Clipboard-Gefühle

Das Buch ist raus, das Buch läuft. Soweit zumindest meine Einschätzung.

Aber mit Einschätzungen ist das so eine Sache. Beim eBook damals hatte ich alles selbst im Griff, ich kannte die Verkaufszahlen sehr schnell, hatte meinen Umsatz im Blick, alles sehr direkt eben. Wenn man ein Buch mit einem Verlag zusammen veröffentlicht, dann sind all die geschäftlichen Sachen vorrangig verlagsintern oder eben gar nicht in Echtzeit erfassbar. Da ist vieles plötzlich intern. Der Verlag hat mir zwar eine Zahl der Verkäufe zum Verkaufsstart genannt, aber auf wie viele Buchhandlungen und oder Barsortimente sich das wie aufteilt, weiß zumindest ich nicht. Und ich will auch nicht wie der letzte Honk jeden Tag eine Mail an den Verlag schicken.

Also behelfe ich, behelfen wir beide uns hier mit dem, was wir haben: Amazon-Verkaufsränge, Verfügbarkeiten, Barsortiment-Trends etc. Das ist natürlich unzureichend. Ich kann nicht einmal größenordnungsmäßig einschätzen, wie viele Bücher inzwischen über den Ladentisch gegangen sind. Was schade ist für einen Nerd, der sich gerne selbst informiert!

Aber, und das ist das Schöne, bisher deutet alles darauf hin, dass es gut läuft. Nicht exorbitant, denn natürlich bin ich mit ein paar Taxigeschichten nicht mal eben auf dem Weg, 50 Shades of grey vom unverdienten Thron zu schubsen. Obwohl das Wort „ficken“ in meinem Buch natürlich auch auftaucht.

Von Weltbestseller oder dergleichen hab ich ja nicht einmal geträumt – aber eine solide Resonanz scheint sich zumindest abzuzeichnen. Ich will das auch nicht im Einzelnen breittreten, denn das hat Ozie und mich nächtelange Gespräche gekostet, das lässt sich nicht runterbrechen. Wir könnten falsch liegen, aber wir glauben nicht, dass es so ist. Das Buch verkauft sich also hier und da. Schön. Sehr schön sogar!

Und doch kommt dann – bei mir, aber manchmal sogar bei Ozie – das auf, was wir inzwischen Clipboard-Gefühl nennen. Und das geht zurück auf die von mir gerne immer wieder erwähnte „Make good Art!“-Rede von Neil Gaiman, während der er erklärt, wie er stets das Gefühl hatte, mit einer Art Betrug davonzukommen, und fürchtete, dass eines Tages ein Mann mit Clipboard vor seiner Tür stehen könnte („I don’t know why he had a clipboard …“) und ihm erzählen würde, dass es nun vorbei sei und er sich nicht mehr einfach Dinge ausdenken und sie niederschreiben könne. Sondern was richtiges, echtes, tun müsse.

Ich kenne das Gefühl schon lange, aber es scheint auch verbreitet zu sein. Man macht ja „nur“ Kunst oder wie immer man das im Einzelnen nennen mag und irgendwer wird das schon aufdecken. Ich hab „nur“ ein Buch geschrieben und irgendwann wird schon wer merken, dass da „nur“ Taxigeschichten drinstehen, dass „nur“ ich das geschrieben hab, dass „nur“ meine Leser dieses Buch kaufen …

Eben wie es davor „nur“ ein eBook und „nur“ ein Blog war.

Das ist natürlich Bullshit. Für den Erfolg eines Buches ist relevant, dass es verkauft wird. Keine Sau interessiert sich dafür, wer es aus welchem Interesse getan hat. Abgesehen von mir vielleicht, aber tatsächlich spiele ich da so gesehen als Autor eine Nebenrolle. Jeder Bestseller wurde „nur“ geschrieben, alle kochen sie nur mit Wasser, selbst die ganz Großen.

Aber das Gefühl bleibt. Habe ich nicht Amazon „verarscht“, indem ich an Tag 1 dutzende Leser zum Buchkauf dorthin geschickt habe? Ist der positive Trend beim Barsortiment nicht ein Hoax, weil jetzt Amazon krampfhaft versucht, neue Bücher irgendwoher zu kriegen? Habe ich als Blogger das System Buchmarkt getrollt?

Nein.

So verkaufen sich Bücher eben. Jeder Autor bringt Fans mit – und wenn es sich anbietet, gibt jeder hier und da mal ein Interview, was letztlich nur den Zweck erfüllt, das Buch zu promoten. Mache ich auch gerade. Mit kuriosesten Medien (außer der Bild). Unecht ist bei der Sache vieles. Hier und da das Interesse der Journalisten, dort mal meine Freude über Aktion XY. Was jedoch nie wirklich unecht sein kann, ist der Erfolg. Nicht, dass das jemand in den falschen Hals bekommt: Jeder Leser sollte sich am Ende freuen über das Buch. Aber ob die Leute es kaufen, weil sie mich mögen, weil sie mich interessant finden, weil das Buch grandios ist, weil alle drüber reden, weil sie selbst Taxi fahren … nichts davon ist irgendwie ein Betrug oder eine unverdiente Aufwertung. Und trotzdem sitze ich mit meinem Clipboard-Gefühl da und denke:

„Fuck, das ist nur einer meiner Texte, wehe die finden das irgendwann mal raus!“

In Wahrheit können sie das natürlich gar nicht. Denn ich hab den Text als gutes Buch ausreichend getarnt. 😉

1 Comment

Filed under Haushalt, Vermischtes

One Response to Clipboard-Gefühle

  1. Verena

    Ich hab vor kurzem mit einem Taxifahrer gesprochen (wohne in der südlichen Ecke Deutschlands) und dann von Deinem Blog erzählt. Daraufhin meinte er: Hat der nicht ein Buch geschrieben? Allerdings weiss ich nicht, ob er Dein Blog mitliest oder sich das Buch gekauft hat. Ich „kenne“ ihn nicht als Taxler, sondern als Kunde in der Firma, in der ich arbeite. Sympatisch kommt er nicht rüber. Da ich hier in der Stadt allerdings nur selten Taxi fahre dürfte die Chance sehr gering sein, dass er mal mein Fahrer wird.

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