Heute vor 15 Jahren war der erste Tag seit meiner Geburt, an dem ich nicht zu meiner Mutter gehen und sie auch nicht anrufen konnte. Weil sie tot war.
Ich bin jetzt 43, entsprechend hat mich das Schicksal zu einer Zeit ereilt, in der ich zwar einerseits nicht mehr auf sie angewiesen war, andererseits aber auch nicht behaupten kann, sie sowieso nicht so richtig kennengelernt zu haben. Ich schreibe das so absurd um zu zeigen, dass es eigentlich egal ist, in welcher Phase seines Lebens man steckt: Natürlich ist das schlimm. Ich maße mir nicht an zu sortieren, wann man seine Eltern am besten verlieren sollte, am Besten natürlich nie (wobei das fürs eigene Leben auch nicht gerade die besten Implikationen hat).
Ich glaube, ich kann heute sagen, dass das alles gut ist. Ich hab sicher viele Probleme, aber der frühe Tod meiner Mutter ist heute keines mehr davon. Das ist Teil meiner Geschichte wie die Unterstufe im Gymnasium, die erste Übernachtung bei Freunden oder das Blockieren einer Nazi-Demo in Schwäbisch Hall: Es ist eine Weile her, man kann durchaus emotional darüber reden, aber kein Gespräch darüber ändert was daran, was ich meinen Kindern morgen zum Frühstück mache und wie ich mich dabei fühle.
Vor 5 Jahren war das noch ein bisschen anders.
Gar nicht mal so sehr, weil der Alltag da noch viel Trauer für mich bereitgehalten hat, sondern weil da das Spätzle noch klein war und ich ganz ganz viele dieser Momente hatte, bei denen ich mir gewünscht hätte, dass meine Mutter sie noch erleben könnte. Das nutzt sich aber auch ab, wenn man zwei Kinder hat und jedes jeden Tag irgendwas neues lernt.
Trauer ist natürlich was höchst individuelles. Ich z.B. hab damals hunderte Kilometer von meiner Mutter entfernt gewohnt und wusste, dass sie ab 12 Uhr mittags betrunken ist. Das hat mich natürlich schon zu Lebzeiten nicht gerade verleitet, meine Mutter ständig um Hilfe zu bitten, mir hat ihre Anwesenheit im Alltag schon lange nicht mehr gefehlt als sie verstorben ist. Das ist bei vielen Menschen natürlich anders.
Was ich an dieser Stelle weitergeben wollte, war etwas, das mir vermutlich Sophie vor sicher schon 10 Jahren mal irgendwoher zitiert hatte bezüglich des Todes von nahen Menschen:
„Natürlich wird es nie wieder wie vorher, aber es wird anders gut.“
Das ist für absolut jedeN BetroffeneN im ersten Moment ein Scheiß-Satz und das ist auch ok. Sollte es vielleicht sogar sein. Aber ich glaube, auf lange Zeit stimmt das. Klar, man hat andere Probleme, vielleicht braucht es länger als einem lieb ist aber irgendwann kann wohl jeder mal sagen, dass es jetzt auch gut ist. Nicht abwertend oder im Sinne von „es war besser so“, sondern dass es jetzt ok für einen selbst ist, dass es damals so gelaufen ist.
Ich jedenfalls bin an dem Punkt. Im Alltag schon eine Weile, inzwischen aber auch in sehr emotionalen Momenten, es ist einfach gut. Vielleicht findet sich ja irgendjemand, den diese Aussicht trösten kann, dann wäre das alles sogar noch besser.