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Blumen

„Blumen? Blumen sind bunt und sterben schnell. Damit wären sie hinreichend erklärt.“

– Ozie.

Wir sind wohl beide keine sonderlich überzeugten Blumenfreunde hier. Wobei ich anmerken möchte, dass ich Blumen deswegen nicht irgendwie schlimm finde – aber so unachtsam, wie ich meine gewohnte Umgebung betrachte, fallen mir Blumen im Haushalt meist erst nach dem Verwelken auf, was ihren Daseinszweck irgendwie einschränkt.

Nun aber hatte ich von einer Taxikundin eine schöne und reich dekorierte Schnittblume geschenkt bekommen. Irgendwas rosenartiges in rot und gelb. Ich sollte sie „meiner Freundin oder Frau“ schenken. Die Kundin selbst gab zu, sie im Laufe des Abends auch geschenkt bekommen zu haben („Ja, ich weiß, weiterverschenken … sowas macht man eigentlich nicht.“), nun aber wollte sie noch in eine weitere Kneipe, und da störe sie das Gestrüpp nur.

Ich tat wie mir geheißen, woraufhin sich das Gespräch entspann, aus dem obiges Zitat stammt. Noch viel wichtiger aber als dieses Zitat war ein dazugehöriger Gedanke von Ozie, den ich mal als Empfehlung weiterreichen möchte:

Schnittblumen sind kurzlebig in ihrer Schönheit und die Freude über sie ist im Normalfall zumindest begrenzt. Sind halt Blumen und keine Haushaltsroboter. Insofern ist es doch eigentlich eine tolle Idee, eine Blume während ihrer kurzen Restlebensdauer unter möglichst vielen Menschen hin- und herzureichen. So als Kettengeschenkblume oder so. Man könnte zumindest mal drüber nachdenken.

Vorzeitiges PS: Falls dieser Blogeintrag für das Aussterben des Floristenhandwerks gesorgt haben wird, werde ich mich rechtzeitig entschuldigt gehabt haben – versprochen!

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Wir müssen reden. Über Hochzeiten.

Noch gar nicht so lange her ist der 15.5.15, ein Tag, so bedeutend, dass wieder einmal im Radio erzählt wurde, dass das ein beliebter Hochzeitstermin wäre – schon alleine, weil selbst der bekloppteste Ehemann der Welt sich so ein Datum merken könne. So für sich gesehen mag das seine Richtigkeit haben, aber wie so oft ist die Realität komplizierter. MERKEN kann man sich einen solchen Tag sicher gut. Wenn es also darum geht, beim gemeinsamen Sektempfang nicht ins Stammeln zu geraten, dann … na, meinetwegen: Heiratet an solch Tagen mit Schnapszahlen! Aber lasst Euch gesagt sein, dass es noch besser geht.

Ich stand ja mit Ozie vor genau diesem Problem: Einer der Tage, der uns prima in den Kram gepasst hätte, war der 11.11.2011. Ja genau, sowas werden alle, die das lesen, nicht noch einmal erleben. Was für eine Chance!

Nein. Nicht.

OK, um mal ehrlich zu sein: Natürlich war es anfänglich Trotz: Wie jedes Pärchen wollten wir unbedingt anders sein, es nicht so billig handhaben, den 11.11.11 einfach verstreichen lassen. Wir waren eindeutig zu cool für „sowas“. Pah!

Inzwischen sind wir mehr als 3 Jahre verheiratet. Natürlich kein Rekord, aber um Rekorde sollte es da sowieso nicht gehen. Ich möchte dennoch mal klarstellen, dass neben der Entscheidung, eine wunderbare Frau zu heiraten der mindestens zweitbeste Plan war, es nicht am 11.11.11 zu tun, sondern am 18.11.11.

