstätte besichtigt habe; gerade stelle ich sogar fest, dass es inzwischen 17 Jahre sein müssten. Damals war das Dachau, gestern dann war es Sachsenhausen.

Eine ziemlich spontane Entscheidung, den intrafamiliären Ausflug mitzumachen. Eigentlich hatte ich viel zu wenig Schlaf, aber ich habe es nicht bereut. Obwohl ich mich selbst zwar durchaus für ganz gut informiert übers Dritte Reich halte, war der Besuch alles andere als nur informativ. Obwohl ich mich durchaus mit Schaudern an die durch die weißen Kiesel so unfassbar unpassend und dadurch verstörend blendende Atmosphäre in Dachau erinnern kann, habe ich gestern neben den überwältigend vielen Detailinformationen zum Lager selbst auch wieder mal ein wenig über mich gelernt. Denn ja, man wird älter und im besten Falle auch das, was gemeinhin „weiser“ genannt wird.

Natürlich ist mir die Unmenschlichkeit der Nazizeit immer schon ein Begriff gewesen und ein guter Teil meiner Überzeugungen auch als Nachgeborener speist sich aus dem Wissen, dass kaum etwas schlimmer wäre als eine Wiederholung dieser Barbarei. Tatsächlich aber ist mir dieser Besuch mehr als alle vorhergehenden vergleichbaren unter die Haut gegangen. Nun bin ich kein Psychologe, aber ich glaube, dass das insbesondere daran liegt, dass ich im Vergleich zu früher wesentlich mehr mit dem Wesen des Todes anfangen kann, da ich inzwischen ja selbst einige Familienmitglieder verloren habe. Das alles hab ich gut weggesteckt, aber ich glaube, irgendwie verändert sowas dann doch. Mir jedenfalls ist beim Anblick eines Portraits eines Verstorbenen inzwischen anders zumute als das noch vor 10 Jahren der Fall war. Und an Portraits Verstorbener mangelt es ja keiner Gedenkstätte für Naziverbrechen.

Obwohl wir gestern ohne Führung und ohne Infomaterial einfach reingelaufen sind, kann ich Sachsenhausen eigentlich nur Bestnoten verteilen. Eine gleichermaßen würdige Gedenk- wie auch informative Lehrstätte! Natürlich wären zur vollständigen Erfassung mehrere Tage notwendig gewesen, aber ich schätze, die Informationsflut ist Teil des Konzepts – zumindest fände ich es legitim zu sagen, dass niemand nach ein paar Stunden aus einem ehemaligen KZ kommen sollte und der Meinung sein, jetzt ja alles verstanden zu haben und alles zu wissen. Alles wissen über jahrelanges Leid von 200.000 Menschen, wie anmaßend das auch wäre!

Abgesehen von der tollen Umsetzung des Ganzen bleibt vor allem die Erkenntnis, dass der Ausflug nach Sachsenhausen genau deswegen schön war, weil er weit davon entfernt war, schön zu sein. Es war bedrückend in jeder Hinsicht, aber ich glaube, dass das vielleicht auch so sein sollte.
Auf dem Gelände waren natürlich unzählige Touristen. Die meisten aus dem Ausland. Und für meine bedrückte Stimmung schienen sie alle ein wenig zu disneylandmäßig unterwegs zu sein, zu fröhlich, zu lustig. Um so schöner war diese eine Wand in einer der Baracken anzusehen. Im Gegensatz zu all den anderen Wänden zeigte sie nicht die Bilder der Getöteten, erzählte nicht die Geschichte zerstörter Leben, sondern bot Besuchern die Möglichkeit, ihre Meinung zu hinterlassen. Und die – alle in englisch verfassten – Zettel waren es, die mir dann doch noch die Tränen in die Augen trieben, die ich zuvor so erfolgreich verdrücken konnte.

„a truely disturbing experience“

war auf einem Zettel zu lesen, die meisten anderen schlossen sich dem an. Und der Rest bekundete den Willen zum Widerstand und dass sich das nie wieder wiederholen dürfe.

