22. Dezember 2014 · 08:59
Da das ja nun mit den Pegida-Demos eine Sache zu sein scheint, die noch ein Weilchen für Furore sorgen könnte und es heute Abend wieder so weit ist, wollte ich das Thema mal möglichst wenig polemisch angehen. Leider ist das ein verdammt schmaler Grat, auf dem man da wandeln muss. (Und „ernst nehmen“ im Sinne de Maizières wollte ich auch niemanden)
Zumindest ein paar tausend Menschen da draußen haben also Angst. Angst vor einer Islamisierung, wie sie es so schön nennen. Davor, dass „unsere Kultur“ – eine „jüdisch-christliche“ des „Abendlandes“ nicht von „Islamisten“ erdrückt wird. Sie fühlen sich von Regierung und Presse verraten und fordern Änderungen beispielsweise im Asylrecht. Eine betont fremde Religionsgruppierung wird also zum Problem erklärt und die Lösung soll im Wesentlichen Abschiebung heißen.
Ein klipp und klar rechtes Ansinnen. Mehr Volk, mehr Polizei, weniger Fremde und weniger Fremdes.
Nun aber wollen Pediga-Anhänger gar keine Rechten sein. Es geht ja auch um zum Beispiel Geflüchtete, denen es in Heimeinrichtungen auch nicht gut gehe. Heute wollen sie sogar Weihnachtslieder singen. Aha.
Nun ist es aber wirklich problematisch, menschenfreundlich zu wirken, dabei neurechte Thesen zu vertreten und jedem Medienvertreter zu unterstellen, er wäre Teil einer linken Lügenpresse. Und dabei mit Nazis gemeinsame Sache zu machen, sie also zumindest auf den Demos zu akzeptieren.
Ich habe in den späten 90ern, als ich mich selbst als Punk verstand, durch ziemlich abenteuerliche Familien- und Freundschaftszusammenhänge das „Vergnügen“ gehabt, eine Stunde mit einem selbsterklärten Neonazi sprechen zu können. Wir kannten uns von früher und wollten uns deswegen nicht auf die Fresse hauen, sondern lieber drüber quatschen. Damals waren „die Türken“ das große Problem. Alles Schmarotzer, nutzen die Deutschen aus, kriegen hier Kinder und damit Kindergeld und sind kriminell, etc. pp. Das Wort „Armutszuwanderung“ gab es damals noch nicht, es wurde noch offen von „Sozialschmarotzern“ geredet. Alle minderwertig, meinte der selbstbewusste Neonazi, Deutschland brauche „sowas“ nicht. Mein Einwand, dass dieses „alle“ ganz offensichtlich nicht haltbar sei, beantwortete mein ehemaliger Kumpel nicht etwa mit einem weiteren Negerwitz, sondern damit, dass er ja auch türkische Freunde hätte. Nur wären die halt ordentliche Menschen, hart arbeitend und so. Das, was man heute z.B. von Pegida-Anführer Bachmann auch hört: „Ich kenne ja auch Türken, aber die sind ok.“
Dieser Satz scheidet als Nicht-Nazi-Unterscheidungsmerkmal offensichtlich aus. Und das ist nicht nur wegen der an sich unzureichenden Anekdote der Fall. Das Alleinstellungsmerkmal von Rechtsextremisten war nie ihre Ausländerfeindlichkeit. Da ist die neue Rechte sogar sehr schlecht drin, denn die suchen den Schulterschluss mit anderen Nationen ganz gerne, wenn es gerade passt. Da solidarisieren sich Hardcore-Antisemiten gerne mal mit den Palästinensern und die Islamophoben betonen das Existenzrecht Israels. Wichtig ist halt nur, dass im eigenen Land alles sauber bleibt. Auch wenn das teils enorm inkonsequent ist. Was Neonazis und Ultrarechte in aller Regel eint, ist ein widerliches Menschenbild, das Leute nach Wertigkeit sortiert. Ob über ihren volkswirtschaftlichen Nutzen, ihre Nationalität, die Religion oder anhand rassistischer Maßstäbe. Deswegen ist es trotz persönlicher Befindlichkeiten immer eine Sache von Widerlichkeit, mit Nazis zusammen zu demonstrieren – egal, ob sie einem hier und da mal gut reinpassen. Die verkürzte Antifa-Parole „Wer mit der NPD marschiert ist ein Nazi!“ ist vielleicht sachlich nicht zu 100% korrekt – aber die korrekte Version „… ist mindestens ein ignoranter und Menschenrechte ignorierender Vollhonk und damit nicht besser als ein Nazi!“ ist halt ein wenig zu sperrig für Leute, die mit „Lügenpresse, Lügenpresse!“ schon zufrieden sind.
Überhaupt: Die Lügenpresse!