Ja, das ist scheiße zu merken! Bei besagten Sektempfängen kann ich also schonmal nicht punkten. Aber …
Aber?
Ja, ABER:

Der erste geile Punkt ist, dass man sich das Datum vielleicht nicht merken kann, es aber für das Wesentliche der ganzen Geschichte – der Beziehung, die nun eine Ehe ist – viel mehr hilft, an den Tag erinnert zu werden, wenn es soweit ist. Der 11.11. ist Karnevalsbeginn, der 12.11. mein Geburtstag, den Tag kriege ich auf jeden Fall mit. Und mit einer Woche Vorwarnzeit vor dem eigenen Hochzeitstag werde ich nie Amazon-Prime-Kunde werden müssen – während all die, die am 11.11. geheiratet haben, der Grund sind, warum es 24h-Blumenläden gibt. 😉

Der zweite geile Punkt ist dann, das quasi niemand eine Woche nach so einem Welttermin heiraten würde!
Meine Hochzeit hat das nicht erforderlich gemacht, aber ich wette, dass Festsäle, Kutschen, Pferde, Torten und all das eine Woche nach einem „Tag der Tage“ für einen Appel und ein Ei zu haben sind. Man nimmt also die wesentlichen terminlichen Vorteile mit, heiratet aber quasi in der Nebensaison. Wie geil ist das denn bitte?

Ich meine das ernst: Natürlich sind gut merkbare Tage hilfreich – aber wer das voll ausnutzen will, heiratet eben genau dann NICHT, sondern ein bisschen später.

PS: Abgesehen davon sollte man seinen Hochzeitstermin natürlich ohnehin nicht nach dem Kalender auswählen, sondern aufgrund besserer Argumente. Dem Rentenplan oder bevorstehender Strafprozesse etwa, bei denen man gegeneinander aussagen müsste. Aber das ist ja wieder ein anderes Thema.

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Wenn Kunst das Leben zerstört

Ich habe in den letzten Tagen bestürzt mitverfolgt, wie die Stadt Palmyra in Syrien vom IS attackiert wurde. Ich war nie in Palmyra, ich kenne dort niemanden und ehrlich gesagt habe ich vor den Meldungen über das Vorrücken des IS Palmyra nicht einmal gekannt. Wie das halt so ist in einer für einzelne Menschen doch sehr großen und unüberschaubaren Welt. Ebenso ist Palmyra natürlich ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um den IS anzugehen, schließlich hat diese Terrororganisation schon viele Menschenleben gefordert, was natürlich in keiner Relation zu eventuell zerstörten Ruinen steht.

Andererseits finde ich das Vorgehen des IS gegen Kunst und Kultur als sehr bezeichnend für ekelerregende Weltanschauungen, auch wenn da einzelne Akte des Vandalismus natürlich im Prinzip hinter Tötungen von Menschen zurückstehen müssten.

Aber man muss leider sagen, dass das Töten von Menschen weltweit leider eine gewisse Normalität ist. Abgesehen von der recht bescheidenen Kriminalität in sicheren Staaten wie unserem ist das Töten unliebsamer Gegner im Krieg gang und gäbe. So erschreckend es auch sein mag, es ist ein relativ vertrautes Motiv, Menschen wegen ihrer Herkunft oder ihrer politischen Überzeugung umzubringen. Ganz einfach, weil sie eine konkrete, ggf. akute, Gefahr darstellen. So lösen wir Menschen Konflikte zumindest bisher leider.

Das Vernichten von Kunst und Kultur hingegen mag zwar insgesamt auch nicht selten sein, ist aber wesentlich mehr den ganz großen Bewegungen und Staaten vorbehalten. Vermutlich nicht grundlos, denn einzelne Soldaten im Schlachtfeld kümmert in der Regel sicher mehr das eigene Überleben und weniger die Auslöschung ganzer Kulturen. Man beseitigt im Kampf Gefahren, nicht Ideen.

Wir in Deutschland haben da ja Erfahrung. Unter Hitler wurde „entartete“ Kunst vernichtet, und auch die DDR war zumindest mal bemüht, militaristische Denkmäler abzureissen und Straßen umzubenennen.

