Mein Ableismusproblem

Ich denke, die meisten meiner Leser haben inzwischen mitbekommen, dass ich Diskriminierungen jeder Art falsch finde. Der Grund ist relativ simpel: Diskriminierungen haben immer Opfer und ich finde es eine grundsätzlich positive Einstellung, möglichst wenigen Menschen zu schaden, denen man – und sei es durch veröffentlichte Texte – über den Weg läuft. Das hat wirklich weniger mit irgendwelchen Dogmatismen zu tun, als es viele erklärte Gegner dieser Einstellung wahrhaben wollen. Und selbst wenn das bei manchen grob in meiner Richtung orientierten Menschen anders sein mag, ich wusel mich da mit meinem eigenen Weg durch, der je nach Blickrichtung auch alles andere als perfekt ist. Vieles mache ich mit Abstrichen. So verwende ich keine geschlechtergerechte Sprache, obwohl mir Sexismus in jeder Form ein Dorn im Auge ist – einfach aus eigener Bequemlichkeit. Genauso wie ich im ökologischen Bereich z.B. meinen Fleischkonsum nur zu senken versuche und keinen kompletten Verzicht übe. Ich hab meine Schwächen, und ich gestehe sie mir zu. Manchmal mehr, manchmal weniger. Mein eigenes Wohl liegt mir am Ende eben auch am Herzen und ich bin mir ziemlich sicher, als Perfektionist in allen sozialen Belangen kein glücklicher Mensch sein zu können. Die Ursachen dafür sind sicher vielschichtig, aber ich hab weder Zeit noch Lust, auf allen Ebenen 100% zu geben, wenn es sowieso von 99,9% der Menschen nur als Spinnerei gesehen wird und 0,099999% dann der Meinung sind, ich gehe nicht weit genug. Am Ende bleibt man halt als Individuum in irgendeiner Form unperfekt – und damit kann ich wahrlich leben. Und ich müsste es ja auch, wenn ich es noch mehr versuchen würde.

Andererseits gibt es dann Dinge, die ich so nicht stehenlassen will oder sogar kann.

Und so etwas ist mir neulich in für mich ungewohnter Form passiert. Im Rahmen der ganzen Pegida-Diskussionen wurde irgendwo (ich weiß wirklich nicht mehr, wo genau) aufgeworfen, dass das Für-dumm-Erklären der Anhänger Ableismus wäre, also eine Unterform der Behindertenfeindlichkeit, die dumme Menschen diskriminiert, weil man selbige damit abwertet.

Ich weiß, es gibt eine Menge Leute, die sowas einen Scheiß interessiert – mich aber eben schon. Ich hab jahrelang im Behindertenfahrdienst gearbeitet und während dieser Zeit nicht nur meine Vorurteile, Berührungsängste und was man halt sonst so alles mit sich schleppt, abgebaut – sondern überhaupt erst einmal mitbekommen, dass ich solche hatte. Eine nicht in allen Belangen einfache, aber tatsächlich furchtbar positive Erfahrung. Und nun aber das: Mein gerne gewettertes „Was für Idioten!“ soll ableistische Züge tragen!

Meine erste Reaktion war die, die ich von allen Rassisten und Sexisten kenne:

„Ach nee, will man mir das auch noch nehmen!?“

Die zweite war nicht minder ähnlich:

„Das ist doch eine Diskriminierung ohne Opfer: Wer so blöd ist, merkt ja nicht einmal, dass ich ihn beleidige!“

Aber ja, ist das nicht dasselbe wie „meine schwarzen Freunde“, die auch „über Negerwitze lachen“? Obwohl mir bei letzterem klar ist, dass das kein valides Argument ist, finde ich ersteres irgendwie gangbar. Hab ich da also wirklich ein Problem? Vielleicht. Ausschließen kann man das wohl nie sicher bei solchen Fragen, die man erstmalig an sich heranlässt.

Zumindest teilweise erkenne ich da aber, dass die Thematik nicht ganz so einseitig ist. Zunächst der eher unbedeutende Teil: Wenn ich von Idioten schreibe oder erzähle, so meine ich damit gewiss keine Leute, deren Fähigkeiten ernsthaft eingeschränkt sind. (Was im Nachhinein aber auch bedeutet: Wann immer ich derartige Vergleiche gezogen habe, waren sie falsch und ich würde sie heute so nicht mehr machen.) Der wichtigere Part ist: Gerade die Begriffe Dummheit oder Idiotie sind zwar zweifelsohne herabwürdigend, lassen sich aber meines Wissens nicht auf unverschuldete Fähigkeitsbeschränkungen reduzieren. Ja, Idiotie war auch mal zwischenzeitlich als medizinische Bezeichnung geistiger Behinderungen geläufig, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die heutige Benutzung davon stark abweicht und ebenso wie Dummheit weniger mangelnde Fähigkeiten unterstellt als mehr einen Unwillen, sich seiner geistigen Fähigkeiten zu bemächtigen.

