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Why privacy matters

In einem der scheinbar fast ausnahmslos sehenswerten TED-Talks hat Glenn Greenwald (Der Journalist, der viele der Snowden-Daten veröffentlicht hat) wunderbar erklärt, was an Massenüberwachung und der damit einhergehenden Abschaffung der Privatsphäre so schlimm ist. Wie die Überschrift schon vermuten lässt, ist das Video auf englisch, aber das ist wieder mal ein Beispiel für ein Video, für das es sich lohnt, seine Englisch-Kenntnisse zu strapazieren.

Um das nicht zu einem weiteren eher unbedeutenden Link werden zu lassen, möchte ich auch kurz ein paar Worte über Privatsphäre verlieren:

Ich bin seit geraumer Zeit sehr privat und öffentlich im Netz unterwegs. Nicht nur, dass ich trotz aller politischer Statements auch meine Privatadresse (schon aus rechtlichen Gründen) veröffentliche: Nein, ich schreibe auch hoch intime Details meines Lebens hier nieder. Fotos aus meiner Wohnung, Blogtexte über meine Beziehung, wie verträgt sich sowas bitte mit einem Recht auf Privatsphäre?

Nun, um es mal ganz anschaulich zu sagen: Ihr wisst von mir nur, was ich Euch zu sehen erlaube. Vielleicht erscheint es dem ein oder anderen dumm, dass ich über meine kaputten Zähne oder die Umstände meines ersten Treffens mit Ozie etwas schreibe – aber das liegt dann lediglich an einer anderen Gewichtung, welche Details des Lebens man selbst für schützenswert hält. Ich habe einfach nicht den Anspruch, von meinen Lesern als perfekt funktionierende Maschine wahrgenommen zu werden. Ich habe Fehler, ich mache welche und ich finde es als Person „in der Öffentlichkeit“ einfacher, über diese zu reden, als ein Abbild meinerselbst zu schaffen, bei dem ich immer aufpassen muss, ob sich mein reales Ich noch mit den Online-Texten verträgt. Das hat zum Teil seinen Ursprung tatsächlich alleine darin, dass ich gewisse Sachen öffentlich mache. Wie sollte ich zum Beispiel glaubhaft über die schlechte Bezahlung von Taxifahrern schreiben, ohne Zahlen zu veröffentlichen? Ja sicher, einige Kollegen machen das – was auch ok ist  – aber sie tun das auf Kosten der Transparenz und im schlimmsten Fall ihrer Glaubwürdigkeit. Ich habe da eine andere Entscheidung gefällt, aber das heißt nicht, dass mir das grundsätzliche Problem privater Daten in der Öffentlichkeit nicht bewusst wäre. Ich habe z.B. auch keine Abneigung gegenüber Menschen, die sich online besoffen in entwürdigenden Situationen präsentieren, mir wäre das hingegen zu peinlich. Obwohl ich betrunken echt niedlich bin, da könnt Ihr alle fragen!

Abgesehen von der politischen Brisanz staatlicher Überwachung (die Greenwald in seinem Beitrag ausreichend darlegt) ist auch die private Dimension nicht zu unterschätzen. Der Journalist hat in obigem Video gesagt, jenen, die meinten, nichts zu verbergen zu haben, vorgeschlagen zu haben, ihm doch einfach mal alle Passwörter für all ihre Mailkonten zu schicken. Damit er sich dort mal umsehen und – falls es ihm legitim erscheine – Teile der Mails veröffentlichen könne. Und ist es nicht glaubhaft, dass niemand das gemacht hat?

Ich selbst denke mir oft, dass meine Mails „eigentlich ja belanglos“ sind. Ach ja, irgendwann vor 9 Jahren hab ich Ozie erstmalig geschrieben, dass ich sie liebe – wayne?
Andererseits: WTF? Da hab ich auch Freunden Hilfe in schwierigen Situationen angeboten, mit Hinz und Kunz geflirtet, Dinge erzählt, die eben doch nur für diesen einen Empfänger bestimmt waren.

