13. März 2015 · 10:03
Ich hab’s geschafft. Bei 170 nochmal in den fünften Gang runtergeschaltet, damit er mich nicht abschüttelt, bei 210 km/h fetzten wir dann im Gleichtakt über die nachtleere A9, was für ein Spaß! Natürlich hätte er mich eiskalt stehen lassen können und noch 100 Sachen mehr aus seinem Aventador rausholen können, da hätte ich in meinem Passat Diesel die Rücklichter des eleganten Lamborghinis nur einmal sehr sehr kurz gesehen. Aber wer immer da vor mir meine grob geschätzt nächsten 25 Jahresgehälter ausfuhr, war ein fairer Spieler: In den 120er-Zonen fuhr er unter Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit auf die rechte Spur, danach war wieder Flucht nach vorne angesagt, ein bisschen Spaß muss sein.
Ich bin nicht unter die unvernünftigen Raser gegangen, aber nach dem langen Tag gestern hat das kleine Necken mit dem Supersportwagen auf dem Weg Richtung Berlin bei mir noch einmal die Höchstkonzentration ins Cockpit zurückgeholt und mich vor der schleichenden Müdigkeit nach 18 Wachstunden gerettet.
Und auch den Tag endgültig vergoldet, denn ja: Ein bisschen hat auch das Autofahren dazugehört.
Eigentlich hatte ich vor allem meine allererste Lesung als Autor. Dem ein oder anderen schreibenden Mitleser mag das jetzt wie eine Petitesse erscheinen, für mich war es das mitnichten. Seit ungefähr der 10. Klasse hab ich mich selbst in der Schule immer vor Referaten gedrückt. Das ging damals gerade noch so – um die Jahrtausendwende war die Idee, dass Schüler sich selbst präsentieren können müssen in Baden-Württemberg noch eher ein seltsamer reformpädagogischer Ansatz, sowas hat man damals lieber ein bisschen belächelt als ausprobiert. Da hätte man ja eher noch die Grünen gewählt …
Ich hab also seit Ewigkeiten nicht mehr vor Leuten gesprochen und war damit eigentlich auch zufrieden. Publikum hatte ich ja trotzdem, irgendwo hier hinter meinen 0,3 m² Bildschirmfläche.
Nun hab ich aber ein Buch geschrieben und neben mir sitzt jetzt auch noch ein Verlag im Boot, der sich Mühe gibt, dass dieses Buch nicht morgen wieder von allen vergessen ist. Und so ein Verlag macht dazu nun halt genau das, was man zu diesem Zwecke halt macht: Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Presse …
Ich auf der anderen Seite finde es aber auch nicht nur toll, dass eine handvoll scheinbar nimmermüder Emons-Mitarbeiter sich so wuselig um mein Buch kümmert – ich halte es grundsätzlich ja auch für eine gute Idee, mal was anderes zu machen, mal neues kennenzulernen. Da komme ich als ewiger Urlaubsaufschieber eh nur viel zu selten dazu. Also hatte ich schon vor Monaten das Angebot des Verlags angenommen, während der Leipziger Buchmesse im Canito in Leipzig zu lesen. Aus meinem Buch, vor echten Menschen. Hätte ich mir so ja nie ausgedacht.
Leipzig, Symbolfoto. Quelle: Sash
Aber nicht nur das: Ich hatte die letzten Wochen auch Zeit, mich mit einem netten jungen Mann vorzubereiten, der mir dann als Moderator (neudeutsch für: Mensch ohne Lampenfieber) bei der Sache zur Seite stehen würde. Yeah! \o/
Wir haben beide auch Überlegungen angestellt, testgelesen, uns quasi wie Profis verhalten – wobei am Ende die Generalprobe platzte, weil wir beide krank waren. Unser Konzept war also eher so mittel ausgereift, aber wir hatten gute Laune. 🙂
Zur Anreise hab ich mir dann o.g. Passat bei einer Autovermietung hier ums Eck rausgelassen. Ich hätte eine Bahnfahrt plus Hotelübernachtung haben können, aber als ich dann die Hotelpreise zur Buchmessenzeit gesehen hab, hab ich im Verlag angefragt, ob ich nicht vielleicht weniger von ihrem Geld verprassen und im eigenen Bett schlafen dürfe. Leipzig ist ja nun von Berlin aus nicht aus der Welt.
Und ich durfte:
Reisegefährt, Quelle: Sash
Mir hätte ein Golf gereicht, in der Klasse gab’s aber nix mehr – und im Vergleich zum Hotel war dieses wirklich sehr sehr schnuckelige Kistchen dann immer noch ein Schnäppchen. Ein bisschen verliebt war ich ja auch schon vor dem Rennen auf der A9.
