Dass man vor Gericht und auf hoher See alleine in der Hand Gottes ist, habe ich in den letzten Monaten zur Genüge gehört. Ich habe mich mit dem Prozess gegen meinen Ex-Vermieter dennoch immer relativ sicher gefühlt. Da das bei mir als Atheist nicht zwingend das Gleiche ist, war das ein Widerspruch, den das Gericht offensichtlich so nicht stehen lassen konnte.
Ich bin noch nicht soweit, dass ich mich ernstlich aufrege über die Geschichte, aber ich stelle mir in manchen Momenten gerne das Gesicht der Richterin vor, und lache dabei, wenn ich überlege wie es aussehen würde, wenn sie die tatsächlichen Umstände dieses Rechtsstreits sehen könnte und sich dann ihre eigenen Beschlüsse durchliest.
Das ist ernsthaft keine Beleidigung, denn mir ist durchaus klar, dass sie zwei Versionen des Geschehens kennt und natürlich unserer nicht mehr Glauben schenkt als der der Gegenpartei. Und keine noch so plastische Schilderung verschafft einem ein Gefühl für die Situation wie das eines am Geschehen beteiligten. Pornokonsumenten kennen diesen Unterschied wahrscheinlich mit am Besten.
Ja, ihr habt es erraten: Es gibt News. Ein Beschluss. Zur Beweisaufnahme.
Das ist grundsätzlich so ziemlich das ärgerlichste, denn es bedeutet einen nicht geringen Aufwand für so ziemlich alle Anwesenden. Das wirklich Traurige vorneweg: Ich bin nach wie vor kein Jurist, aber nichts in diesem Verfahren gesagtes oder geschriebenes haben mich bisher davon überzeugen können, dass es gesetzlich nötig wäre, sich über all den Kram zu unterhalten, der jetzt seit einem halben Jahr Thema ist. Ich halte nach wie vor den Versuch Dieters, die Kaution einzubehalten und das im Nachhinein mit einer Aufrechnung zu begründen für nicht haltbar, verjährt, albern und ungerecht, und sollte uns ein anderes Urteil gesprochen werden, dann sehe ich das – wie Rechtsanwalt Jens Hänsch kürzlich einen Anwalt zitiert hat – „lediglich als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Berufung“. (via Lawblog)
Aber vorerst streiten wir uns weiter um angeblich von mir verursachte Schäden.
Die Existenz derselben – wir sind immer noch bei „Graffiti“, beklebten Badfliesen und einer kaputten Duschabtrennung – soll nun bewiesen werden. Das ist grundsätzlich ja gar nicht mal schlecht, weil es immerhin bedeutet, dass die Kostenvoranschläge, deren Wahrheitsgehalt wir ja bezweifeln, offensichtlich nicht ausreichen. Leider ist das nicht alles. Unsere Gegenbeweise werden offenbar ebensowenig anerkannt. Ganz offensichtlich geht es nun tatsächlich darum, ob die Schäden zum fraglichen Zeitpunkt verursacht wurden. Das ist beim größten Part, den „Graffiti“ völlig irrelevant, da es rechtlich eindeutig ist, wer das Streichen zu übernehmen hat. Aber das ist nichts – aber auch GAR NICHTS – gegen die Form der Beweisaufnahme:
2. Der Beweis wird erhoben durch Vernehmung des Zeugen René, zu laden über die Beklagten.
Das heisst also, um das noch mal klarzustellen: Die Vernehmung von René, der zum fraglichen Zeitpunkt niemals in der Wohnung war, soll nun also bezeugen, dass die Schäden in der Höhe, die in offensichtlich gefälschten Kostenvoranschlägen dargelegt wird, noch nicht, bzw. schon existiert haben.
Sollte jemand einen Film über das Verfahren planen: Lasst diesen Vorschlag aus, das glaubt niemand!
Aber wie gesagt: Das ist natürlich nur unser Standpunkt. Für die Richterin ist René – obwohl wir seine Anwesenheit stets bestritten haben – natürlich der einzige Zeuge für die Beklagtenseite – und mehr noch: auch der einzige Beweis überhaupt, der von ihnen angekündigt wurde.
In seiner Haut möchte ich jetzt nicht stecken, ehrlich! Es ist unwahrscheinlich, dass Dieter noch weitere Beweise erbringen kann, womit das Verfahren mit René stehen und fallen könnte. Und welche Rechtsmittel mir bei mancher Art von Aussage bleiben, weiss ich…
Bevor ich es vergesse: 2 unserer Zeugen sind auch zur Vernehmung geladen.
Ja, die Zeichen stehen auf Kurzurlaub in Stuttgart zur Sommerzeit. Der Termin steht fest, nicht allerdings, ob und wie wir genau hinkommen werden. Gibt ja auch noch vielfältige Formen der Vertretung etc. Ist also alles noch halbgar und nähere Infos werden erst noch folgen.
Und meinem Prozessgegner rate ich ganz dringend, die Notbremse zu ziehen, bevor es kriminell wird.
Das ist aber nicht zwingend der Fall. Wenn die Richterin z.B. einen Teil der Gegenansprüche als begründet ansieht, einen anderen Teil aber nicht, und euch dann z.B. 500 Euro zuspricht, dann habt ihr mit einem Betrag von weniger als 600 Euro verloren und eine Berufung ist nicht zulässig…
Habt ihr euch jetzt eigentlich einen Anwalt genommen, oder ist das immernoch mehr oder weniger ‚Selbstverteidigung‘?
@Marco: Das Urteil ist eine notwendige Bedingung, aber leider keine hinreichende… 🙂 Aber die Richterin könnte die Berufung ja auch bei unter 600 EUR zulassen, ob wir das dann wollen, steht auf einem anderen Blatt.