Und wenn wir von den Mails weggehen: Haben wir nicht alle mal aus Sensationsgier auf bild.de-Links geklickt, oder uns vielleicht gar mal irgendwo auf einer Pornoseite mehr als ein Bild angesehen und damit für findige Ermittler ein viel zu genaues Bild von unseren Präferenzen hinterlassen? Will ich wirklich, dass bei Bedarf ein Polizist rausfinden kann, dass ich mal Musikvideos von Schlagersängern angesehen habe, gegen die ich doch sonst immer wettere?
Und was uns allen eigentlich eher als Verschwörungstheorie erscheint, habe ich auf Umwegen schon erlebt:

„Sie hen‘ da ja naggiche Bilder druff!“

schrie der liebenswerte Polizist bei der Durchsuchung meines PC’s damals laut durch die WG; wohlwissend, dass meine Freundin und heutige Frau anwesend war. Na, bei wie vielen Lesern hätte sowas zu einer Beziehungskrise geführt? Und wenn NSA und co. einfach alles speichern, ist es ja erst einmal auch egal, ob es da um Downloads des letzten Jahres oder der letzten Woche geht.

Am Ende geht es ja auch nicht darum, ob man bei Facebook postet, dass man gerade diese oder jene Folge von „The walking dead“ ansieht. Sowas schreiben wir gerne mal und das ist ok für die meisten. Aber will man wirklich, dass ein ominöser Geheimdienstapparat im Hintergrund mitloggt, dass wir an unsere Freunde zeitgleich eine Nachricht senden, welchen Schauspieler wir scharf finden? Und dass das in Beziehung gesetzt wird zu einem vielleicht längst beigelegten Ehestreit von vor drei Tagen via Whatsapp?

Wie kann es bitte in Ordnung sein, dass all das abgespeichert wird? Ich veröffentliche mein Leben freiwillig und meine terroristischen Aktivitäten halten sich zumindest vorübergehend in engen Grenzen. Ich schreibe nur gerne und biete meinen Lesern bewusst einen (begrenzten) Einblick in mein Leben. Aber selbst ich würde mir wünschen, dass ich nach Abschluss dieses Textes einfach mal sorgenfrei bei Wikipedia Infos über Depressionen einholen, bei Amazon Gummibärchen kaufen und bei Youporn nach Videos von Frauen in Latex suchen könnte, ohne damit ein schwer verdächtiges Profil bei der NSA zu bekommen.

PS: Latex ist nicht wirklich der Fetisch meiner Wahl, aber wie gesagt: auch meine Transparenz hat Grenzen. 😉

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Wenn Dummheit wehtut

Die meisten wissen, dass ich kein Freund von Verschwörungstheorien bin. Wobei ich nichts gegen neue Gedanken hab oder dagegen, sich nicht nur bei der Tagesschau zu informieren. Und wie nicht zuletzt Edward Snowden aufgezeigt hat, ist an der ein oder anderen Theorie ja auch was dran. Dumm wird es in dem Moment, indem das (nach logischen Gesichtspunkten) einzige Argument FÜR eine Theorie das ist, dass man sie NICHT beweisen kann. Denn damit ist alles und gleichzeitig nichts möglich und es gibt keinen plausiblen Denkansatz für diese Szenarien.
Dass ich beispielsweise der eigentliche Herrscher über die Welt bin, dabei mit Amphibien aus einer fernen Galaxie zusammenarbeite und nur aus Tarnungsgründen Taxi fahre, bzw. damit ich ausgewählten Fahrgästen das Gehirn aussaugen kann, um selbst am Leben zu bleiben, weil ich zudem ein Mutant bin; das lässt sich auch schwer widerlegen.
Noch schlimmer wird es da, wo man Beweise gefunden hat, diese aber von den entsprechenden Anhängern gnadenlos ignoriert werden, weil sie nicht ins Weltbild passen. Da wäre die Mondlandung ein gutes Beispiel. Wie ich immer gesagt hab: Politisch fände ich’s ja durchaus reizvoll, wenn sich die als Fake herausstellen würde – aber es gibt schlicht kein einziges nicht manipuliertes Anzeichen, dass dem so sein könnte.

