Chillen in anderen Welten

Ein Bruder im Geiste! Zumindest ein Bisschen.

Ich hab mit Freuden den Artikel „Ich will doch nur chillen!“ von Markus Böhm bei spiegel.de gelesen. Er schildert darin, wie er gerne die Spielwelt aktueller Games erkundet und das eigentlich mehr mag, als immer sofort alle Missionen zu absolvieren und ein Computerspiel schnell zu Ende zu zocken.

Ich bin da nicht ganz auf seinem Level, aber ich verstehe den Ansatz total. Ich hab gerade binnen zweier Monate GTA V zweimal „komplett“ (also im Sinne von „alle Missionen erledigt“) durchgespielt, aber eigentlich ging es mir dabei nur teilweise um die Story. Ich mag diese andere Welt einfach, ich sehe mich dort ebenso wie in der Wirklichkeit gerne um.

Dabei geht es mir nicht unbedingt wie Böhm um gemütliches Chillen in Los Santos, aber ich habe dabei auch festgestellt, wie sehr ich mich von der Mehrheit der Gamer unterscheide. Natürlich möchte ich das Spiel durchspielen und ich finde auch die Story gut aufgemacht und so weiter. Für mich wesentlich faszinierender ist aber, sich die Welt anzuschauen. Und GTA ist da ein gutes Beispiel. Denn abgesehen von der großen Spielwelt ist GTA selbst in der fünften Auflage nur ein eher mittelmäßiger Shooter mit vergleichsweise durchschnittlicher Grafik. Wenn es nur um gutes Gameplay und Grafik ginge, würde ich schon FarCry 3 höher bewerten – und das ist nur der drittaktuellste Titel der Serie.

Ich merke schon bei einer kurzen Google-Recherche, dass ich nicht der typische Gamer bin. Wenn man versucht, tiefer in GTA V einzusteigen, muss man sich auf der Suche nach interessanten Details durch Massen von Anleitungen und YouTube-Videos durchklicken, die Cheats erläutern, massenhaft InGame-Money versprechen oder die lustigsten Kills abfeiern. Dass das GTA-Universum eine unglaublich große Welt anbietet, die auf so vielen Ebenen eine nahezu allumfassende Gesellschaftskritik in Form von Satire mit unendlich vielen Anspielungen auf die Popkultur anbietet, ist leider leider eine Randnotiz unter vielen geworden. Und ja, daran sind nicht nur die bösen Medien, sondern vielfach auch die Spieler selbst schuld.

GTA Online ist der perfekte Beweis dafür. Obwohl es im selben Universum wie das Singleplayer-Spiel angesiedelt ist, dominiert hier das Mit- und Gegeneinander der Player. Und obwohl das natürlich selbstverständlich ein Multiplyer-Game ausmacht und in vielen Genres das Erlebnis zweifelsohne bereichert, ist es für mich persönlich in diesem Fall vergleichsweise langweilig.

Ich fand die KI bei GTA IV und GTA V auch nur so mittel, bin also eigentlich nicht die schlechteste Zielgruppe für Multiplayer-Modes, aber andererseits merke ich eben auch, wie sehr die Storyschreiber Einfluss aufs Spielerlebnis genommen haben und wie viel es ausmacht, die beabsichtigte Satire in Szene zu setzen, damit sie nicht übersehen wird von all denen, die eigentlich nur auf Explosionen, Headshots und Profilierung aus sind.

Ich will das nicht verdammen, ich hatte auch schon viel Spaß bei UT und TO (Tactical Ops, sowas wie Counter Strike). Aber das ist halt eher was technisches, strategisches. Bei Spielen wie GTA kommt bei mir noch sowas wie Entdeckergeist dazu.

Ja, man kann das Spiel deswegen trotzdem nicht unpassend unter „Männerkitsch“ einsortieren, das unterschreibe ich gern. Es ist eine lustige Alternativwelt, das ist wahr. Ja, Waffen und schnelle Autos sind ein wichtiger Bestandteil davon. Und das wiederum befriedigt zweifelsohne mehr als nur ein paar schlichte Gemüter mehr als die unfassbar großartige Spielwelt. Das kann ich nicht verleugnen und ich finde das persönlich auch schade.

Aber mal ganz für mich alleine gesprochen möchte ich festhalten, dass ich nach Abschluss aller Missionen bei GTA IV und V beim Abspann traurig war, weil mir klar war, dass ich mir niemals die Namen merken können würde, die das Design zu verantworten haben. Obwohl das Leute sind, die mir mehr fröhliche, interessante und nachdenkliche Stunden beschert haben, als es jeder Spielfilmregisseur bisher geschafft hat. Was kein Wunder ist, hab ich mich in ihrer Welt doch eher 50, 100 oder 200 Stunden rumgetrieben.

Und das am Ende eben auch oft wie Markus Böhm, einfach chillend und genießend.

2 Comments

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2 Responses to Chillen in anderen Welten

  1. Kenn ich.
    Bin auch mal wieder dabei San Andreas unsicher zu machen. Und finde immerwieder was Neues.

    Wie ist denn Teil V so? Bin bisher noch nicht dazu gekommen.

  2. @Roichi:
    Durchaus etwas anders, aber großartig. Wie in IV ist die Geschichte besser inszeniert, eine handvoll gute Action-Movies steckt da schon drin, ansonsten ist halt auch die Dichte im Vergleich zum alten San Andreas deutlich angewachsen. Ich merke das daran, dass mir das minutenlange Rumfahren auf der großen Map nicht mehr so langweilig vorkommt.
    Und weil’s im Text eher negativ klang: Die Shooter-Mechanik ist viel besser geworden (man kann in V ja auch Ego-Perspektive spielen), da fand ich SA noch extrem hakelig.

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