Der Anfang des Jahres 2016 macht es einem ja nicht leicht, sich zu entscheiden, zu was man seinen Senf dazugibt.
Aber Köln toppt ja nun wirklich alles: Während einer silvestertypischen Ansammlung dort am Bahnhof wurden in schier unglaublicher Zahl Frauen sexuell belästigt, teilweise wohl sogar vergewaltigt, obendrein auch noch beklaut. Die Täter hatten ein (überwiegend?) nichtdeutsches Aussehen und deswegen muss man Flüchtlinge jetzt schneller abschieben. Äh …
Und als ob das nicht genug wäre, begeistert uns die Kölner Polizei mit Berichten, die zwischen „Ach, eigentlich schien das ganz nett zu sein dort …“ bis hin zu „Das war der Alptraum jeder Zivilisation und wir sind dem kräftemäßig nicht beigekommen!“ schwanken.
Was für ein Polizeiskandal sich da möglicherweise auftut, bleibt erst einmal abzuwarten. Zum Rest der Ereignisse kann man aber dennoch schon mal so einiges sagen. Und nein, natürlich nicht, was jetzt genau passiert ist, wer welche Verbrechen begangen hat und woher er kam … aber zumindest mal, dass es furchtbar gewesen sein muss – und dass das alles wirklich nix in der Debatte über Flüchtlinge zu suchen hat.
Und bevor die besorgten Bürger jetzt „Zensur“, „Lügenpresse“ oder sonstigen Bullshit einwerfen:
Wir haben Euch Rassisten das seit Jahrzehnten schon gesagt: Niemand von uns „linksversifften Gutmenschen“ glaubt, dass Ausländer bessere Menschen als Deutsche sind. Dementsprechend hat auch niemand von uns ein Interesse daran, Verbrechen von Nichtdeutschen nicht als Verbrechen zu bezeichnen oder gar irgendein Problem mit deren Verfolgung. Euer dümmlicher Trugschluss war immer und ist auch hier, dass man aus der Nationalität von Verbrechern irgendwelche allgemeingültigen Regeln aufstellen könnte!
Ihr wollt als Deutsche nicht mit pädophilen Priestern und z.B. dem Mörder von Elias und Mohammed gleichgesetzt werden – wie fern liegt da bitte der Gedanke, dass ein syrischer Familienvater auf der Flucht nix mit rachsüchtigen IS-Terroristen oder handgreiflichen Landsleuten am Kölner Bahnhof zu tun hat?
Dass jetzt kein Feminist „Scheiß Flüchtlinge!“ ruft, liegt einfach daran, dass die in der Regel mehr als Spachtelmasse hinterm Schädelknochen haben und sich zudem völlig zurecht fragen, wir ihr es wagen könnt, mit dem selben Twitter-Account, mit dem ihr bei der #aufschrei-Debatte Frauen Vergewaltigungen gewünscht habt, jetzt einen auf Opfervertreter zu machen.
Natürlich ist die Aufarbeitung des Frauenbildes im Islam, in islamischen Ländern (in religiösen Ländern überhaupt!) wichtig. Und sicher in vielen Fällen auch bei hierher geflohenen Menschen aus islamisch geprägten Gegenden ein Problem, das angegangen werden muss. Aber weder verschweigt, noch bezweifelt das irgendeiner mit einem Fünkchen Restverstand.
Tatsächlich aber lassen sich die Probleme nicht mit dem Rausschmiss aller etwas dunkelhäutigeren Männer aus Deutschland oder dem Anzünden von Flüchtlingsunterkünften lösen, denn die heutigen Werte Deutschlands, auf die ihr so fleißig onaniert, während ihr Bachmanns Reden anhört, sind zu einem großen Teil geprägt von dem, was man Rechtsstaat nennt. Und dieses – von natürlich hier und da auftretenden Ungerechtigkeiten begleitete – Phänomen besteht im Wesentlichen daraus, dass nicht eine Zusammenrottung von möglichst ähnlich Dummen darüber zu entscheiden hat, wer aus dieser liebenswerten Gemeinschaft von Brandstiftern verbannt und in ein Gefängnis (egal in welchem Land) gesteckt wird. Insbesondere so etwas archaisches wie Sippenhaft (man findet hier sicher islamisch geprägte Länder, in denen das gang und gäbe ist), ist ganz sicher nicht Teil des Wertekanons hierzulande. Wäre sicher auch ärgerlich für Euren Vater und/oder Bruder, wenn man das gleichermaßen auf Inländer anwenden würde.