Auf ähnlich verlorenem Posten stehen die „Reichsbürger“ hier in Deutschland, die durch meist ins pathologisch reichende Unwissenheit jeden ihrer Denkfehler als Beweis für ihre krude Theorie sehen. (Die Theorie ist übrigens, dass die BRD kein souveräner Staat ist und wir alle von den Alliierten unterdrückt werden. Und den Juden, je nach Auslegung und weiterer Krankengeschichte der Vertreter)

Obwohl die „Reichis“ wirklich ein wahnsinnig spannendes Beispiel für Anhänger von Verschwörungstheorien der obersten Absurdheitsklasse sind, will ich mich eigentlich nicht mit dem Inhalt beschäftigen. Das kostet zu viel Zeit und es wurde von anderer Seite schon viel besser gemacht. Zum einen gibt es die KRR-FAQ, zum anderen das kostenlose eBook „Vorwärts in die Vergangenheit!“ (Link direkt zum PDF), wo man zu wirklich jedem der (Spoiler!) sich widersprechenden Argumente Antworten findet, die auch Quellennachweise bieten. Einen großen Dank an die Macher, ganz im Ernst!
Nein, was mindestens ebenso spannend wie die für normale Menschen nur belustigende Theorie ist, ist das (Nicht-)Argumentationsmuster, das „Eisenfraß“, ebenfalls einer der fleißigen Aufklärer, seit einiger Zeit veranschaulicht. In einem inzwischen zur Serie gewordenen Blogeintrag „Emailverkehr mit einer Antisemitin“ (Link zu Teil 1) lässt er die Welt teilhaben an seinem Mailaustausch mit einer Dame, die offensichtlich schon unrettbar verloren ist in den Wirrungen dieser fraglos dämlichen Ideologie, hier auch angereichert mit Antisemitismus.

Selbst ich, der ich nicht zuletzt dank eigener Erfahrungen inzwischen einige Kenntnis von der Materie hab (und ich hab nur wie die Reichis mir empfohlen haben gegoogelt …), habe es nicht geschafft, die ellenlangen Traktate komplett zu lesen. Und das eben genau nicht der Länge wegen. Sondern weil es so unfassbar ist, mit wieviel Ahnungslosigkeit Menschen noch in der Lage sind, eine Tastatur halbwegs treffsicher zu bedienen. Dieses völlige Fehlen von Logik, Selbstreflexion und eventuell sogar Intelligenz macht einen einfach fertig. Vollumfänglich. Auf der anderen Seite ist es auch ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wann es Sinn macht, eine Diskussion abzubrechen. Eisenfraß zieht es bisher (Teil 7) durch, ich hätte diese Energie nicht. Aber genau deswegen sage ich danke, denn selbstentlarvender präsentieren sich Verschwörungstheoretiker sonst allenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vielleicht kann man aus dieser in jeder Hinsicht furchterregenden Diskussion auch etwas lernen.

Ich immerhin habe eines gelernt: Sehr glücklich zu sein mit den Lesern, die ich habe …

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„Immer für Dich da“

ist natürlich Quatsch. Schon alleine die unterschiedlichen Konzepte von „immer“, die so in der Welt rumgurken. Das könnte von „in alle Ewigkeit“ bis „immer wenn’s mir auch gerade passt“ alles bedeuten. Und während erstes selbst für hypothetische allmächtige Götter nach einem anmaßenden Versprechen aussieht, ist zweites nicht einmal romantisch, wenn man die Ethik von Jason-Statham-Filmen anlegt. Gesagt hab ich’s gerade trotzdem wieder, denn man sagt ja auch mal gerne nette Dinge, wenn deren genaue Definition zumindest fragwürdig ist.

Ozie war den Tag über krank, vermutlich war irgendein Lebensmittel angeschlagen. Wir haben zwar eigentlich das gleiche gegessen, aber so genau weiß man’s nicht.
Natürlich hat mich das den Tag über beschäftigt. Ich mag’s nicht, wenn es Menschen schlecht geht – und schon gar nicht, wenn ich die betreffenden Menschen wirklich liebe. Und wenn Ozie krank ist, dann bedeutet das eben auch mal etwas weniger Schlaf, ständige Rufbereitschaft und dass ich gelegentlich mal einen frischen Tee aufsetze oder einfach mal eine Viertelstunde vorbeikomme, obwohl ich selbst noch was zu tun hätte. „Immer“ bedeutet für mich wohl „immer, wenn’s mir irgendwie möglich ist“. Das kennen natürlich insbesondere die Eltern unter den Lesern sicher gut und auch ich hab das sicher irgendwie von meinen Eltern mitbekommen.