Dass ich als ausgemachter Antifaschist den Glauben an die Menschheit in einem ehemaligen KZ wiedergewonnen habe, ist zwar zutiefst ironisch, aber hoffentlich auch ein Schlag in die Fresse für alle Neonazis.

Nie wieder!

PS: Und besucht die Gedenkstätte Sachsenhausen. Und da der Eintritt schon umsonst ist: Lasst eine Spende da!

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Kryptografie

Für mich als Mathe-Loser ist Kryptografie ein denkbar schlechtes Interessenfeld. Jede halbwegs anpruchsvolle Variante der Verschlüsselung setzt nämlich mathematische Kenntnisse voraus, die mir abgehen. Wir alle haben unsere Schwächen und ich kann mir meine wenigstens eingestehen. Ist ja auch was. Aber das Thema bleibt interessant, geht es doch per se um Geheimnisse. Und da bin ich doch sehr froh, dass es Klaus Schmeh gibt, offenbar wirklich eine Koryphäe auf diesem Gebiet.

Zunächst wahrgenommen habe ich Schmeh mit seinem (auf meine Wunschliste gepackten) Buch „Nicht zu knacken„, in dem er populärwissenschaftlich einige Rätsel vorstellt, die bislang ungelöst sind. Nach dem Lesen des Buchs hab ich überrascht festgestellt, dass jener Autor bei den Science-Blogs aktiv ist und nicht einer jener eher unnahbaren Profis, die fern unserer Welt im Elfenbeinturm forschen. Im Gegenteil! „Klausis Krypto-Kolumne“ erfüllt fast alle Kriterien, um ein Mitmach-Portal zu sein. Schmeh als einer der führenden Wissenschaftler auf seinem Gebiet fragt oft Leser um Rat, teilt neue Entdeckungen und zeigt damit gleichzeitig auf, wie sehr die Kryptografie noch in den Kinderschuhen steckt.

Was für mich ehrlich gesagt erschreckend war, denn irgendwie dachte ich bisher, dass das Entschlüsseln von Botschaften schon mal mindestens eine Wissenschaft ist, die nur absoluten Profis vorbehalten ist. Aber das scheint Klaus Schmeh zufolge nicht so zu sein, und deswegen möchte ich ihn unter all den Science-Bloggern mal hervorheben.

Da schreibt ein intelligenter Mensch sehr verständlich über ein wahnsinnig interessantes Thema – und jeder, der kreativ ist und/oder in Mathe was drauf hat, könnte mit seiner Hilfe wirklich interessante Entdeckungen machen. Ein perfekter Gegenentwurf zu der leider auch oft zu unrecht vorgebrachten These, Wissenschaftler seien ja nur abgehobene Spinner, die mit „der realen Welt“ nix zu tun hätten.

90% von Euch sollten statistisch gesehen besser in Mathe sein als ich. Also verdammt nochmal, helft Klaus Schmeh bei seiner Forschung! Und immerhin geht es da auch um Alchemie, Massenmörder und alles, was man sonst nur als spannende Unterhaltung kennt. Wo wenn nicht hier ist Wissenschaft mal wirklich greifbar faszinierend?

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Why privacy matters

In einem der scheinbar fast ausnahmslos sehenswerten TED-Talks hat Glenn Greenwald (Der Journalist, der viele der Snowden-Daten veröffentlicht hat) wunderbar erklärt, was an Massenüberwachung und der damit einhergehenden Abschaffung der Privatsphäre so schlimm ist. Wie die Überschrift schon vermuten lässt, ist das Video auf englisch, aber das ist wieder mal ein Beispiel für ein Video, für das es sich lohnt, seine Englisch-Kenntnisse zu strapazieren.

Um das nicht zu einem weiteren eher unbedeutenden Link werden zu lassen, möchte ich auch kurz ein paar Worte über Privatsphäre verlieren:

Ich bin seit geraumer Zeit sehr privat und öffentlich im Netz unterwegs. Nicht nur, dass ich trotz aller politischer Statements auch meine Privatadresse (schon aus rechtlichen Gründen) veröffentliche: Nein, ich schreibe auch hoch intime Details meines Lebens hier nieder. Fotos aus meiner Wohnung, Blogtexte über meine Beziehung, wie verträgt sich sowas bitte mit einem Recht auf Privatsphäre?

