Während ich noch darauf warte, ob aus der Schufa-Geschichte irgendwas wird und ich allgemein den gängigsten Debatten zum Thema Datenschutz lausche, habe ich in den letzten Tagen doch auch mal wieder über das schöne Wörtchen Privatsphäre nachgedacht. Privatsphäre – ein Wort, dass man weder sonderlich schnell tippen, noch sagen kann, geschweige denn verstehen und beschreiben.
Ich hab im Laufe der letzten Dekade gelernt, wie individuell der Begriff aufgefasst wird. Ich als Betreiber zweier Blogs und Unterhalter mehrerer Social-Media-Profile ordne mich immer ziemlich vorschnell in die Post-Privacy-Ecke ein. Mein Mitteilungsbedürfnis ist groß und die Schamgrenze niedrig. Den ein oder anderen flüchtigen Besucher mag das irritieren, die meisten regelmäßigen Leser werden wissen, dass ich das bei allen beiläufig erwähnten Details nicht mache, um dem Ausverkauf meiner Persönlichkeit Vortrieb zu leisten. Ich erzähle gerne, und mit der Zeit weiß man eben, was ich gerne esse, welche Schuhgröße ich habe und wie meine politische Meinung ist. Ich weiß, dass ich das alles erzähle und ich bilde mir ein, dass der Austausch über dieses und jenes sehr fruchtbar sein kann und man neue Dinge, Meinungen und Sichtweisen aufgezeigt bekommt. Und das beileibe nicht mit dem Dampfhammer, wie einige Trolle es natürlich versuchen, sondern auf dem wunderbarsten Weg, sich Dinge zu erarbeiten: mittels zwischenmenschlicher Kommunikation. Ob nun per Taste oder Wort – geschenkt!
Und – wie ich beim Schufa-Artikel schon geschrieben habe – ich habe großes Verständnis dafür, dass es anderen Menschen anders geht. Ich kann zwar nicht mehr nachvollziehen, wieso Anderen sowas belangloses wie ihr Einkommen peinlich sein kann, aber natürlich gestehe ich jedem das Recht darauf zu, Teile seines Lebens und seiner Person vor den Blicken der Öffentlichkeit geheim, privat zu halten. Das ist wichtig und ob ihr’s glaubt oder nicht: ohne könnte auch ich nicht leben! Ich hab nur andere Grenzen.
Eine der wichtigsten Grenzen ist meine Wohnung. Es geht gar nicht darum, dass es hier oft unaufgeräumt und dreckig ist – das dürft ihr ruhig wissen. Ich hab vorher die letzte saubere Gabel zum Essen benutzt und noch keine neue Spülmaschine angestellt, aber wayne? Ich bin unordentlich und steh dazu – und so schlimm, dass man es nicht wieder aufräumen könnte, isses dann ja auch nicht. Nein, die Wohnung ist mein Rückzugsraum, der Platz, an dem ich alleine bestimme, wen ich wie weit an mich heranlasse. Ich habe beruflich mit Menschen zu tun, ich muss notgedrungen auch mal raus zum Einkaufen und für andere Erledigungen, hier aber bestimme ich, welche Telefonate ich entgegen nehme, welchem Klingelnden ich öffne und erst recht, wer hier eintreten darf.
Vielleicht sind das psychologische Nachwirkungen der Hausdurchsuchung vor 6 Jahren, vielleicht ist es auch einfach nur verständlich, weil ich sonst so offen und überall verfügbar bin – und das by the way gerne. Ich meine, hallo – ich tracke mich freiwillig bei der Arbeit mit GPS!
Wenn ich darüber schreibe, dann erwähne ich gerne Heizungsableser und vielleicht auch mal nerviges Geklingel von Paketboten. Wirklich wirklich schlimm aber sind Vertreter.
Natürlich, in erster Linie sind es arme Schweine. Was für eine Scheiße die sich täglich an gelogenen Ausreden anhören müssen, will ich gar nicht wissen. Aber egal ob es jetzt um Staubsauger, Spendenbeteiligungen oder illegale Abzockerfallen geht – ich hasse sie alle!