Wenn das widerlegbar ist, dann nehme ich die Hinweise dankend entgegen.

Um ein Anschauungsbeispiel zu bringen: Dumm wird sicher nur selten wer genannt, der ständig rechts und links verwechselt – sowas kommt nunmal vor. Dumm wird der genannt, der in einer Diskussion um die Frage, wo links ist, in die rechte Richtung zeigt und darauf beharrt, unnütze Begründungen dafür vorbringt und sich anderen Meinungen verweigert.

Und selbstverständlich zielen alle meine Angriffe auf Nazis oder Pegida genau in diese Richtung. Da engagieren sich Menschen mit ihrem Herzblut, um Dinge zu bekämpfen, die sich nach kurzer Recherche als unhaltbar erweisen. Wie wollen wir dieses Bestreben, mehr Arbeit aufs Bestätigen der eigenen Überzeugung zu investieren als auf die Auswertung von Fakten, benennen?
Ist es nicht genau das, was „dumm“ ist und „Idioten“ auszeichnet?

Noch einmal: Ich (und ich denke, die Mehrheit geht da mit) würde nie einen geistig behinderten Menschen dumm nennen. Wohl aber Menschen, die wider besseres Wissen oder trotz des Zugangs zu korrektem Wissen überprüfbare Informationen ignorieren und (Treppenwitz der Geschichte) alle anderen als Dumme oder Lügner bezeichnen.

Wie ich einleitend schrieb: Ich bin mir meiner Fehler bewusst. Ebenso bin ich mir meiner Fehlbarkeit bewusst. Mir ist ebenso klar, dass die Reduzierung von Menschen auf ihre geistigen Fähigkeiten und die damit erfolgende Zur-Norm-Machung „hoher“ Intelligenz ausgrenzend ist. Ich bin mir der Gefahren des Ableismus also bewusst. Aber gerade um gegen falsche und vereinfachende Weltbilder vertretende Menschen auch und gerade schreibend angreifen zu können, bedarf es doch irgendwelcher Worte, die klarstellen, dass genau dieses Weltbild falsch ist – und zwar aufgrund von Denkfaulheit, Fehlinterpretationen und einseitiger Denkweise. Für das stand „Dummheit“ in meinen Augen bisher. Sollte das Wort – ebenso Idiotie – in dieser Interpretation missverständlich sein, dann freue ich mich über Alternativvorschläge. Sollte es keine geben, bleibe ich bei meiner Meinung, dass es da draußen zu viele dumme Idioten gibt.


PS: Ich hatte die Kommentare unter diesem Artikel eine Weile geschlossen, worauf ich mehrfach angesprochen worden bin. Mir ist klar, dass das keine populäre Maßnahme ist und ich hab’s auch nicht vor, dauernd einzusetzen. Ich hab aber tatsächlich nicht immer Zeit und/oder Lust, mit Leuten zu diskutieren, die – Ironie der Thematik – meine Ansichten für dumm halten. Und der Artikel hat eben das Potenzial, Leute anzuziehen, die sich angegriffen fühlen. Leute, die dann äußerst praktisch zu beantwortende Fragen wie „Was ist denn falsch an meiner Meinung?“ stellen. Nicht, dass das ungerechtfertigte Fragen wären, aber weder ein Blogeintrag – und schon gar nicht ein Kommentarfeld – ist der geeignete Platz, um alle Aspekte von Islamismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus etc. am Stück zu besprechen. Außerdem ist das hier trotz allem mein Blog und kein offizielles Auskunftsportal. Ich erkläre Nazis die Welt, wenn ich Lust dazu habe, nicht wenn sie es wollen. Jeder, dem ich damit auf den Fuß trete, darf sich gerne abwenden und mich für ein Arschloch, blöd oder einen Beweis der Weltverschwörung halten. Ich kann die gelöschten Kommentare bisher immer noch an meinen beiden Händen abzählen, was mir vermutlich kein anderer Blogger glauben wird. Und das kann gerne so bleiben. Aber für allen Schwachsinn und jede Theorie hab ich halt auch keine Zeit.

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