Nun, um es mal ganz anschaulich zu sagen: Ihr wisst von mir nur, was ich Euch zu sehen erlaube. Vielleicht erscheint es dem ein oder anderen dumm, dass ich über meine kaputten Zähne oder die Umstände meines ersten Treffens mit Ozie etwas schreibe – aber das liegt dann lediglich an einer anderen Gewichtung, welche Details des Lebens man selbst für schützenswert hält. Ich habe einfach nicht den Anspruch, von meinen Lesern als perfekt funktionierende Maschine wahrgenommen zu werden. Ich habe Fehler, ich mache welche und ich finde es als Person „in der Öffentlichkeit“ einfacher, über diese zu reden, als ein Abbild meinerselbst zu schaffen, bei dem ich immer aufpassen muss, ob sich mein reales Ich noch mit den Online-Texten verträgt. Das hat zum Teil seinen Ursprung tatsächlich alleine darin, dass ich gewisse Sachen öffentlich mache. Wie sollte ich zum Beispiel glaubhaft über die schlechte Bezahlung von Taxifahrern schreiben, ohne Zahlen zu veröffentlichen? Ja sicher, einige Kollegen machen das – was auch ok ist  – aber sie tun das auf Kosten der Transparenz und im schlimmsten Fall ihrer Glaubwürdigkeit. Ich habe da eine andere Entscheidung gefällt, aber das heißt nicht, dass mir das grundsätzliche Problem privater Daten in der Öffentlichkeit nicht bewusst wäre. Ich habe z.B. auch keine Abneigung gegenüber Menschen, die sich online besoffen in entwürdigenden Situationen präsentieren, mir wäre das hingegen zu peinlich. Obwohl ich betrunken echt niedlich bin, da könnt Ihr alle fragen!

Abgesehen von der politischen Brisanz staatlicher Überwachung (die Greenwald in seinem Beitrag ausreichend darlegt) ist auch die private Dimension nicht zu unterschätzen. Der Journalist hat in obigem Video gesagt, jenen, die meinten, nichts zu verbergen zu haben, vorgeschlagen zu haben, ihm doch einfach mal alle Passwörter für all ihre Mailkonten zu schicken. Damit er sich dort mal umsehen und – falls es ihm legitim erscheine – Teile der Mails veröffentlichen könne. Und ist es nicht glaubhaft, dass niemand das gemacht hat?

Ich selbst denke mir oft, dass meine Mails „eigentlich ja belanglos“ sind. Ach ja, irgendwann vor 9 Jahren hab ich Ozie erstmalig geschrieben, dass ich sie liebe – wayne?
Andererseits: WTF? Da hab ich auch Freunden Hilfe in schwierigen Situationen angeboten, mit Hinz und Kunz geflirtet, Dinge erzählt, die eben doch nur für diesen einen Empfänger bestimmt waren.

Und wenn wir von den Mails weggehen: Haben wir nicht alle mal aus Sensationsgier auf bild.de-Links geklickt, oder uns vielleicht gar mal irgendwo auf einer Pornoseite mehr als ein Bild angesehen und damit für findige Ermittler ein viel zu genaues Bild von unseren Präferenzen hinterlassen? Will ich wirklich, dass bei Bedarf ein Polizist rausfinden kann, dass ich mal Musikvideos von Schlagersängern angesehen habe, gegen die ich doch sonst immer wettere?
Und was uns allen eigentlich eher als Verschwörungstheorie erscheint, habe ich auf Umwegen schon erlebt:

„Sie hen‘ da ja naggiche Bilder druff!“

schrie der liebenswerte Polizist bei der Durchsuchung meines PC’s damals laut durch die WG; wohlwissend, dass meine Freundin und heutige Frau anwesend war. Na, bei wie vielen Lesern hätte sowas zu einer Beziehungskrise geführt? Und wenn NSA und co. einfach alles speichern, ist es ja erst einmal auch egal, ob es da um Downloads des letzten Jahres oder der letzten Woche geht.