Nun kann ich, dank eigener politischer Befangenheit, nicht verhehlen, froh zu sein, nicht in einer Straße zu wohnen, die z.B. nach Hitler benannt ist. Andererseits sehe ich die Welt nicht nur als politischer, sondern auch als interessierter Mensch. Zumindest mir hilft es, die Vergangenheit zu verstehen, indem ich ihre Spuren finde. Klar, seit Hitler existieren Massenmedien, da muss man eine Straße nicht nach geschichtsträchtigen Personen benennen. Aber unser Wissen über das Mittelalter, die Antike, die Ursprünge unser selbst, sind nur lückenhaft überliefert. Wer da recherchieren will, Dinge herausfinden, der ist auf die überlieferten Kunstwerke angewiesen. Weil wir sonst kaum etwas haben. Und natürlich werden die Spuren umso dünner, je weiter wir in die Vergangenheit blicken wollen, es geht bei Wehklagen um die Verluste von Kulturschätzen nicht um persönliche Pettitessen. An sowas hängt unser aller Verständnis von der Welt, in der wir leben!

Dass der IS Kulturdenkmäler zerstört, ist natürlich genauso logisch.  Ihnen geht es ja eben nicht darum, die Welt zu erklären, wie sie ist – sondern darum, alles aus der Welt zu schaffen, was ihrer irrationalen Überzeugung widerspricht. Es geht nicht darum, was man aus der Geschichte lernen kann, es geht darum, wie man die tatsächliche Geschichte um das bereinigt, was der eigenen Ideologie nach nicht existieren darf – obwohl es das natürlich tut. Und deswegen halte ich den IS auch genau wegen Palmyra und Nimrud für viel schlimmer als einige andere ebenso verachtenswerten Gruppen:

Es reicht ihnen eben nicht, eine wie auch immer geartete Opposition aus dem Weg zu räumen. Darüber hinaus versuchen sie nämlich, die Geschichte zu ihren Gunsten zu verändern, sie versuchen, falsche Wahrheiten zu etablieren. Kurzfristig betrachtet ist das eine Kleinigkeit neben all den Morden, das gebe ich zu. Langfristig aber ist das eine viel erschreckendere Strategie, die man nur bei Bewegungen findet, die schon seit jeher für ihren Vernichtungswillen bekannt sind: Religionen.

Es geht nur darum, dass Kunst – welcher Art auch immer – für Menschen mit religiösen Wahnvorstellungen unerträglich ist, wenn sie nicht in deren Raster passt. Sie fühlen sich angegriffen und beleidigt deswegen, um nix mehr als diesen Blödsinn geht es. Und dafür vernichten sie Kunst, die uns allen ein besseres Verständnis unserer Geschichte liefern könnte, uns zeigen könnte, was Menschen in der Vergangenheit besser oder – sehr wahrscheinlich! – schlechter gemacht haben. Die Leute haben sich in ein irrationales Glaubenssystem verirrt, das unser Leben ärmer macht. Die sind wirklich kaum besser als Nazis, und das will was heißen. Sich von jahrtausendalter Kunst so im eigenen Leben gestört fühlen … gibt es dafür eine Diagnose?

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Wenn ich schon über Mode blogge …

… also im weitesten Sinne.

Drüben bei GNIT hab ich mich etwas amüsiert gezeigt über den engen Rock einer Fahrgästin, die kaum ins Auto gekommen ist wegen dem Teil – weil sie schlicht die Beine nicht soweit auseinander bekommen hat.

Aber ausgerechnet beim Schreiben ist mir eingefallen, dass ich das vom Prinzip her sehr gut kenne, tatsächlich hatte ich währenddessen beinahe sowas wie ein Phantomgefühl im Oberschenkelbereich.

Nun hab ich mich für Röcke nie so wirklich begeistern können, sondern hab meine Erfahrung eher der modischen Ausnahmeerscheinung der mittleren 90er zu verdanken – den tief getragenen Hosen. Einer der wenigen wirklich bescheuerten Trends, denen ich je gefolgt bin, wobei ich da durchaus gnädig mit mir selbst bin. Ich find’s von der Sache her albern, aber so war das halt und es hat mein ästhetisches Empfinden durchaus beeinflusst.