Köln (und Hamburg und Stuttgart und …) war schlimm. Das muss aufgearbeitet werden und hoffe eifrig, dass das passiert. Solche Zustände sind nicht haltbar. Natürlich eigentlich nirgendwo, aber hier haben wir wenigstens einen etwas direkteren Einfluss darauf. Da auch in punkto Strafmaß oder Gesetzesänderungen offen zu bleiben, ist nicht per se falsch.
Aber das jetzt als Argument in der Flüchtlingsdebatte herzuholen, ist billig und polemisch. Jeder „besorgte Bürger“, der in den letzten sieben Tagen seinen Hang zum Feminismus entdeckt hat, könnte problemlos nachvollziehen, wie sehr sexuelle Gewalt für Frauen auch vor Silvester und auch in Deutschland ein Problem war. Ja, selbst vor #aufschrei. Ich mag das gleichermaßen polemisch wirkende Beispiel vom Oktoberfest nicht allzu sehr, aber es ist halt so schön offensichtlich: Auch dort ist das an der Tagesordnung. Schon immer gewesen. Oder beim nun anstehenden Karneval. Oder in Karls Kneipe um die Ecke. Aber da sind wir an dem Punkt, wo sich die Spreu vom Weizen trennt: Wer Köln jetzt wegen der Flüchtlinge thematisiert, wird bis dato stets auffallend ruhig oder sogar eher kontraproduktiv gewesen sein. Bei #aufschrei, bei Brüderle, bei mit Sicherheit allen Meldungen, bei denen es um Gewalt gegen Frauen ging.
Ich denke, die Seite der Feministen und Antisexisten bräuchte eigentlich jede Unterstützung. Die Unterstützung derer, die auf massive sexuelle Gewalt mit dem Rufen nach Abschiebung antwortet, braucht trotzdem niemand. Nein, wirklich gar niemand.
Danke, du sprichst mir aus der Seele….
Selten so einen realitätsfremden, naiven verbalen Brechdurchfall gelesen…
Mimimi, viele sind aber doch ganz dolle schlimm. Islamisten, Vergewaltiger, Untergang des Abendlandes! MIMIMI!
(Beitrag ab Zeile 2 dezent lesbarer gemacht; Sash)
„Brechdurchfall gelesen“: das Wort das Du suchst heißt „geschrieben“ … mit dieser kleinen Textkorrektur könnte ich Deinem Beitrag eventuell zustimmen …
@OlliG:
Bitte. 🙂
@Balls of Mohamed:
Hau ab, Du Schwachmat!
@hartmut:
Hab’s mal verkürzt. 😉
Schön geschrieben. Auch Ich merke in meinem Umfeld dass nun die „Flüchtlinge raus“ Rufe lauter werden.
Wir müssen versuchen das ganze nun sachlich aufzuarbeiten. Polemik ist hier fehl am Platz.
Grüße aus, einem zum glück teilweise noch weltoffenen, Dresden.
Philipp
@Philipp:
Das ist nach solchen Nachrichten natürlich ein erwartbares Phänomen. Und jetzt, wo sich der Typ in Paris auch als deutscher Flüchtling entpuppt zu haben scheint, wird das nicht besser werden.
Ich hab bei der Aufarbeitung von „Köln“ langsam Sorgen. Das wächst doch allen über den Kopf gerade und die CDU hat ja scheinbar auch schon wieder umgeschwenkt auf Asylrechtsverschärfungen. 🙁
Aber gut, ein bisschen Optimismus schadet sicher nie.
Natürlich schwenkt die CDU jetzt herum, Die Politik in Deutschland scheint ja ohnehin am liebsten den lautesten Rufen zu folgen, das ist am einfachsten und beruhigt die Schreihälse. Leider sind die vernünftigsten Stimmen auch immer die leisesten.