Am Ende geht es ja auch nicht darum, ob man bei Facebook postet, dass man gerade diese oder jene Folge von „The walking dead“ ansieht. Sowas schreiben wir gerne mal und das ist ok für die meisten. Aber will man wirklich, dass ein ominöser Geheimdienstapparat im Hintergrund mitloggt, dass wir an unsere Freunde zeitgleich eine Nachricht senden, welchen Schauspieler wir scharf finden? Und dass das in Beziehung gesetzt wird zu einem vielleicht längst beigelegten Ehestreit von vor drei Tagen via Whatsapp?

Wie kann es bitte in Ordnung sein, dass all das abgespeichert wird? Ich veröffentliche mein Leben freiwillig und meine terroristischen Aktivitäten halten sich zumindest vorübergehend in engen Grenzen. Ich schreibe nur gerne und biete meinen Lesern bewusst einen (begrenzten) Einblick in mein Leben. Aber selbst ich würde mir wünschen, dass ich nach Abschluss dieses Textes einfach mal sorgenfrei bei Wikipedia Infos über Depressionen einholen, bei Amazon Gummibärchen kaufen und bei Youporn nach Videos von Frauen in Latex suchen könnte, ohne damit ein schwer verdächtiges Profil bei der NSA zu bekommen.

PS: Latex ist nicht wirklich der Fetisch meiner Wahl, aber wie gesagt: auch meine Transparenz hat Grenzen. 😉

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Wenn Dummheit wehtut

Die meisten wissen, dass ich kein Freund von Verschwörungstheorien bin. Wobei ich nichts gegen neue Gedanken hab oder dagegen, sich nicht nur bei der Tagesschau zu informieren. Und wie nicht zuletzt Edward Snowden aufgezeigt hat, ist an der ein oder anderen Theorie ja auch was dran. Dumm wird es in dem Moment, indem das (nach logischen Gesichtspunkten) einzige Argument FÜR eine Theorie das ist, dass man sie NICHT beweisen kann. Denn damit ist alles und gleichzeitig nichts möglich und es gibt keinen plausiblen Denkansatz für diese Szenarien.
Dass ich beispielsweise der eigentliche Herrscher über die Welt bin, dabei mit Amphibien aus einer fernen Galaxie zusammenarbeite und nur aus Tarnungsgründen Taxi fahre, bzw. damit ich ausgewählten Fahrgästen das Gehirn aussaugen kann, um selbst am Leben zu bleiben, weil ich zudem ein Mutant bin; das lässt sich auch schwer widerlegen.
Noch schlimmer wird es da, wo man Beweise gefunden hat, diese aber von den entsprechenden Anhängern gnadenlos ignoriert werden, weil sie nicht ins Weltbild passen. Da wäre die Mondlandung ein gutes Beispiel. Wie ich immer gesagt hab: Politisch fände ich’s ja durchaus reizvoll, wenn sich die als Fake herausstellen würde – aber es gibt schlicht kein einziges nicht manipuliertes Anzeichen, dass dem so sein könnte.

Auf ähnlich verlorenem Posten stehen die „Reichsbürger“ hier in Deutschland, die durch meist ins pathologisch reichende Unwissenheit jeden ihrer Denkfehler als Beweis für ihre krude Theorie sehen. (Die Theorie ist übrigens, dass die BRD kein souveräner Staat ist und wir alle von den Alliierten unterdrückt werden. Und den Juden, je nach Auslegung und weiterer Krankengeschichte der Vertreter)

