Bild hat ein Problem: Cem Özdemir ist jetzt „Grünen-Chef“. Und Türke. Schlimmer ja eigentlich noch: Muslim. Irgendwas müssen sie in der Redaktion machen, um das anzuprangern. bildblog hat gestern schon berichtet, wie falsch der Bild-Titel mit dem geforderten Türkisch-Unterricht war, und wie falsch auch die erste Meldung an diverse Agenturen war.
Ich möchte hier aber gerne noch einmal auf den geforderten Türkisch-Unterricht eingehen. Gestern war die Headline der Bild ja wortwörtlich: „Grünen-Chef Özdemir fordert Türkisch-Unterricht an deutschen Schulen!“ Dass das für viele, die so oder so „zu viele Kanaken in Deutschland“ sehen, ein rotes Tuch ist, das kann man sich vorstellen. Es wirkt sogar für den ein oder anderen liberaleren Menschen skuril. Hier der entsprechende Ausschnitt aus dem Interview:
- Was so alles als Forderung durchgeht…
Ich hab jetzt kein Studium hinter mir, sondern nur Leistungskurs Deutsch gehabt, aber ich glaube, eine Forderung sieht ein wenig anders aus. Dabei sollte man vor allem anmerken, dass schon die Frage eine deutliche Antwort provoziert hat. Mal ganz gleich, was Özdemir will oder nicht will: Er hat die Klippe eigentlich gut umfahren, denn er ordnet Türkisch nicht nur „neben Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch“ als eine von vielen Sprachen ein – noch dazu in fragender Form – nein, er sagt auch ganz klar: „Deutsch muss für Kinder, die hier leben und aufwachsen, immer die wichtigste Sprache sein.“ Das ist ja schon fast O-Ton der „Leitkultur“-Pleite der CDU vor Jahren. Nun weiss ich nicht, ob die Bild-Schreiberlinge einfach nach dem „Auf jeden Fall.“ einfach nicht weitergelesen haben, was sich irgendein Praktikant da von Özdemir erzählen lassen hat, oder ob sie es nicht wahrhaben wollten, dass der Innbegriff des undeutschen Politikers (Hey, Türke, Schwabe, Muslim, Vegetarier – wenn Özdemir auch noch schwul wäre, wäre der Skandal doch perfekt!) sich als eigentlich ganz netter und gar nicht so schlimm ausländischer Mensch zeigt.
Denn trotz des gestrigen Null-Auswurfs macht bild.de heute munter weiter. „Lob und Tadel für Özdemir-Vorschlag“ (schaut euch mal die url an: wofür es Lob und Tadel gibt…) gibt es heute auf meiner Lieblingsseite. Und da liest sich dann z.B. folgendes:
- Irgendwoher kenne ich die Forderung… stimmt ja: Von Özdemir
Quelle aller Screenshots: bild.de
Maria Böhmer fordert „allerdings“, dass Deutschunterricht Vorrang habe, will heißen: Sie widerspricht, bzw. sie erlegt dem von Özdemir Gesagten Forderungen auf. Und welche? Richtig: Die selben, die Özdemir himself angesprochen hat.
Ich will ehrlich sein: Das ist kein „Skandal“, kein Verbrechen. Es zeigt nur einmal mehr, wie Bild versucht, Stimmung zu machen. Hier wird – auch wenn das Interview verlinkt ist – suggeriert, dass Özdemir etwas gesagt hat, bei dem alle widersprechen müssen, obwohl das gar nicht der Fall war. Schon die gestrige Schlagzeile: „An deutschen Schulen!“ Ja, wo denn sonst? Der Kerl ist bei den Grünen in Deutschland, und das mit dem Türkisch-Unterricht ist auch nix wirklich neues. Denn natürlich kann man an deutschen Schulen schon jetzt türkisch lernen – aber eben nicht an allen. Und Özdemir fordert nicht Türkisch als erste Fremdsprache, und schon gar nicht als Ersatz für Deutsch.
Alles, was diese Artikel bei Bild und bild.de zeigen sollen, ist, dass Özdemir komische Sachen plant, die bisher keiner geplant hat. Schließlich ist er der erste Türke an einer Parteispitze, der erste Muslim, und wenn Hitler nicht Vegetarier gewesen wäre, dann würde ich keinen Cent daruf verwetten, dass Bild Özdemir da nicht auch zum ersten gemacht hätte. Und irgendwie ist das eklig.
PS: Bei allen zum Teil sehr wohlwollenden Ausführungen hier: Das ist keine Wahlwerbung für den Herrn Özdemir, nur dass wir uns da verstehen.
Englisch, Französich, Spanisch sind Weltsprachen, das ist ja wohl Türkisch kaum…Deutsche Schulkinder sollten vor allem Deutsch lernen und das richtig gut…Dann können sie auch Englisch, Französisch und Spanisch lernen… und meinetwegen Türkisch.
Das sage ich, die ich weder eine CDU-Wählerin bin noch Rechtsradikale gut finde…
Frage: Können eigentlich in der Türkei auch Deutsche Abgeordnete werden? Wird da an den Schulen Deutsch als Fremdsprache angeboten?Dürfen da unsere christlichen Kirchenfür ihren Glauben werben und Kirchen bauen?
Das ist mal wieder typische Bild-Stimmungsmache. Ist doch nichts neues mehr. Man muss eben jedem Menschen soviel Verstand zutrauen, dass er dahinter steigt.
@ Sica – Cem Özdemir ist Deutscher! In der Türkei gibt es durchaus Kirchen und deutsch wird, soweit ich weiß, als Fremdsprache angeboten. Ist dir eigentlich bewusst, dass derartige Ansichten die Integration in Deutschland am meisten ausbremsen?
