Wir stillen das Spätzle gerade ab, und da es noch nicht sehr gut darin ist, trotz Anwesenheit der Mama nicht an Milch zu denken – und weil es nach anderthalb Jahren mal wenigstens etwas Geschlechtergerechtigkeit in diesem Punkt bringt – bin ich gerade dafür zuständig, den Kleinen zum Schlafen zu bringen.
Ja, zu bringen.
„Einschlafbegleitung“ ist so ein tolles Wort aus tausend Ratgebern, das suggeriert, man sehe dem Kind halt ein bisschen dabei zu, wie es von selbst einschläft. Kann sein, dass das alles noch kommt, ich werde sicher dereinst mit einem Geschichtenbuch neben dem Kinderbett sitzen, aber momentan ist es einfach mal nervenzehrend harte Arbeit.
Das Spätzle einfach ins Bett legen geht nämlich bisher nicht. Die Antwort ist bitterliches Weinen in so vielen Tonlagen, dass Opernsänger sich neidisch gen Marzahn verbeugen. Aber wer will’s dem Kind verübeln? Es fühlt sich alleine.
Deswegen haben wir neben dem Bettchen eine 140x200er-Matratze liegen, auf die ich mich mit dem Kleinen schmeiße, wenn er müde zu sein scheint. Meist findet er das schon komisch, weil es keine Milch gibt, also gucken wir ein paar Clips mit der Maus und dem Elefanten. Dafür, dass er die noch nicht einmal versteht, lacht er extrem oft an Stellen, die bittere Schadenfreude vermuten lassen. Aber sei es drum. Papa macht nach ein paar Minuten das Handy aus und versucht dann das aufkommende Weinen zu unterdrücken. Derzeit funktioniert das am besten, indem ich mich selbst ohrfeige und Schmerzenslaute von mir gebe, denn schneller kann man das Spätzle nicht zum Lachen bringen.
Dann wechseln wir schnell zu dem Part, wo das Spätzle mich „ohrfeigen“ darf. Das dauert höchstens eine Minute, dann lachen wir beide und ich kann den kleinen Feger kitzeln und knuddeln und er denkt nicht mehr an Milch. Super Schritt, hat sich bewährt.
Im Prinzip – will heißen: an den perfekten Tagen – kann ich ihm dann ein bisschen den Rücken streicheln und er schläft ein. Leider sind perfekte Tage rar gesäht. Im Normalfall also nehmen wir Schlafpositionen ein und ich versuche, langweilig zu sein, sprich zu „schlafen“. Meist hält das etwa so lange, bis das Spätzle sich aufrichtet und sich einmal längs über meinen Kopf wirft. Praktischer Zwischenschritt, denn da kann ich nochmal ohne Aufwand checken, ob vielleicht inzwischen die Windel voll ist.
Das mündet dann meist in Gewargel von der einen Seite zur anderen. Mal liegt das Spätzle rechts, mal ich. Ich „schlafe“, das Spätzle brabbelt. Ich „schlafe“, das Spätzle zieht mir am Bart. Ich „schlafe“, das Spätzle versucht, mir in der Nase zu bohren. Das zieht sich zwischen 2 und 45 Minuten, je nach Energielevel.
Ein weiterer Schritt – wenn es noch nicht zu einem plötzlichen Einschlafen kam – wird dadurch eingeleitet, dass der Kleine sich müde aufrafft und sich mit voller Wucht in meine Arme schmeißt. Was meistens bedeutet, dass unsere Köpfe zumindest für mich schmerzhaft aufeinander krachen. Was ist schon eine aufgeplatzte Lippe, wenn das Kind schlafen soll?
In dem Stadium ist das Spätzle wirklich müde und sucht nur noch Körperkontakt. Das ist toll und ausgesprochen niedlich, hat aber für mich als Erwachsenem mit dem Plan, das Zimmer später zu verlassen, den Nachteil, dass ich meist irgendwie unauffällig noch einen Arm unter dem Kind hervorziehen muss, es daran gewöhnen, ihm nicht in den Nacken zu atmen, etc. pp.