Ich schreibe das jetzt – wo es Ozie sowieso schon wieder deutlich besser geht – eigentlich nur, weil ich nach meiner Rückkehr an den eigenen PC festgestellt habe, dass inzwischen unser Jahrestag ist. Genau genommen müsste es jetzt (9. Oktober, 3.30 Uhr) exakt 9 Jahre her sein, dass panische Mitbewohner mich aus dem Bett getrommelt haben, weil die Polizei vor der Türe stand und einen Verantwortlichen für die Party haben wollte, an der ich seit zwei Stunden nicht mehr teilnahm, weil ich in meinem Bett überraschenderweise nicht allein geblieben war in dieser Nacht.

Im Nachhinein haben wir erst den Abend des 9. Oktobers als Beginn unserer Beziehung festgelegt, weil wir uns da entschlossen haben, dass das nicht Sache einer Nacht bleiben sollte. Die tatsächliche Entscheidung zu einer Fernbeziehung fiel freilich erst noch später.

Aber ja, das ist neun Jahre her. Mehr als viele Für-immers dieser Welt gehalten haben. Inzwischen durchschnittlich ein Drittel unserer Lebenszeit. Tendenz: steigend. Und immer noch sorge ich mich, wenn Ozie auch nur Kopfschmerzen hat; und sie lässt mich nicht aus den Augen, wenn mir mal der Arbeitsfrust über den Kopf wächst. Und das ist kein dummer kleiner Spaß unter Erwachsenen, sondern ehrliche Anteilnahme.

Viele da draußen scheinen zu glauben, dass lange glückliche Beziehungen reines Glück sind. Oder gottgewollt. Meiner Erfahrung nach ist das das Glück der unwichtigste Teil. Von der Inexistenz Gottes mal ganz abgesehen. Beziehungen sind neben aufrichtiger Zuneigung und Liebe ebenso ein Produkt von Arbeit. An sich selbst, aneinander und gemeinsam an anderen Dingen. Der „langweilige Alltag“, der so viele Beziehungen zerstört, ist unausweichlich. Völlig egal, ob man zu Beginn einer Beziehung nur entweder in Schnellzügen oder bei Tandemsprüngen mit dem Fallschirm vögelt: am Ende spielt es leider auch eine Rolle, ob man sich einig wird, wer die Spülmaschine ausräumt. Manche Dinge lassen sich nicht mit einem dahingehauchten „Ich bin immer für dich da!“ lösen – was aber nicht heißt, dass diese deswegen zu unterbleiben hätten.

Ich liebe Ozie heute selbstverständlich weit mehr als ich das vor neun Jahren getan habe. Und trotzdem haben wir uns vor zwei Tagen ganz pragmatisch über eine neue Anschaffung unterhalten und dabei die Frage erörtert, wie sich das im Falle einer Trennung gestalten würde. Einfach, weil das ebenso „für immer“ auch eine theoretische Alternative sein könnte. Das klingt kaltherzig, tatsächlich lässt sich über sowas aber vermutlich nur in Beziehungen reden, in denen alle Karten auf dem Tisch liegen und kein Partner wirklich ein Interesse an einer Trennung hätte, die somit also alles andere als kaltherzig sind.

Ich hab vor neun Jahren nicht beschlossen, mit meiner Frau mein restliches Leben zu verbringen. Und sie hatte das ebensowenig mit mir geplant, das weiß ich. Und genau deswegen ist das für uns beide ok und um so erstaunlicher, faszinierender, geiler, besser, fantastischer ist es, dass wir das heute vorhaben. Und unser Bestes geben, damit das auch so wird. Unser Engagement umfasst dabei keineswegs nur Für-immer-Sprüche, sondern ist manches Mal ein komplizierter Interessenausgleich. Das klingt unromantisch, ist es vielleicht auch, und trotzdem eigentlich viel besser als die undurchdachten Versprechungen der frühen Verliebtheitsphase.

Neun Jahre. Und ich sitze gerade in einem anderen Zimmer als Ozie und freue mir einfach einen Ast, dass sie seit sie schlafen gegangen ist noch keine Notwendigkeit hatte, mich anzurufen, weil ihr irgendwas fehlt. Dabei würde ich geradezu freudig aufspringen und ihr einen Tee machen oder zum Kuscheln vorbeikommen. In Wirklichkeit ist aber vermutlich genau das – Tee machen und kuscheln – nicht wirklich das, was man Liebe nennen sollte. Sondern diese unglaubliche innere Zufriedenheit, die einen ergreift, wenn man weiß, dass es dem Partner gut geht.