Bezüglich der Vorfälle, die ohne Zweifel verachtenswürdig sind, stelle ich mir seit Tagen die Frage: Wem nutzt es? Ich kann nur hoffen, dass auch in die Richtung ermittelt wird. Meine Sorge ist, dass die ganze Aktion gezielt von Kräften gesteuert war, die den Flüchtlingen, die wirklich Hilfe benötigen, schaden wollen. Sieht man die Reaktionen, wäre das wohl leider erfolgreich.
@N. Krause:
Naja …
Kennst Du Hanlon’s Razor? Wenn nicht:
„Schreibe nichts der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist.“
Dass sich besoffene Männer an Frauen vergreifen, ist leider eine ziemlich alltägliche Tragödie. Dass das durch eine Feier wie Silvester, wo etliche Menschen betrunken durch die Straßen ziehen, nochmal wahrscheinlicher wird, ist ebenso irgendwie logisch.
Ja, selbst Absprachen in diversen Gruppen, sowas zu machen, ist am Ende realistischer als irgendeine Form von Verschwörung.
Dass das jetzt rechten Hetzern nutzt, stimmt natürlich. Aber jetzt einfach mal davon auszugehen, dass die Täter nicht aus eigenem Interesse (oder wie schrieb die Polizei dieser Tage: „sexuellem Amusement“?) gehandelt haben, halte ich doch auch für sehr an den Haaren herbeigezogen.
Ich denke nicht dass da überhaupt Syrer dabei waren. So wie es den Anschein hat, waren da wohl eher Nordafrikaner unterwegs:
http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_76614276/uebergriffe-in-koeln-so-verwandeln-sich-marokkaner-in-syrer.html
Und hier spricht teilweise die Statistik eine sehr deutliche Sprache, ich zittiere:
„Den Statistiken der Kölner Ermittler zufolge werden 40 Prozent der nordafrikanischen Zuwanderer innerhalb eines Jahres straffällig.“
(http://www.sueddeutsche.de/panorama/ermittlungen-zu-den-uebergriffen-in-koeln-vor-allem-marokkaner-fallen-auf-1.2814336)
Bei den Syrern liegt die Quote so weit ich weiß bei 0,5%.
Wer jetzt sagt: „Alle Schwarzafrikaner sind Verbrecher, ich habs schon immer gewusst!!!123“ – ist natürlich weiterhin ein Idiot. WAS man aber in Betracht ziehen muss ist, dass die zu uns kommenden Menschen aus Afrika teilweise aus anderen Gründen als Flucht und Angst hier sind. Und da müssen wir uns überlegen, was wir machen.
Unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion muss für alle Menschen das gleiche gelten, und dazu gehört eben auch eine Kontrolle bei der Einreise/Flucht. Ich hoffe das wir das bald wieder organisiert bekommen, so das wir auch leichter die Straftäter erwischen und ausweisen bzw bestrafen (wenn ihr Heimatland unsicher ist) können. Denn wenn wir nicht deutlich machen, dass für alle – egal ob deutscher Pass, syrischer Pass oder gar kein Pass – die gleichen Gesetze und Regeln gelten, dann nutzen dass die falschen Leute einfach nur aus. Egal ob sie Frauen belästigen oder Flüchtlingsheime anzünden.
@DerInderInDerInderin:
Das derzeitige Problem ist aber doch auch weit weniger die Unterscheidung zwischen afrikanischen und arabischen Flüchtlingen. Idioten gibt’s nach wie vor überall und am Ende ist in dem konkreten Fall, in dem ein gut syrischer Kriegsflüchtling eine Frau vergewaltigt, egal, ob die Wahrscheinlichkeit größer gewesen wäre, dass jemand anders es getan hätte.