Für die, die zu jung waren – und alle mit anderen Peergroups damals: Es hat sich damals insbesondere unter Skatern der Trend entwickelt, die Baggypants nicht mehr da zu tragen, wo man Hosen gemeinhin trägt, sondern deutlich tiefer. Heute gibt es eine Menge Hosen, die den Schritt extra tief haben, um so etwas zu suggerieren, wir in den Anfangstagen haben uns die Hosen einfach tatsächlich nicht mehr über den Hintern gezogen, sondern sie darunter getragen.
Um das zu tun, brauchte man zum einen einen Gürtel, den man enger schnallen konnte und zum anderen natürlich vorzeigbare Unterwäsche, am besten Boxershorts. Denn obwohl man natürlich umso längere Oberbekleidung getragen hat … sagen wir es mal so: Man hat damals eine Menge über die Unterwäsche seiner Kumpels gewusst.

Wenn mir heute mal eine Hose rutscht, weil ich ein paar Kilo abgenommen hab, dann frage ich mich manchmal, wie ich das damals überhaupt hinbekommen hab – aber es ging. Man hat sich halt angewöhnt breitbeinig zu gehen, und das sieht auch nur halb so lächerlich aus, wenn für den Beobachter nicht ersichtlich ist, wo die Beine überhaupt anfangen.

Ich kann heute auch drüber grinsen, dass es Partyfotos gibt, auf denen man meine Unterwäsche sieht, ach Gottchen, zumal es mich wundern würde, wenn es die jemals bis ins Netz schaffen.

(Im Übrigen bin ich da sehr gelassen und höchstens neugierig, was irgendwelche alten Freunde mal auspacken, sollte sich irgendwann mal sowas wie Prominenz bei mir abzeichnen. Weiß man als Autor ja nie. Aber ich weiß, welche Klamotten ich getragen, welche Drogen ich genommen habe, mit wem ich Sex hatte und welche Fotos es theoretisch noch geben könnte. Und mit dem meisten könnte ich gut leben, heute noch. Kann also nicht alles falsch gewesen sein.)

Was mich an der Geschichte mit den tief getragenen Hosen aber immer fasziniert hat, war eben genau die auch bei GNIT anhand der Röcke thematisierte Bewegungseinschränkung. Für mich war das ein modischer Gag, doch ich war ja immer schon etwas phlegmatisch. Aber die entsprechenden Kumpels waren ja wirklich Skater – und da braucht man seine Beine ja eigentlich. Wie bei fast allem im Leben hab ich’s zudem auch bei der Geschichte nicht zu der Perfektion getrieben, die andere da erreicht haben. Ein damals nicht mit mir befreundeter Typ in der Schule hat die Hosen so tief getragen, bei dem müsste der Gürtel kurz oberhalb der Knie gewesen sein. Das verbot sich mir schon, weil ich bereits damals an Grenzen bei der Länge der Oberbekleidung gekommen bin. Und doch, auch der Typ war stets mit Skateboard unterwegs. Aber gut, es braucht auch Geheimnisse auf der Welt …

Ich denke nicht oft an die Zeit zurück. Außer wenn ich mir allzu beherzt die Hose hochziehe und mir empfindliche Körperteile kurz unsanft zusammendrücke. Diesbezüglich waren das damals nämlich auch Zeiten der Freiheit. Es gibt ja bei allem Vor- und Nachteile … 😀

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Wovor haben wir eigentlich Angst?

Die Saison beginnt wieder, jeden Tag aufs Neue machen sich afrikanische Flüchtlinge auf die mörderische Reise nach Europa. Sicher ein Kontinent, von dem ihnen zu viel gutes berichtet wurde, eine Reise, von der sie zu hohe Erwartungen haben. Und am Ende ist – selbst wenn sie die Reise überlebt haben sollten – nicht einmal das auch nicht ganz so goldene Leben in irgendwelchen Flüchtlingslagern ihr Problem, sondern meist die direkte Abschiebung oder die oftmals allumfassende Ablehnung der Einwohner dieser seltsamen Länder.