Obwohl die „Reichis“ wirklich ein wahnsinnig spannendes Beispiel für Anhänger von Verschwörungstheorien der obersten Absurdheitsklasse sind, will ich mich eigentlich nicht mit dem Inhalt beschäftigen. Das kostet zu viel Zeit und es wurde von anderer Seite schon viel besser gemacht. Zum einen gibt es die KRR-FAQ, zum anderen das kostenlose eBook „Vorwärts in die Vergangenheit!“ (Link direkt zum PDF), wo man zu wirklich jedem der (Spoiler!) sich widersprechenden Argumente Antworten findet, die auch Quellennachweise bieten. Einen großen Dank an die Macher, ganz im Ernst!
Nein, was mindestens ebenso spannend wie die für normale Menschen nur belustigende Theorie ist, ist das (Nicht-)Argumentationsmuster, das „Eisenfraß“, ebenfalls einer der fleißigen Aufklärer, seit einiger Zeit veranschaulicht. In einem inzwischen zur Serie gewordenen Blogeintrag „Emailverkehr mit einer Antisemitin“ (Link zu Teil 1) lässt er die Welt teilhaben an seinem Mailaustausch mit einer Dame, die offensichtlich schon unrettbar verloren ist in den Wirrungen dieser fraglos dämlichen Ideologie, hier auch angereichert mit Antisemitismus.

Selbst ich, der ich nicht zuletzt dank eigener Erfahrungen inzwischen einige Kenntnis von der Materie hab (und ich hab nur wie die Reichis mir empfohlen haben gegoogelt …), habe es nicht geschafft, die ellenlangen Traktate komplett zu lesen. Und das eben genau nicht der Länge wegen. Sondern weil es so unfassbar ist, mit wieviel Ahnungslosigkeit Menschen noch in der Lage sind, eine Tastatur halbwegs treffsicher zu bedienen. Dieses völlige Fehlen von Logik, Selbstreflexion und eventuell sogar Intelligenz macht einen einfach fertig. Vollumfänglich. Auf der anderen Seite ist es auch ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wann es Sinn macht, eine Diskussion abzubrechen. Eisenfraß zieht es bisher (Teil 7) durch, ich hätte diese Energie nicht. Aber genau deswegen sage ich danke, denn selbstentlarvender präsentieren sich Verschwörungstheoretiker sonst allenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vielleicht kann man aus dieser in jeder Hinsicht furchterregenden Diskussion auch etwas lernen.

Ich immerhin habe eines gelernt: Sehr glücklich zu sein mit den Lesern, die ich habe …

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„Immer für Dich da“

ist natürlich Quatsch. Schon alleine die unterschiedlichen Konzepte von „immer“, die so in der Welt rumgurken. Das könnte von „in alle Ewigkeit“ bis „immer wenn’s mir auch gerade passt“ alles bedeuten. Und während erstes selbst für hypothetische allmächtige Götter nach einem anmaßenden Versprechen aussieht, ist zweites nicht einmal romantisch, wenn man die Ethik von Jason-Statham-Filmen anlegt. Gesagt hab ich’s gerade trotzdem wieder, denn man sagt ja auch mal gerne nette Dinge, wenn deren genaue Definition zumindest fragwürdig ist.

Ozie war den Tag über krank, vermutlich war irgendein Lebensmittel angeschlagen. Wir haben zwar eigentlich das gleiche gegessen, aber so genau weiß man’s nicht.
Natürlich hat mich das den Tag über beschäftigt. Ich mag’s nicht, wenn es Menschen schlecht geht – und schon gar nicht, wenn ich die betreffenden Menschen wirklich liebe. Und wenn Ozie krank ist, dann bedeutet das eben auch mal etwas weniger Schlaf, ständige Rufbereitschaft und dass ich gelegentlich mal einen frischen Tee aufsetze oder einfach mal eine Viertelstunde vorbeikomme, obwohl ich selbst noch was zu tun hätte. „Immer“ bedeutet für mich wohl „immer, wenn’s mir irgendwie möglich ist“. Das kennen natürlich insbesondere die Eltern unter den Lesern sicher gut und auch ich hab das sicher irgendwie von meinen Eltern mitbekommen.

Ich schreibe das jetzt – wo es Ozie sowieso schon wieder deutlich besser geht – eigentlich nur, weil ich nach meiner Rückkehr an den eigenen PC festgestellt habe, dass inzwischen unser Jahrestag ist. Genau genommen müsste es jetzt (9. Oktober, 3.30 Uhr) exakt 9 Jahre her sein, dass panische Mitbewohner mich aus dem Bett getrommelt haben, weil die Polizei vor der Türe stand und einen Verantwortlichen für die Party haben wollte, an der ich seit zwei Stunden nicht mehr teilnahm, weil ich in meinem Bett überraschenderweise nicht allein geblieben war in dieser Nacht.