Es gibt hunderte Kriterien, in die man Menschen einteilen kann – und selbstverständlich treten da (auch durchaus relevante!) Häufungen zutage. Was an dem Hype um Köln wirklich schlimm ist, dass sexualisierte Gewalt gerade nahezu umfassend als „importiert“ betrachtet wird; als ob das nur von „denen“ ausgehen würde. Bei rund 20 angezeigten Vergewaltigungen täglich in Deutschland (mit wesentlich größerer Dunkelziffer als in Köln – und wie gesagt: Nur Vergewaltigungen!) sind die Vorfälle um Silvester für das Jahr 2016 schon bis Ende des Monats nahezu irrelevant in der Statistik. Was auch nicht verwunderlich ist, da die meisten Sexualstraftaten im Bekannten- oder Verwandtenkreis begangen werden. Deswegen ist es natürlich nicht falsch, die speziellen Probleme in Bezug auf Sozialisation und Religion zu thematisieren; allerdings ist das am Ende so ein kleines Teilgebiet des Problems „sexualisierte Gewalt“, dass man schon verwundert sein darf, weswegen ausgerechnet an dieser Stelle alle plötzlich da sind und mitreden, obwohl sie das Thema sonst eher für so ein Nischending gehalten haben.
Deswegen muss zweifelsohne jeder Täter bestraft werden, es geht da keinesfalls um irgendwelche Boni. Andererseits stellt sich in Anbetracht von Flüchtlingen trotzdem die Frage, wieso sie mehr (Knast plus Abschiebung) bestraft werden müssen als Deutsche, oder ob es ernstlich vertetbar ist, Menschen überhaupt irgendwohin abzuschieben, wo ihr Leben in Gefahr ist. Und ebenso wie wir hier trotz schlimmer Verbrechen keine Todesstrafe haben, sehen es meines Wissens nach die Gesetze nicht vor, Ausländern – auch wenn sie straffällig geworden sind – indirekt das Recht auf Leben zu nehmen. Unser Strafrecht basiert nicht ohne Grund nicht mehr auf dem altertümlichen Rachegedanken. Und gerade, wenn man glaubt, dass unsere Gesellschaft Vorteile hat, sollte man nicht vergessen, dass das Teil des Ganzen ist.
Und zu guter Letzt: Du hast Recht: „Weiche“ Regeln werden ausgenutzt. Immer. „Harte“ aber auch. Siehe die Sache mit der Todesstrafe und wie erfolgreich in z.B. den USA damit Schwerverbrechen verhindert werden.
Ja, es wandern derzeit auch Leute hier ein, die kriminell werden. Aber, jetzt mal unter uns, auch ich war schon kriminell: Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Ladendiebstahl, Sachbeschädigung, Nichtmitführen von Unterlagen … und als ob ich als Deutscher alleine damit wäre. Und bin heute doch eigentlich ein erschreckend problemfreies Mitglied der Gesellschaft. Es sind nie 100% perfekt und ich finde es vermessen, da unterschiedliche Anforderungen an Flüchtlinge und Deutsche zu stellen. Wie Du im Grunde ja auch gesagt hast …
Ich wünsche mir, dass noch viele, viele mehr kommen. Je mehr desto besser. Viele Millionen noch. So dass auch die toleranzbesoffenen Gutmenschen in ihren „national“ weitgehend „befreiten“ Zonen, sei es im Rotweingürtel oder in Ost-Berliner Plattenbausiedlungen, von den Segnungen der bunten Republik nicht verschont werden. Vielleicht, vielleicht ändert sich ja dein Blick, wenn Ozie drei oder vier Mal durchgereicht wurde. Je mehr kommen desto eher trifft es auch die Richtigen.
@Franky:
Soso, Vergewaltigungen sind also wünschenswert, wenn sie „die Richtigen“ treffen. Jetzt bin ich aber wirklich überzeugt, dass ich endlich den Leuten folgen muss, die deinen moralischen Kompass haben …
Ironisch ist dabei nur, dass wütende Typen, die locker mit sexualisierter Gewalt als Rachephantasie um sich schmeißen, vermutlich die wesentlich größere Gefahr für Frauen darstellen.
Die Diskussion wird sinnlos.
Wie hat Volker Pispers einmal gesagt: ein kleiner Teil der Migranten macht Probleme, aber ein nicht unerheblicher Teil der nicht-Migranten macht auch Probleme.
Wenn sich Ausländer in Deutschland so benehmen würde wie mancher Deutsche im Ausland, na dann…
Lass dich nicht auf solche Trolle ein.
@Philipp:
Ja, es ist sinnlos. Aber manchmal hab ich keinen Bock, einfach nur kommentarlos zu löschen …