Und eines dieser seltsamen Länder ist das, das wir alle hier am besten kennen: Deutschland. Hier werden wieder jede Woche Flüchtlingsheime angezündet und es wird davor gewarnt, wie schlimm das doch alles ist mit diesen „Flüchtlingen“. Am Ende gar „Wirtschaftsflüchtlingen“. Was so dermaßen grotesk ist, dass einem dazu kaum was vernünftiges einfällt, weil es immer nur auf dieses billige „Wir gegen Die“-Ding rausläuft. Ist nicht parteiübergreifend inzwischen akzeptiert, dass Deutschland Zuwanderer braucht? Und eine Verjüngung? Selbst die Profikapitalisten der FDP wollen ja unbedingt weniger Einschränkungen, damit man hier besser Geld verdienen kann. Und dann kommen ein paar lächerliche tausend Leute, die nichts lieber tun würden, als endlich unter guten Bedingungen zu arbeiten – und wir schicken sie weg und verbieten ihnen das Arbeiten sogar noch, bevor sie abgeschoben werden. Kommen ganze Familien, wird gejammert, dass „die“ ja nur auf Kindergeld und Hartz4 geil wären, kommen junge Männer, wird gebrüllt, dass eigentlich arme Kriegsflüchtlingsfamilien versprochen wurden.

Selber den Arsch nicht hochkriegen, aber von den Ärmsten der Armen und den Verzweifeltsten der Verzweifelten fordern, dass sie gleichermaßen demütig wie tatendurstig, arm wie selbständig sind.

Und all das natürlich, weil „wir“ uns das nicht leisten könnten, oder – wenn man bereits ein paar Hemmungen weniger hat – weil die ja doch alle ziemlich dunkle Hautfarbe haben und im Dorf schon sehr auffallen würden. WTF, Deutschland?

Kleiner Einschub: Ja, ich schreibe das jetzt, weil es derzeit medial präsent ist, aber ich bin nicht so blöd, zu glauben, das wäre davor groß anders gewesen.

Ja, ich hab als denkender Mensch immer schon ein Problem mit Rassismus gehabt. Damit war ich lange Zeit keineswegs Verkünder einer Mehrheitsmeinung, und das obwohl ich nicht ’33 geboren wurde, sondern derzeit 33 Jahre alt bin. Den Grundgedanken zu entwickeln, dass es schon eine ganz coole Sache wäre, würden wir einfach alle Menschen als gleichberechtigte Menschen ansehen, war also nicht ganz so aufgezwungen und selbstverständlich, wie irgendwelche weinerlichen Schnullernazis heute behaupten, wenn sie mich als „Gutmenschen“ diffamieren.

Aber das Dumme an der Sache ist: Es läuft wirklich alles auf dieses „Wir gegen Die“ raus. Wäre es ok, dass nicht-weiße, nicht-deutsche Menschen einfach ein Teil unserer Gesellschaft sein könnten – könnten! – dann würden wir nicht nur Seerettungsboote zu entsenden, sondern auch ernsthaft versuchen, die Integration voranzutreiben. Ernsthaft!

Hier in Berlin vergesse auch ich bisweilen, wie wenig das mit den verschiedenen Kulturen teilweise verbreitet ist. So meinte eine Frau aus Sachsen neulich im Taxi zu mir, sie wäre in der U-Bahn „von so einem Zigeunerweib“ angebettelt worden, obwohl sie eigentlich dachte, „dass die im Fernsehen sich sowas nur ausgedacht hätten“. Tja, wie sollte ich mir Hoffnungen machen, dass diese – sonst eigentlich nette – Frau jemals kapiert, wie wichtig multikulturelles Leben außerhalb ihrer kleinen dörflichen Gemeinschaft in den letzten Jahrzehnten geworden ist?

