Wenn Ihr nicht auch gestern die Nachrichten verfolgt habt, dann wird der Name Erwin Hapke Euch wohl nix sagen. Wie auch? Falls er keine Namensvetter hatte, war Erwin Hapke wohl ein SEHR öffentlichkeitsscheuer Mensch, die Medien berichteten, er habe in den letzten 40 Jahren nur einmal anlässlich eines familiären Sterbefalls das Haus verlassen. Er ließ sich sein Essen von der Schwester liefern und niemand hatte eine Ahnung, was Hapke in seinen vier Wänden trieb.
Bis er vor einiger Zeit tot aufgefunden wurde.
Wo man eine normale Rentner-Wohnung erwartet hatte, wurde eine Art Museum gefunden. Und das nicht etwa gurlittlike mit Raubkunst oder dergleichen, sondern mit selbstgeschaffenen Werken von Erwin Hapke. Ein paar eindrucksvolle Metallkunstwerke, viel mehr aber Papier-Faltfiguren. Nicht dutzend- oder hundertfach, sondern – wie der WDR schreibt – hunderttausendfach!
Im ganzen Haus geradezu ausgestellt, gruppiert, teilweise sogar mit Anleitungen und biografischen Informationen versehen. Ja, es scheint, als hätte der zurückgezogene Erwin eigentlich durchaus die Öffentlichkeit im Sinn gehabt, als er die Blätter faltete, verklebte, zusammensteckte und verzierte.
Bei allen Meldungen, die einen Tag für Tag überfluten, war das eine der wenigen, die mich gerührt hat. Ich weiß nicht einmal, ob ich es jetzt schön finde, dass die Schätze geborgen werden, oder ob ich eher traurig sein sollte, weil Erwin Hapke zu Lebzeiten offenbar nie dazu kam, sich anderen zu erklären. Ich hoffe, es ist wirklich in seinem Sinne, dass all das jetzt publik wird.
Hier der Link zum WDR mit der beeindruckenden Bildergalerie, die man sich wirklich wirklich anschauen sollte:
Krasse Geschichte!
Danke für den Link.
Auch ich danke dir für den Link!
Eine sehr bewegende Geschichte und interessant zu sehen, was nun mit seinen Werken passieren wird.
Hallo Sash,
das ist der erste Kommentar, der mich ebenso anrührt wie die Geschichte selber. Ich falte selber (wenn auch weniger….hihi) und kann ein wenig beurteilen, was der Mann dort geleistet hat. Er hat sich Schritt für Schritt an die aus seinen Biologiekenntnissen und -büchern so nah wie möglich an Tiere usw herangearbeitet. Er hat alle Zwischenschritten scheints bewahrt. Meiner Meinung nach hat er sich erklärt, aber hat sich um sein Feedback gebracht. Was mich schockiert hat, dass sein Neffe 15 Jahre seinen Onkel nicht gesehen hat, nicht viel Kenntnisse über Origami hat, aber trotz seiner (unnotariellen) Verfügungen, das Haus so zu belassen, es jetzt komplett ausräumen, abbauen und 1:1 auf der Dokumenta in Kassel wieder aufbauen will. Das Haus ist eine alte Dorfschule 8 km von Unna entfernt und gehört einfach historisch in den Ort. Außerdem scheint es den Fotos nach mit soooooo vielen Modellen wie ein Museum mit Faltdiagrammen zu den Objekten gefüllt zu sein. Die können gar nicht 1:1 wieder in dieser Präzision wieder angeordnet werden. Wenn ich meine Modelle transportiere für eine Veranstellung oder Ausstellung geht auch immer wieder etwas der empfindlichen Modelle aus Papier kaputt oder auseinander. Ich kann die von mir gefalteten Objekte reparieren, aber das jemand wie der Neffe als Philosophiedozent aus der Uni Köln kaum stemmen können, auch wenn er dabei Hilfe von der Uni Bonn bekommt.
Wir werden es von hier aus der Nähe und ihr aus der Ferne verfolgen.
Tschö LI
@Li Schmidgall:
Ich vermute, dass das eine der Nebenwirkungen ist, wenn es verpasst wird, konkrete Pläne fürs eigene Werk zu machen. Ob Erwin Hapkes Gesamtkunstwerk jetzt ausreichend achtsam behandelt wird: Ich weiß es nicht und ich kann die Bedenken verstehen. Andererseits stellt natürlich die schiere Masse ein Problem für Menschen dar, die sich dann konkret mit Planung und Logistik beschäftigen müssen. Ich würde da den pragmatischeren Ansatz wählen und mich eher freuen, dass die Verwandtschaft wenigstens den Wert der Arbeit anerkennt und versucht, sie der Öffentlichkeit zugängig zu machen. Wer weiß, wie viele ähnliche Sammlungen als Papiermüll endeten, weil die Erben schnell das alte Haus renovieren und verkaufen wollten/mussten?