Meist geht das dann gut und ich kann mich nach ein paar Minuten entfernen. Wenn ich mich traue, komme ich etwas später nochmal zurück und lege den Wurm in sein Bett, damit er nicht nachts versehentlich von der Matratze kullert. Was bisher allerdings auch nur einmal passiert ist.
Wenn es nicht gut geht, geht das Spiel gerne mal wieder von vorne los. Oder in der Mitte, es ist jeden Abend anders.
Inzwischen habe ich es sogar zweimal geschafft, mit der Ansage, dass ich jetzt rausgehe, ein müdes Spätzle nicht weinend und folglich sehr schnell schlafend zu hinterlassen, aber das ist als Plan noch lange zu unsicher. Denn wenn er nicht klappt, dann müssen wir wieder beim richtig heftigen Weinen anfangen und ich mich wieder ohrfeigen lassen. Und ich will neben zweiterem auch ersteres nicht.
Ich will nicht lügen: Ich freue mich auf die Zeit, wo eine Geschichte reicht. Andererseits hab ich auch selten das Gefühl, mit dem Kleinen eine engere Bindung aufzubauen als beim Einschlafen. Nicht-Eltern verstehen das sicher nur bedingt, aber das Wissen, dass man sein Kind beruhigen kann, wenn es sehr schlecht drauf ist (und müde Kinder sind sehr sehr schlecht drauf!), ist ein über alle Maßen befriedigendes Wissen, eine Art heiliger Gral der Elternschaft. Und für mich als Vater, der kein Stillen als allmächtige Geheimwaffe bieten kann, umso mehr.
Also ja: Bitte lass das bald vorbei sein! Aber ebenso ja: Lass mich das Spätzle noch eine Weile beim Einschlafen „begleiten“!
Wow, so als Nicht-Eltern stellt man sich das leicht vor: Man sitzt oder liegt halt irgendwo, hat das Würmchen auf dem Arm oder auf der Brust/dem Bauch liegen, und irgendwann schläft es ein, und man kann es vorsichtig und sanft in sein Bettchen verfrachten.
Aber so klingt das wirklich ne ganze Ecke schwieriger, als ich mir das so bisher vorgestellt habe. Naja, vielleicht komme ich ja irgendwann noch mal dazu, das selbst herauszufinden – oder eben auch nicht, who knows.
@Wahlberliner:
Natürlich sind das nur persönliche Ausschnitte und dass alles nur eine Phase ist, wird ja auch immer wieder gesagt. Da ist sicher was dran. Vielleicht ist das in zwei Wochen vorbei, weil es eine Begleiterscheinung des Abstillens ist.
Aber was ich bisher mit Sicherheit sagen kann: Elternsein ist heftiger als alle sagen! Ja, einige malen da ohnehin schon schwarz, aber am Ende schafft der Nachwuchs es wirklich, gezielt auch noch den einen Knopf zu drücken, der zum Überlaufen notwendig war. Witzigerweise stimmt aber auch, dass es das irgendwie schon wert ist, einfach so. Weil das Kind da ist, weil es cool ist, man kann es nicht beschreiben. Es ist so ein kitschiges Klischee, das ich nicht bedienen würde, wenn ich es nicht genau so empfinden würde.
@Sash: Klar, das ist ja in unsere DNA eincodiert, dass wir das einfach cool finden müssen! Überleben der Spezies usw. 😉
Du hast eines vergessen, Sash! Die bleierne Müdigkeit, gegen die man ankämpfen muss, weil der Kurze ja die Nacht zuvor (und die Nacht *davor*) morgens um 4 schon wach war. Mir ist es schon passiert, das ich dann tatsächlich eingeschlafen bin, während der Kurze dann entschieden hat, das es nun langweilig sei, und er somit davon krabbeln wollte.
Eltern sein ist hart. Und es ist Arbeit. Tatsächlich ist es eines der härtesten Dinge, die ich bisher gemacht habe (und ich war früher beim Militär, da war es auch nicht immer besonders lustig). Aber wenn die Augen leuchten, wenn du heimkommst, und der Kurze wirft sich in deine Arme, dann ist das alles vergessen…
@DerInderInderInderin:
Ja, das ist eine gute Zusammenfassung. 😉