Alle haben sie Angst, etwas „zu verlieren“. Da muss ich doch mal ehrlich fragen: WAS DENN?

Ist das Retten von tausenden von Leben nicht vielleicht wert, in der Bahn auch mal eine andere Sprache zu hören, die man nicht versteht? Ist es nicht ein beschissen vernachlässigbares Problem, beim Kindergeburtstag mal keinen Schweinebraten zu reichen, weil der beste Freund von Kevin-Florian nicht Max sondern Yussuf heißt?

Natürlich kosten Flüchtlinge, kostet Integration. Nicht nur Überwindung, sondern auch Geld. Das sollten auch wir Flüchtlingsunterstützer nicht kleinreden, das ist so. Punkt.

Ebenso einen Punkt können wir aber auch hinter die Aussage packen, dass wir „das“ nicht alles fernhalten können. Unser Wohlstand ist eng verknüpft mit vielen Ländern, aus denen heute Flüchtlinge zu uns kommen. Und natürlich können wir zwar einerseits billige Klamotten ankaufen, andererseits aber den Menschen verweigern, jemals unseren Lebensstandard zu erreichen. Aber dann sind wir halt Arschlöcher. Dann sind wir nicht besser als die absolutistischen Herrscher und Diktatoren, die wir hoffentlich auf Dauer in unsere Geschichtsbücher verbannt haben. Denn natürlich müssten wir unseren Wohlstand dann mit Waffengewalt verteidigen und uns in unser „Schloss“ Europa zurückziehen, während die Fremden von der Burgmauer aus erschossen werden. Und das ist leider keine weit hergeholte Metapher, die Menschen sterben an der EU-Grenze. Massenhaft. Stichwort: Festung Europa.

Ich schreibe das als Mitteleuropäer, Deutscher, Weißer. Beschäftigt in einem Niedriglohnjob, der dafür bekannt ist, dass Migranten ihn machen. Ich lebe je nach Monat dies- oder jenseits der Armutsgrenze, ich habe keinen Cent zu verschenken, wirklich nicht. Und auch mein Selbsterhaltungstrieb ist weitgehend intakt, ich werde mich auf Teufel komm raus dagegen wehren, unter die Räder zu kommen, ich will leben, und ich habe mich dabei an den Status quo gewöhnt, der mir immerhin mal ein Dach über dem Kopf, genug (überwiegend gutes) Essen, fließend Wasser, Strom, Internet etc. garantiert. Ich habe etwas zu verlieren.

Aber – und das möchte man Dorfsachsen mit begrenztem Blick über den Tellerrand zurufen – ich jammere hier auf hohem Niveau! Ich würde natürlich alles darum geben, mir diese Sicherheiten wenigstens zu erhalten.
Aber ich habe mich entschieden, kein egozentrisches Arschloch zu sein, das, nur weil es 2017 vielleicht 100 € mehr Steuern zahlen muss, einen Hass zu entwickeln auf Menschen, für die fließend sauberes Wasser bedeutet, dass sie nicht mit 40 sterben.

Ich bin in Deutschland geboren, lange nach dem letzten Krieg. Ich bin männlich, weiß, fett, arm und überlebe irgendwie. Ich erlaube es mir sogar, mit Blogs und Büchern irgendwie meinem persönlichen Traum nachzujagen. Und alles, was ich mir wünsche, ist folgendes:

Jede(r) auf der Welt sollte wenigstens dieses minimalste Glück erreichen können. Wenigstens einen Plattenbau in Marzahn, wenigstens alle paar Jahre mal eine schwarze Null auf dem Konto.

Wie kaputt muss man sein, Menschen noch viel weniger zu neiden? Wir reden hier von ein paar potenziellen Steuererhöhungen, nicht mehr.

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Heraus zum ersten Mai – im Taxi!

Manchmal gibt es so Entscheidungen, die man sich schwer macht.