Ich jedenfalls bin bereit für weitere neun Jahre. Oder für immer – je nachdem, was man darunter versteht.

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Begegnungen und Eindrücke

Ich hatte heute eine seltsame Begegnung auf der Heimfahrt von der Arbeit. Ich musste das Taxi an der Firma abstellen, was für mich eine knappe Stunde Heimweg bedeutet. Da ich heute seit langem mal so richtig absolut und umfassend frei habe (Wochenende vom Taxifahren und das Manuskript fürs Buch ist abgeschickt), hab ich mir in Schöneweide noch ein paar Bier am Kiosk geholt und eines davon auch während der Fahrt getrunken. Ganz hinten in der Bahn, friedlich wie immer und mit einem Auge auf die Twitter-Timeline.

Irgendwann stieg ein Typ ein, aufgefallen ist er mir aber erst kurz vor meiner Umsteige-Station Landsberger Allee/Rhinstraße. Dort stieg ich nach ihm aus und hab (um ihn wegzuwerfen) in meiner Tasche erst einmal nach dem Kronkorken fahnden müssen, der auf der Bierflasche war, bevor ich sie geöffnet hatte. Das dauerte etwas und als ich wieder hochblickte, hatte der Typ die Straße bereits überquert. Statt irgendwo hinzulaufen stand er mir zugewandt auf der anderen Straßenseite und starrte mich an. Das hat mich nicht sonderlich verunsichert, sondern nur gewundert. Er war ein Mann in meinem Alter etwa, vielleicht 2 Jahre jünger. Im Vergleich zu mir eher klein und schmächtig gebaut, Brillenträger und vielleicht etwas angetrunken. So wie er mich ansah, erwartete ich, dass er mich – wenn ich vorbeikomme – um eine Kippe anschnorren oder fragen mich würde, ob ich dieser Blogger wäre. Stattdessen wartete er stumm, ich wechselte die Straßenseite ebenfalls – und als ich ihn passiert hatte, drehte er sich um und lief mir nach.

An der Haltestelle hat er sich gesetzt, mich zwar später auch nochmal andauernd angestarrt, aber das war gar nix. Druffis nachts in der Bahn bin ich ja gewohnt. Besser noch: Oft hab ich sie ja direkt im Taxi. Berlin …

Ich hab das halbwegs belustigt (nach nunmehr 2 Bier) eben Ozie erzählt. Sie fand das auch angemessen seltsam, hat aber einen interessanten Gedankengang gehabt: Hat er vielleicht extra gewartet, damit ich – der unheimliche biertrinkende 2-Meter-Typ – nicht hinter ihm laufe?

Dazu muss ich mal ganz klar anmerken, dass mir das nicht fremd ist. Ich bin dunkel bekleidet und mit für Drohkulissen aller Art tauglicher Größe oft nachts unterwegs und mache mir tatsächlich Gedanken darüber, wie das wirkt. Wenn ich zum Beispiel mit jungen Frauen gemeinsam in schwieriger Umgebung die Bahn verlasse, checke ich gerne nochmal mein Handy, zünde mir im Stehen eine Zigarette an und lasse sie vorgehen, anstatt ihr in 3 Metern Entfernung hinterherzulaufen. Das ist für mich selbstverständlich, denn mich stören diese 30 Sekunden nicht und ich fände es total scheiße, wenn irgendwer meinetwegen Angst hätte.

War das auch der Grund für das Verhalten dieses Typen?

Ich weiß es nicht. Wenn ja, dann hat er sich echt blöd angestellt. Denn sein Vorsprung war wirklich enorm, und wer mich einmal näher anschaut, sieht recht schnell, dass ich kein Sprinter bin. Also vielleicht doch nur ein Druffi, wer weiß. Oder ein schüchterner Fan.