Ich als Linker hab wahrlich viel am Journalismus hierzulande auszusetzen. Und nicht nur als Linker. Auch als Taxifahrer, als Berliner, als Berufstätiger und als Autor, als Deutscher und auch als Leser. Irgendwas in mir zuckt immer mal wieder zusammen, weil ich vollkommen falsch eingeordnet oder verstanden werde. Und dass es sowohl unfähige als auch lügende Journalisten gibt – ja meine Fresse, was für eine Neuerung! Natürlich sollte man Medien verantwortungsbewusst konsumieren und sich seine Meinung nicht nach der ersten Schlagzeile bilden. Ich bin der letzte, der dem widerspricht. Aber stattdessen „das Internet“ zu empfehlen, ist an Blödheit nicht zu überbieten. Denn wo organisiert sich „hier“ bitte die „Wahrheit“? Wenn es nicht bei den etablierten Medien von Spiegel bis taz ist, wo dann? Bei Typen, die glauben, ihr haltet eure Fahnen verkehrt rum und die Bundesrepublik Deutschland gebe es gar nicht? Bei denen, die Reptilienwesen an der Macht sehen? „Im Internet“ finde ich auch jüdische Weltverschwörungen, salafistische Videos oder meinen kleinen Blog hier. Geht es nicht eigentlich darum, sich ein eingeschränktes Weltbild aus hoch subjektiven Quellen zusammenzuzimmern?
Und ich will ehrlich sein: In Teilen machen wir das vermutlich alle. Ich bewerte einen Bild-Artikel auch anders als den von einem bekannten Blogger, der mir nahesteht. Aber von der naiven Vorstellung, es gäbe eine (in meinen Augen übrigens extrem rechte) System- oder Lügenpresse, hab ich mich ungefähr mit 17 Jahren verabschiedet, zu zahlreich waren die Gegenbeweise.
Und da kommen wir zu einem wichtigen Punkt: Ja, es gibt Meinungen, die nicht geschätzt sind und vorrangig nicht verbreitet werden. Und es tut bisweilen weh, wenn es eine liebgewonnene eigene Meinung betrifft. Manchmal bedeutet das, dass man zu Unrecht wenig Gehör findet. Fragt mal die Grünen, wie es ihnen in den 80er-Jahren mit dem von ihnen geforderten Naturschutz aussah! Manchmal aber bedeutet es auch, dass man einfach falsch liegt oder einem, diplomatisch ausgedrückt, defizitär untermauerten Glauben nachrennt.
Aber zurück zum Kernthema: Der Islamismus!
Eine schlimme Bande, diese Gotteskrieger, keine Frage! Die sind mir persönlich mit ihrem Welt- und Menschenbild nicht weniger suspekt als Nazis und von ihrer Einstellung her fürchte ich sie. Ehrlich! Ich halte nichts von denen. Aber dementsprechend würde ich auch nicht mit ihnen zusammen unter dem Motto „Religiös Erleuchtete Gegen die Faschisierung des Abendlandes“ (Regifa) gegen Nazis auf die Straße gehen.
Zudem: Die radikalen Islamisten … die muss man bekämpfen, keine Frage. Aber die sind die kleine Horde Spinner, die man sich immer irgendwie mit antun muss, wenn man mit verschiedenen Leuten zusammenlebt. Und soweit ich mitbekommen habe, sind bisher alle Anschläge dieser Idioten verhindert worden. Wo also ist die Regierung hier so unglaublich untätig, wie immer wieder gesagt wird? Wie weit „nicht-rechts“ kann man noch sein, um nicht zu sehen, dass zeitgleich der NSU auch dank völligem Staatsversagen zig Tote zu verantworten hatte? Und wo hilft die geforderte Abschiebung bekloppter Islamisten gegen die anscheinend locker 30% Konvertiten aus „braven Deutschen“?
Jeder hat mal diffuse und schwer nachvollziehbare Ängste. Die gestehe ich auch den Pegida-Demonstranten zu. Aber die Zeit läuft, es ist nicht mehr so, dass letzte Woche dort DIE EINE neue Erkenntnis verbreitet wurde. Zu allen wichtigen Themen liegen Daten vor. Zahlen zur Ausländerkriminalität, Studien über den Erfolg des Zuwanderungsmodells, Hintergrundinfos über den Islam und Islamisten, Wahlergebnisse in Deutschland oder sprachwissenschaftliche Erkenntnisse über das Vokabular der Pegida. Man sollte das ruhig abwägen, verschiedene Quellen befragen und kritisch sein. Wer aber auch jetzt – nach etlichen Wochen – immer noch nur zum verschwörungstheoretischen Schluss kommen sollte, dass quasi alle anderen böse sind und man selbst einer der einzigen Aufrechten ist, die – trotz Nazibegleitung – an einer Pegida-Demonstration teilnehmen müssen – der outet sich wirklich als rechter Vollpfosten und hat die Angriffe verdient, die hierzulande (!) über ihn hereinbrechen.
Und bevor irgendwer aus der Pegida-Ecke irgendwas von „Meinungsdiktatur“ oder „Zensur“ brüllt: Mir ist klar, dass sowas bescheuert wäre und zudem nicht funktionieren würde. Ihr dürft demonstrieren, das ist euer gutes Recht. Man wird Euch deswegen eben für Idioten halten, aber das ist weder mein, noch ein Demokratieproblem, sondern das, was ihr fordert: Meinungsfreiheit! Ich halte es da gerne mit einer meiner Lieblingsbands, und insbesondere mit diesem Refrain:
„Dummheit kann man nicht verbieten
und doch kann man etwas dagegen tun:
Was gegen Dummheit hilft, ist Bildung,
gegen Verbote sind die Dummen oft immun.“
– Dritte Wahl.