Der erste Mai ist für mich jetzt 6 Jahre lang der einzige Feiertag gewesen, zu dem ich immer frei genommen habe. Alle anderen hab ich immer auf der Vielleicht-Liste gehabt. Ich bin schon an Weihnachten und Ostern gefahren, Silvester sowieso. Die meisten anderen Feiertage bemerke ich ohnehin immer erst zwei Tage vorher am Ladenöffnungszeitenschild am Kaiser’s. Aber am ersten Mai war Demo und abends vielleicht noch ein kleiner Umtrunk mit Freunden.

Ich hatte nicht vor das zu ändern, werde es dieses Jahr aber dennoch tun.

Zum einen ist da natürlich das mit dem Geld. Das ist rar gerade und der erste Mai ist zudem ein umsatzstarker Tag. Beides gute Argumente, aber keine, die mich in den letzten Jahren am Freimachen gehindert haben. Und irgendwie hätten wir uns die paar Bier in der Kneipe, die Falafel und die Taxifahrt nach Hause auch aus den Rippen leiern können, ich will jetzt ja auch nicht übertreiben.

Zum anderen ist da aber auch eine gewisse Unzufriedenheit mit der Linken in Berlin. Jetzt mal abgesehen von den wie bei allen Vereinen, Parteien und Bewegungen existenten Konflikten mit der eigenen politischen Überzeugung. Das letzte Jahr war voll mit linken Themen und bei keinem sieht es irgendwie gut aus. Der ganze Pegida- und Nazirotz, die fortlaufende Überwachungsaffaire und nicht zuletzt die Flüchtlingskatastrophen an der europäischen Grenze. Und ich weiß, dass das alle, die um 18 Uhr in Kreuzberg sein werden, interessiert und ich mit ihnen auf einer Wellenlänge liege, keine Frage.

Aber anstatt das zu thematisieren, wird auf die Straße gegangen wegen der Gentrifizierung.

Und um das klarzustellen: Die ist zweifelsohne ein riesiges Thema, gerade in Berlin. Das zu thematisieren ist großartig, und hey: selbst hier in Marzahn steigen die Mieten bereits heftig.

Trotzdem habe ich ein Problem mit dem Aufruf der radikalen Linken Berlin. Unter dem an sich wunderbaren Plakat mit der markigen Aufschrift „Wir sind ÜBERALL“ wird dann bemängelt, wie sozial schwache Gruppen „aus Kreuzberg, Friedrichshain, Neukölln verdrängt werden“, um daraufhin anzufügen:

„Jenseits der Innenstadtbezirke lebt man in den Plattenbausiedlungen von Hellersdorf, Marzahn, Köpenick, Neukölln-Britz ohne den Charme, den Berlin sich so gerne auf die Fahnen schreibt, in einem noch viel graueren Alltag, der nicht selten von Armut und Perspektivlosigkeit geprägt ist.“

Und daran ändern wir bitte was genau, wenn wir Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln vor Luxusappartements beschützen?

Natürlich hab ich mir meine Bude in Marzahn auch aus Geldgründen gesucht, aber es würde mir ehrlich gesagt nach den Nazieskapaden der letzten Monate wesentlich besser gefallen, wenn einige Linke nach Marzahn ziehen würden, als dem Wunsch hinterherzuhecheln, für mich in Kreuzberg eine Wohnung zu finden. Wie kann man unter dem Motto „Wir sind überall“ auf die Straße gehen, um dort dann zu jammern, dass man seine Altbauwohnung in einem In-Bezirk nicht verlieren will?

Aber klar, dass in Marzahn die Welt nicht heil ist, liegt daran, dass hier die Fassaden ein paar Stockwerke höher sind, nicht etwa daran, dass selbst der radikalen Linken nichts besseres einfällt als das Wohnen in einem Außenbezirk gleich mal zu stigmatisieren und alles außerhalb des Einzugbereichs des eigenen Spätis vorsichtshalber aufzugeben, weil man dorthin ja 8 Stationen mit der S-Bahn fahren müsste. 16 Minuten Fahrtzeit ab Warschauer Straße, also bitte, wo leben DIE denn?
Und ratet mal, wer bei den Naziaufmärschen in Marzahn nicht sicher nach Hause kommt! Richtig, ich in Marzahn – weil die An- und Abreise natürlich aufs Ostkreuz optimiert wird.