Leipzig war toll – da gab es alte Häuser, Tapas, Frühlingsrollen und Parkplätze. Und bekanntlich bin ich schon mit weniger zufriedenzustellen. 😉
Als ich und mein furchtloser Moderator eine halbe Stunde vor Beginn schon wohlgenährt das Canito betraten, um zum Who-is-who der Verlagsbelegschaft zu stossen, stellte sich dann auch langsam meine inzwischen schon vermisste Panik ein. Der kleine Raum war voll und die Leute guckten so, als wollten sie ernsthaft zuhören. Die Vorstellung, dass das von Vorteil sein könnte, teilte ich nicht unbedingt. Das von einem lieben Blogleser persönlich vorbeigebrachte Bier („Wie versprochen aus’m Hipster-Laden!“) hätte ich besser gleich vor der Lesung getrunken, aber wenn ich danach noch zu fahren gedenke, halte ich mich an diese 0,0-Promille-Geschichte. Das wuselige Durcheinander sagte mir so wenig zu, dass selbst das einzige Bild aus dem Canito verwackelt ist:
Inside the Canito, T: -10 minutes. Quelle: Sash
Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich zunächst. Mein Kopf nahm die Farbe überreifer Tomaten an, ich übernahm mal eben die Schweißproduktion eines halben Kontinents und atmete hörbar schwer ins Mikrofon. Nach den ersten paar Holperern aber geschah dann doch etwas unerwartetes: ein paar von den mich anstarrenden Gesichtern lächelten. Lachten bisweilen laut. Oder warfen ein, dass sie kein Problem mit Berliner Straßennamen hätten. WTF, Leipzig!?
Aber im Ernst: Es wurde richtig gut. Auch wenn ich mir nach wie vor ein bisschen hilflos durchs Programm tapsend vorkam, war die Stimmung ausgelassen, viele lauschten geradezu gebannt und der ein oder andere spontane Witz kam tatsächlich als Witz an. Am Ende haben wir die Stunde Lesezeit sogar noch etwas überzogen, um noch eine Geschichte vorzulesen, die ich davor nur einmal angeschaut hatte. Die Leute kauften ein paar Bücher und es hagelte fast ein bisschen arg viel Lob. Von Leuten, die nur zufällig da waren und ebenso von welchen, die mir attestierten, „schon GAAANZ anderes“ bei Lesungen erlebt zu haben.
Laut offiziellem Setting war ich vielleicht sowas wie der Star des Abends, aber ich muss den Kelch ehrlich weiterreichen an Peter Hanss, der während des Abends alleine das Restaurant betrieben hat. Und mit alleine meine ich alleine: Von der Küche bis zur Bedienung! 0.0
Nach allem, was ich gesehen und probiert habe, kann man also auch wenn jetzt bald die Lesungszeit zu Ende ist, im Canito sehr gut einkehren. Ebenso übrigens beim Vietnamesen direkt daneben. Für Interessierte:
Canito
Gottschedstraße 13
04109 Leipzig
Da ich um 9.00 Uhr bereits aufgestanden war, war ich dann trotz all der interessanten Leute und all dem leckeren Essen froh, um 23:00 Uhr bereits den Heimweg antreten zu können. Mit Innenstadtverkehr und tanken dauert die Fahrt halt selbst mit kurzfristigem Lamborghini-Jagen zwei Stunden.
Eine Wiederholung, also ein paar weitere Lesungen, könnte ich mir durchaus vorstellen. Bis sich das ergibt, ist allerdings trotzdem keine Ruhe zu erwarten. Der nächste Pressetermin ist vermutlich keine 12 Stunden mehr entfernt und ab demnächst gibt es in ausgewählten Buchhandlungen sogar GNIT-Bobbycars! (Einself!) 😀
Ich muss ehrlich sein: In Kombination mit der langwierigen Erkältung die letzten Wochen war das alles anstrengend. Und wird es noch ein paar Tage bleiben. Aber es macht doch auch einen Heidenspaß, dieses Autoren-Dings mal wirklich durchzuziehen. Für alle, die jetzt neidisch sind, hab ich aber auch noch was im Repertoire: Vor der Rückgabe des Autos hab ich mich heute morgen so richtig schön auf die Schnauze gelegt und mir das Knie aufgeschürft wie so ein 10-Jähriger. Rutschiger Glasboden und so. Alles Gute ist also auch hier nie beisammen. Aua.