@Sica:
Türkisch ist vielleicht nicht gerade Weltsprache, aber durch die vielen Türken, die in Deutschland leben und die vielen Deutschurlauber in der Türkei ist die Sprache sicher interessant für den einen oder anderen. Ich bin zwar selbst ein schlechter Sprachenlerner, aber ich würde türkisch wahrscheinlich vor spanisch wählen, weil es mir im Alltag mehr bringen würde.
Ich wollte auch nichts dagegen sagen, dass Deutsch erste Sprache hier ist und Unterrichtssprache. Aufgrund der besseren Kommunikation kann ich mich da als radikaler Linker auch mit anfreunden.
Was deinen letzten Absatz angeht: Finde ich schade, dass du das anfügst, denn selbst die hier lebenden Türken (und da mag es viele unschöne Beispiele geben) können wenig dafür, was in ihrer Heimat passiert. Ich denke nicht, dass es sinnig ist, hier einen Moscheebau zu verhindern, weil in der Türkei keine Kirche gebaut werden darf. Zumal man meinetwegen sowieso alle Sakralbauten zu Museen umwandeln könnte 😉
Ich finde es angemessen, auf Misstände in der Türkei hinzuweisen, aber hilfreich für eine Debatte, was hier passiert oder passieren soll, ist es meiner Meinung nach nicht.
Zumal meine Hauptkritik eingentlich war: Cem Özdemir FORDERT KEINEN TÜRKISCH-UNTERRICHT! Er sieht ihn als Bereicherung für die zweisprachigen Kinder – und die, die Interesse daran haben – an, und das kann ich so unterschreiben – selbst wenn es um kirgisisch geht.
@sica: Genau deine Forderung vertritt auch Özdemir: „Deutsch muss für Kinder, die hier leben und aufwachsen, immer die wichtigste Sprache sein.“
Aber die Bild versucht genau diesen Sachverhalt untergehen zu lassen, indem sie ihm eine bescheuerte Forderung in den Mund legt, die er so nicht gesagt hat: „Grünen-Chef Özdemir fordert Türkisch-Unterricht an deutschen Schulen!“
@Roadrunner:
Traurig nur, dass nicht alle Menschen diesen Verstand haben…
Zu deinem Kommentar zu Sica: Nicht gleich „ausrasten“. Ich kenne Sica hier als sehr tolerante Diskussionsteilnehmerin, die zwar durchaus mal konträre Meinungen vertritt, allerdings meist mit Bedacht. So sehr das Thema es zulässt: Ich glaube, wir schaffen das ohne Schlammschlacht hier. Soll auch von mir jetzt nicht wie ein Schlag auf den Kopf kommen, denn ich finde die Kritik grundsätzlich berechtigt.
Ob es „diese“ Ansichten sind, die die Integration am meisten ausbremsen, das weiss ich nicht so recht. Es ist nunmal ein vielschichtiges Thema. Weder sind die Politik, noch die Medien, die Migranten selbst oder die Vorurteile der Deutschen alleine schuld. Jeder der beteiligten muss sich an der eigenen Nase fassen, wenn ein Zusammenleben funktionieren soll. „Auge um Auge“ halte ich aber auch für eine falsche Strategie, da – wie in meinem Kommentar zu Sica schon erwähnt – die Türken hier auch nichts dafür können, wenn ihre zuhause gebliebenen Landsmänner oder Politiker einen an der Klatsche haben.
@Ozie:
Danke! Auf den Punkt gebracht!
Die gute alte Bild-Zeitung… Ich frage mich immer wieder, wann die endlich pleite gehen.
😕
@Paramantus:
Wenn man den Verkaufszahlen glaubt, dann wird es eine Weile dauern, aber sicher eintreten. Könnte mein persönlicher Feiertag werden 😉
Ich gebe zu, dass ich ein wenig überreagiert habe. War keine Absicht! Mich regt es nur immer tierisch auf, wenn man immer nur die selben Argumente hört.
hm, türkisch als schulfach halte ich für eher kontrproduktiv. es gibt hier ortteile, in denen viele türken kaum deutsch sprechen. sie haben null interesse daran und das würde dadurch irgendwie nur mehr gefördert werden. was nciht heisst, das ich französisch als schlusprache sinnvoll halte. der selbe käse in grün. mal davon ab, das viele franzosen sich schlicht weigern deutsch zu sprechen obgleich sie es können. explizied im elsass.
ob nun ein deutscher türkischer abstammung die grünen anführt, ist mir relativ… die grünen ansich sind mir ein groll. die haben mich persönlich ein vermögen gekostet und durch unsinnige rot-grüne politik unzählige arbeitsplätze gekostet. ich spreche hier von meiner branche. alles kleckerzahlen. wen interessiert es denn, wenn keinunternehmer 2 leute rausschmeissen aber hier hat es die masse gemacht… grummel, mecker, motz… ich wollte hier doch nicht mehr über politik diskutieren 😉
Also ich denke nicht, dass es kontraproduktiv wäre. Ich denke, es ist mitunter ganz sinnig, wenn fremdsprachige Menschen auch einen Raum haben, in dem sie ihre Sprache sprechen können – gerade außerhalb der Familie, des „Ghettos“. Für viele wäre das vielleicht ein Fach, wo sie mal gute Noten bekommen würden, was vielleicht im Einzelfall schon hilft.
Wer sich wann wie der deutschen Sprache verweigert, das ist mir wieder relativ… so lange man sich damit nicht gegenseitig das Leben schwer macht. Wenn’s sein muss, reichen eh Hände und Füße 😉
Ansonsten: Gut, dann diskutieren wir hier nicht über Politik!