Sorry, liebe Berliner Linke, ich bin in meinem Leben schon mehrere hundert Kilometer gefahren, nur um kleine Naziaufmärsche zu verhindern und ich hab auch oft genug gegen Gentrifizierung demonstriert – aber ich werde mich jetzt nicht auf den Weg in eure kleine Welt machen, um mir blödsinnige Vorurteile über mein Leben anzuhören, bloß weil ich nicht in Eure Nachbarschaft gezogen bin. Grüßt Eure Stuckverzierungen von mir, wenn Ihr an Eurem Fenster vorbeilauft!

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Stürmische Gedanken

Nun also Niklas. Der Sturm scheint ganz schön was angerichtet zu haben, aber so langsam fühle ich mich diesbezüglich irgendwie alt. Ich hab Niklas im besten Sinne ignoriert, so umfassend, wie es mir möglich ist. Und, mal ganz ehrlich: Diesbezüglich hatte ich alle erdenklichen Möglichkeiten: Ich musste nicht arbeiten und wohne in einem mehr als nur stabilen Haus, das zudem außerhalb meines Verantwortungsbereiches liegt; so lässt’s sich leben. Wenn Stürme nur bedeuten, dass man beim Lüften aufpassen muss …

Das ist verdammt viel Glück, muss man echt mal sagen. Und ich denke, es ist gut, sich das auch mal vor Augen zu halten. Nicht um sich selbst zu kasteien, sondern einfach mal, um die Perspektive geradezurücken. Ich hätte gerade genug Grund, um beispielsweise über meine finanzielle Lage zu jammern, aber ich kann so einen bescheuerten Sturm einfach ignorieren, weil er mich nicht betrifft. Wow!

Aber wenn ich sage, ich fühle mich bezüglich Stürmen alt, dann hat das natürlich auch mit der Vergangenheit zu tun.

Anfang 2007 hatten wir Kyrill, eine Art Jahrhundertsturm. Der hat mich insofern betroffen als dass er damals einen Schaden an einem Firmenwagen angerichtet hat und das eine äußerst heikle Sache war, weil ich den Wagen damals „nur so mittel legal“ für eine private Fahrt genutzt habe. Die kleinen Sünden der Vergangenheit …

Aber ich bin jetzt 33, ich hab sogar Lothar noch miterlebt – und das auch noch in Süddeutschland, wo es ziemlich heftig war. Am meisten erinnere ich mich daran, wie damals das Wasser auf der Straße in Stuttgart so hoch stand, dass es in den Bus reingeschwappt ist, mit dem ich damals von meiner Oma nach Hause gefahren bin. Weit ironischer aber war das, was meinem Vater passierte. Der war mit seiner Freundin auf Verwandschaftsbesuch im Elsass. In einem kleinen Dorf, weit abseits von allem, was gemeinhin Zivilisation genannt wird. Weites Land, wenig Gefahrenpotenzial. Aber ausgerechnet der einzige Baum auf dem Grundstück gehörte zu den mehreren Millionen Bäumen, die der Wind umgerissen hat. Und er traf beim Umfallen das Auto, das mich knappe 6 Jahre später das allererste Mal nach Berlin bringen sollte.

Vielleicht sollte man Stürme doch nicht unterschätzen …

PS: Ich weiß, dass auch durch Niklas Menschen gestorben sind. Und die konnten vermutlich nichts dafür und ich beabsichtige wirklich nicht, das irgendwie zu verhöhnen. Ich schildere nur meine eigenen Erfahrungen, die natürlich ganz andere sind als die der Betroffenen. Ich hoffe, niemand hat sich dadurch verletzt gefühlt.

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