@Nick: Selbstverteidigung? Nennt man sowas nicht Notwehr? 😉
Ich bewundere deinen Humor. Mir ist er seit einigen Prozessen mit meinem Vermieter vergangen. Und vergeht mir mehr und mehr bei jedem weiterem. 2 Prozesse noch anhängig, ein weiterer nun in Berufung. Da lache ich nicht über das Gesicht der Richter, die ich mir dann beim Durchlesen eigener Beschlüsse vor mir sehe. Da kommt mir eher das Grausen ob der Entscheidungsfindung und der fehlenden Logik eben dieser Amtspersonen. Und das Ganze verkommt mehr und mehr zur Farce.
Mein Gerechtigkeitsglaube und meine Naivität bezüglich Recht, Gesetz und Richter ist jedenfalls dahin. Und das ist das eigentlich Traurige an der Geschichte. Abgesehen von den vielen Kosten natürlich.
Seht zu, daß ihr das zu einem guten Ende bringt. Und laßt euch rechtlich beraten. Da geht man manchmal schneller den Bach runter als man vermutet.
Danke für Deine Prozessberichte hier im Blog. Es ist immer wieder interessant, wie Laien Prozesse erleben, was sie beobachten und welche Dinge für sie relevant sind. Als Anwalt ist man durch Ausbildung und Beruf so professionell deformiert, dass man vieles als völlig normal ansieht, was für Parteien oder Zuschauer ungewöhnlich oder rätselhaft erscheint.
@Marco:
OK, zugegeben: Das wäre vielleicht das Worst-Case-Szenario. Davon wollen wir mal besser nicht ausgehen.
@Nick:
Wir machen das immer noch selbst. Wobei ich als Kläger nicht gerne auf den Begriff der „Verteidigung“ zurückgreife 😉
@ednong:
Ich bin ja in der „luxuriösen“ Situation, dass ich selbst klage, von dem her also eigentlich nur gewinnen kann. Die Kosten kann ich vorher abwägen und mir Gedanken machen, ob es mir das wert ist.
Zweifel kommen mir auch bisweilen, aber wenn man es mal locker betrachtet, hab ich ein paar Euro in die Wagschale geworfen und lerne seit einem Jahr eine Menge, hab endlos viel zu bloggen, viel interessantes auch im Dialog erfahren, Berührungsängste abgebaut, Selbstvertrauen gewonnen und einen Haufen Leute unterhalten.
Seien wir ehrlich: Das gleiche Geld hätte ich in einer Nacht in einem Nachtclub schon für Getränke raushauen können. Das machen auch manche. Ich finde meines besser angelegt 🙂
@Christian:
Danke! Freut mich zu hören, damit auch Profis in dem Geschäft irgendwas bieten zu können 🙂
Und wenn schon jemand „vom Fach“ hier reinschaut: Mich würde mal eine Kleinigkeit interessieren, die ich mir als Laie nicht erklären kann.
Kann man eine Forderung (also im juristischen Sinne) tatsächlich haben, ohne sie irgendwie zu kommunizieren? Als Laie geht man irgendwie davon aus, dass auch eine entsprechende, wie soll ich sagen, Forderung (im Sinne von Hinweis, Mahnung, Rechnung, Aufforderung) oder dergleichen vorliegt.
Und keine Sorge: Ich will das nicht als verbindliche Aussage für mein Verfahren. Ich würde nur gerne wissen, ob ich da wirklich so falsch lag.
Naja, wenn du es denn übrig hast. Und gut, du hast geklagt. Bei mir ist es der Vermieter. Heut kam dann die 4. Klage. Zugestellt per Zustellurkunde, die hinter dem Klingelschild vor verschlossener Tür nur auf einen vorbeilaufenden Passanten gewartet hat. Das nennt die Post dann Zustellung. Foto werd ich dann nachher mal in meinem Blog zeigen.
@ Sash
Ja, kann man. Forderung bedeutet im juristischen Sprachgebrauch nichts anderes als Anspruch. Einen zivilrechtlichen Anspruch kann man auch haben, wenn man ihn nicht geltend macht. Es gibt z.B. Menschen, die überhaupt nicht wissen, dass sie einen Anspruch, also eine Forderung, gegen eine andere Person haben. Andere wollen ihre Forderung nicht (oder noch nicht) geltend machen. Und dann gibt es in unserem Zivilrecht auch noch die schöne Regelung, dass man seine Forderung auch an andere abtreten kann, z.B. im Rahmen eines Forderungsverkaufs. Man muss die Forderung also gar nicht geltend machen, kann aber trotzdem von ihr profitieren.
@ednong:
Was heisst schon „übrig“. Ich finde das der Kohle wegen kein bisschen witzig. Und die 100 €, die jetzt im Vorfeld für die beiden Zeugen von uns anfallen – kein Plan, wo wir die wirklich hernehmen.
Aber es ist eine irgendwie dann doch überschaubare Sache. Das macht es erträglich. Und Zynismus und Sarkasmus sind eine herrliche Methode, damit umzugehen.
Dir natürlich auch viel Glück! Dass sowas nicht per se witzig ist, ist mir ja klar! Und die Zustellung ist wohl ein schlechter Witz…
@Christian:
Danke für den kurzen Aufriss! Man lernt ja nie aus.
Ich hab mich gestern auch noch mal mit Ozie reingekniet in diese Geschichte, weil wir es nach wie vor für ungerechtfertig halten, dass die Richterin mich bezüglich der Verjährung recht rüde abgebügelt hat. Aber gut, zugegeben: Der Forderungsbegriff taucht in dem Zusammenhang doch eher nebensächlich auf.
Ist ja nicht leicht für einen Laien, da einen Überblick zu behalten 🙂