Im Nachhinein haben wir erst den Abend des 9. Oktobers als Beginn unserer Beziehung festgelegt, weil wir uns da entschlossen haben, dass das nicht Sache einer Nacht bleiben sollte. Die tatsächliche Entscheidung zu einer Fernbeziehung fiel freilich erst noch später.

Aber ja, das ist neun Jahre her. Mehr als viele Für-immers dieser Welt gehalten haben. Inzwischen durchschnittlich ein Drittel unserer Lebenszeit. Tendenz: steigend. Und immer noch sorge ich mich, wenn Ozie auch nur Kopfschmerzen hat; und sie lässt mich nicht aus den Augen, wenn mir mal der Arbeitsfrust über den Kopf wächst. Und das ist kein dummer kleiner Spaß unter Erwachsenen, sondern ehrliche Anteilnahme.

Viele da draußen scheinen zu glauben, dass lange glückliche Beziehungen reines Glück sind. Oder gottgewollt. Meiner Erfahrung nach ist das das Glück der unwichtigste Teil. Von der Inexistenz Gottes mal ganz abgesehen. Beziehungen sind neben aufrichtiger Zuneigung und Liebe ebenso ein Produkt von Arbeit. An sich selbst, aneinander und gemeinsam an anderen Dingen. Der „langweilige Alltag“, der so viele Beziehungen zerstört, ist unausweichlich. Völlig egal, ob man zu Beginn einer Beziehung nur entweder in Schnellzügen oder bei Tandemsprüngen mit dem Fallschirm vögelt: am Ende spielt es leider auch eine Rolle, ob man sich einig wird, wer die Spülmaschine ausräumt. Manche Dinge lassen sich nicht mit einem dahingehauchten „Ich bin immer für dich da!“ lösen – was aber nicht heißt, dass diese deswegen zu unterbleiben hätten.

Ich liebe Ozie heute selbstverständlich weit mehr als ich das vor neun Jahren getan habe. Und trotzdem haben wir uns vor zwei Tagen ganz pragmatisch über eine neue Anschaffung unterhalten und dabei die Frage erörtert, wie sich das im Falle einer Trennung gestalten würde. Einfach, weil das ebenso „für immer“ auch eine theoretische Alternative sein könnte. Das klingt kaltherzig, tatsächlich lässt sich über sowas aber vermutlich nur in Beziehungen reden, in denen alle Karten auf dem Tisch liegen und kein Partner wirklich ein Interesse an einer Trennung hätte, die somit also alles andere als kaltherzig sind.

Ich hab vor neun Jahren nicht beschlossen, mit meiner Frau mein restliches Leben zu verbringen. Und sie hatte das ebensowenig mit mir geplant, das weiß ich. Und genau deswegen ist das für uns beide ok und um so erstaunlicher, faszinierender, geiler, besser, fantastischer ist es, dass wir das heute vorhaben. Und unser Bestes geben, damit das auch so wird. Unser Engagement umfasst dabei keineswegs nur Für-immer-Sprüche, sondern ist manches Mal ein komplizierter Interessenausgleich. Das klingt unromantisch, ist es vielleicht auch, und trotzdem eigentlich viel besser als die undurchdachten Versprechungen der frühen Verliebtheitsphase.

Neun Jahre. Und ich sitze gerade in einem anderen Zimmer als Ozie und freue mir einfach einen Ast, dass sie seit sie schlafen gegangen ist noch keine Notwendigkeit hatte, mich anzurufen, weil ihr irgendwas fehlt. Dabei würde ich geradezu freudig aufspringen und ihr einen Tee machen oder zum Kuscheln vorbeikommen. In Wirklichkeit ist aber vermutlich genau das – Tee machen und kuscheln – nicht wirklich das, was man Liebe nennen sollte. Sondern diese unglaubliche innere Zufriedenheit, die einen ergreift, wenn man weiß, dass es dem Partner gut geht.

Ich jedenfalls bin bereit für weitere neun Jahre. Oder für immer – je nachdem, was man darunter versteht.

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