Ich hatte heute eine seltsame Begegnung auf der Heimfahrt von der Arbeit. Ich musste das Taxi an der Firma abstellen, was für mich eine knappe Stunde Heimweg bedeutet. Da ich heute seit langem mal so richtig absolut und umfassend frei habe (Wochenende vom Taxifahren und das Manuskript fürs Buch ist abgeschickt), hab ich mir in Schöneweide noch ein paar Bier am Kiosk geholt und eines davon auch während der Fahrt getrunken. Ganz hinten in der Bahn, friedlich wie immer und mit einem Auge auf die Twitter-Timeline.
Irgendwann stieg ein Typ ein, aufgefallen ist er mir aber erst kurz vor meiner Umsteige-Station Landsberger Allee/Rhinstraße. Dort stieg ich nach ihm aus und hab (um ihn wegzuwerfen) in meiner Tasche erst einmal nach dem Kronkorken fahnden müssen, der auf der Bierflasche war, bevor ich sie geöffnet hatte. Das dauerte etwas und als ich wieder hochblickte, hatte der Typ die Straße bereits überquert. Statt irgendwo hinzulaufen stand er mir zugewandt auf der anderen Straßenseite und starrte mich an. Das hat mich nicht sonderlich verunsichert, sondern nur gewundert. Er war ein Mann in meinem Alter etwa, vielleicht 2 Jahre jünger. Im Vergleich zu mir eher klein und schmächtig gebaut, Brillenträger und vielleicht etwas angetrunken. So wie er mich ansah, erwartete ich, dass er mich – wenn ich vorbeikomme – um eine Kippe anschnorren oder fragen mich würde, ob ich dieser Blogger wäre. Stattdessen wartete er stumm, ich wechselte die Straßenseite ebenfalls – und als ich ihn passiert hatte, drehte er sich um und lief mir nach.
An der Haltestelle hat er sich gesetzt, mich zwar später auch nochmal andauernd angestarrt, aber das war gar nix. Druffis nachts in der Bahn bin ich ja gewohnt. Besser noch: Oft hab ich sie ja direkt im Taxi. Berlin …
Ich hab das halbwegs belustigt (nach nunmehr 2 Bier) eben Ozie erzählt. Sie fand das auch angemessen seltsam, hat aber einen interessanten Gedankengang gehabt: Hat er vielleicht extra gewartet, damit ich – der unheimliche biertrinkende 2-Meter-Typ – nicht hinter ihm laufe?
Dazu muss ich mal ganz klar anmerken, dass mir das nicht fremd ist. Ich bin dunkel bekleidet und mit für Drohkulissen aller Art tauglicher Größe oft nachts unterwegs und mache mir tatsächlich Gedanken darüber, wie das wirkt. Wenn ich zum Beispiel mit jungen Frauen gemeinsam in schwieriger Umgebung die Bahn verlasse, checke ich gerne nochmal mein Handy, zünde mir im Stehen eine Zigarette an und lasse sie vorgehen, anstatt ihr in 3 Metern Entfernung hinterherzulaufen. Das ist für mich selbstverständlich, denn mich stören diese 30 Sekunden nicht und ich fände es total scheiße, wenn irgendwer meinetwegen Angst hätte.
War das auch der Grund für das Verhalten dieses Typen?
Ich weiß es nicht. Wenn ja, dann hat er sich echt blöd angestellt. Denn sein Vorsprung war wirklich enorm, und wer mich einmal näher anschaut, sieht recht schnell, dass ich kein Sprinter bin. Also vielleicht doch nur ein Druffi, wer weiß. Oder ein schüchterner Fan.
Er ist aus der zweiten Bahn dann wieder mit mir zusammen ausgestiegen. Dieses Mal hab ich noch mehr Abstand eingehalten. Und ja, ein bisschen durchaus auch, weil er mir unheimlich war. 😉
Oder er fährt regelmäßig mit dir, ist dir aber -so wie dieses mal spät- nicht aufgefallen. Er dachte sich dann vielleicht, da du ja eh mit ihm den Weg teilst, kann man auch zusammengehen. Ein schüchterner Beobachter.
Du siehst so viele Gesichter, da speicherst du dir vermutlich nicht alle. Auf ner Party hat mich derletzt auch Einer damit aufgezogen, dass ich mich vor 3 Stunden noch mit ihm unterhalten hatte und mich nicht mehr an ihn erinnern konnte.
Hm, vielleicht hat er auch nur auf deine leere Bierflasche spekuliert?!
@Mic ha:
Sonderlich regelmäßig kann’s nicht sein. In den letzten 4 Jahren bin ich vielleicht zehnmal nachts diese Strecke gefahren. Also irgendwann zwischen 0 und 6 Uhr.
Ich bin zwar tatsächlich schlecht im Erkennen von Gesichtern, aber das scheint insgesamt eher unwahrscheinlich zu sein.
@Zia:
Müsste ich wohl auch verneinen. Hab das Bier an der Haltestelle leergetrunken und die Flasche artig für die Sammler neben den Mülleimer gestellt. Hätte er sich später also nehmen können.