Natürlich, die meisten gehen ganz ehrlich und aufrichtig ihrem Job nach und es wäre mir sogar egal, 20 € mehr für ein Küchengerät zu zahlen, wenn es mir nach Hause geliefert wird und ein kompetenter Verkäufer mir dazu Rede und Antwort liefern kann. Ich verstehe auch, dass sie ihre Arbeit machen müssen, habe ein gewisses Verständnis für erfolgsbasierte Bezahlung und bin sowieso ein lieber und umgänglicher Mensch. Aber ich hasse sie. Alle.
Denn ich weiß auch, dass mein Überrumpeltfühlen, meine fehlende Vorbereitung und mein Wunsch, Leute vor meiner Türe schnell wieder loszuwerden, Teil des Geschäftsmodells sind.
„Lieber schnell bezahlen oder unterschreiben, dann ist er schnell wieder weg!“
Ich bin ja nicht der einzige, der sich das denkt.
Aber natürlich mache ich es nicht. Kein einziges Mal. OK, wenn jemand eine Bargeldspende erbittet – das Kleingeldglas steht im Flur. Bitte, danke, ciao auf nimmer Wiedersehen! Alles in allem lernt man aber doch schnell, dass eigentlich kein Klingeln an der Türe wirklich wichtig ist. Man macht mal eine Ausnahme für die Kinder an Halloween, aber das ist ja letztlich auch eher sowas wie angekündigter Besuch.
Wie gesagt: es ist nicht einmal der kommerzielle Aspekt, der mich so nervt. Es ist einfach nur das Eindringen in mein Leben, ja, meine Privatsphäre eben. Eine Welt mit Haustürbesuchen ist nicht wirklich meine Welt. Die anderen scheinen allerdings gerade ausverkauft zu sein. Und ich glaube kaum, dass eine solche Welt dann ausgerechnet an der Türe vertickt wird. Am Ende sitzt man da, bloggt drüber und denkt sich:
„War das jetzt wieder zu privat?“
Vertreter kriegt man doch schnell los.
Sag ihnen einfach „Danke, kein Interesse“, mach die Tür zu, und das war’s.
Alle Vertreter sind in Wirklichkeit getarnte Zeugen Jehovas. Das müsstest du eigentlich wissen, Sash!
Zeugen Jehovas. Wir haben vor einigen Jahren mal Kunstblut und Klinge bereitliegen gehabt und da die vorher bei Nachbarn waren, konnten wir uns auch entsprechend verkleiden. Das wirkte ganz real, das gestellte Massaker. Danach kamen die nie wieder.
Funktioniert sicher auch bei Vertretern 😉
Und ist lustig.
an solche leute zu spenden ist kacke – ein großteil der spenden geht dafür drauf, leute zu bezahlen, damit sie die spenden eintreiben. und ja, die meisten leute die an der tür klingeln, machen das nur für geld!!!
@breakpoint:
Schon, meistens zumindest. Ist ja trotzdem nervig.
@Paul:
Hmm, nee, das ist mir neu. Aber gut zu wissen 😉
@Tjeika:
Ich hätte an sowas ja durchaus Spaß – aber man ist dann eben doch immer unvorbereitet, wenn sie mal kommen … 🙁
@Mausflaus:
Natürlich geht’s um Geld. Aber selbst wenn die Leute tatsächlich klingeln, um Libellen zu retten: darum geht’s mir mal nicht. Geld verdienen wollen oder müssen wir alle irgendwie. Und man macht auch mal was falsches/nerviges etc.
An der Haustüre nerven mich aber auch ganz liebreizende Weltenretter, ist einfach so.
Es gibt wirklich angenehmere Jobs. Wahrscheinlich leben sie von älteren Menschen, die sich nach ein bisschen Aufmerksamkeit sehnen. Auch nich so ideal… Das mit der Wohnung und dem Chaos kenne ich auch, aber immerhin hast du ne Spülmaschine. Bei uns in der WG sammelt sich das Geschirr und keiner ist Schuld… 🙂 Hab schon überlegt einen zu kaufen, abe die sind so teuer. Selbst die mega billigen sind ständig ausvekauft. Wie hier zum Beispiel, gebrauchte Maschinen gehen halt so schnell kaputt. Hast du einen Tipp für mich?
@Melissa:
Nee, nicht wirklich. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Spülmaschinen auch keine Heilsbringer sind. Denn irgendwer muss sie trotzdem ein- und ausräumen …