Er ist aus der zweiten Bahn dann wieder mit mir zusammen ausgestiegen. Dieses Mal hab ich noch mehr Abstand eingehalten. Und ja, ein bisschen durchaus auch, weil er mir unheimlich war. 😉

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Ideale

„Ihr könnt mich biegen, Ihr könnt versuchen mich zu brechen. Ihr könnt mir alles nehmen, doch eines kann ich Euch versprechen: Niemals, niemals, passe ich in Eure Form, Eure Norm, und bleibe der Dorn in Eurem Auge!“

– Such a Surge, Ideale (Agoraphobic Notes, 1996)

Was die von mir geschätzte Band Such a Surge in obigem Zitat kämpferisch als Beispiel für Widerstand besingt, ist eigentlich eine ganz alltägliche Selbstverständlichkeit. Idealen zu entsprechen, kann nicht funktionieren. Verweigern lässt sich allenfalls der Versuch, es zu tun. Ideale sind eben, nun ja, Ideale eben, unerreichbare Ziele.

Ich hatte in letzter Zeit wieder mal vermehrt Besuch. Nicht nur den derletzt angekündigten, ausnahmsweise war mein Social-Life-Level mal wieder weitgehend voll. Und dank einmal mehr unterschiedlichster Leute in meiner Bude oder meiner Gesellschaft habe ich mich mal wieder mit den Anforderungen des modernen Lebens beschäftigt. Und – ich mag da eine eingeschränkte Sichtweise haben, ich trage vergessenes gerne nach – es scheint so zu sein, dass sich unsere hierzulande geäußerten Ansprüche (natürlich ungeachtet einiger Ausnahmen) ans eigene Leben auf ein paar grundlegende Punkte verkürzen lassen:

  • Beruflicher Erfolg
    Wir wollen Arbeit. Und zwar nicht nur irgendeine, sondern eine, die uns Spaß macht und viel Geld bringt.
  • Eine Beziehung
    Wir wollen (mindestens) einen Partner, mit dem wir seelisch und sexuell auf einer Ebene sind und zufrieden unseren Alltag bestreiten können.
  • Ein funktionierendes Sozialleben
    Wir wollen viele und dennoch möglichst gute und aufrichtige Freunde, mit denen wir regelmäßig etwas unternehmen und die allerorten für quasi jeden Spaß zu haben sind. Dasselbe gilt natürlich für die Familie.
  • Freiheit
    Wir wollen im Grunde tun können, was wir wollen – und das möglichst oft.

Das ist natürlich nicht alles. Aber wir leben nun mal in einer Gesellschaft, in der zumindest weitgehend dafür gesorgt ist, dass wir nicht Hunger leiden müssen oder ärztliche Versorgung versagt bekommen. Weitgehend stehen uns zumindest irgendeine Behausung und fließend Wasser zur Verfügung. Wie gesagt: Ich weiß, dass es bei alldem auch Ausnahmen gibt, aber in großer Mehrheit sind die Wünsche jene, die oben aufgezählt werden.

Und ich würde sagen: das ist unrealistisch und wir sollten uns damit abfinden!

Ideale sind nicht unnütz, sie beflügeln die Menschheit seit jeher – in mal mehr, mal weniger schöner Ausprägung – Dinge zu erreichen, die zuvor unmöglich erschienen. Dennoch sind wohl schon die oben genannten Punkte für die meisten Menschen nicht erreichbar. Also nicht in Kombination. Ich hoffe wie viele andere darauf, dass das irgendwann mal klappt – aber ich rate davon ab, sich in diesen Wunschtraum reinzusteigern.

Einen guten Beruf nach oben genannter Definition zu ergattern ist sicher für viele möglich. Nebenbei eine Beziehung … naja, immerhin für die meisten der vielen vielleicht. Zusätzlich zum guten Job und einer funktionierenden Beziehung ein aktives Sozialleben zu betreiben, wird für die meisten schon schwierig, ohne nicht wenigstens bei einem der beiden anderen Punkte ein paar Abstriche machen zu müssen. Dann aber noch die Freiheit zu haben, zu tun was man will … mal ganz ehrlich: kann mir irgendwer auch nur einen Menschen nennen, auf den das zutrifft?

Ist es wirklich Zufall, dass die nach eigenen Aussagen glücklichen Künstler alle kein Geld haben, und Hollywoodstars auf der anderen Seite schneller geschieden werden als besagte Künstler ihre Klamotten wechseln?

Ich vermute: nein.

Ideale sind Ideale, weil sie unerreichbar sind. Um die oben genannten Punkte halbwegs miteinander in Einklang zu bringen, bräuchte man einen zeitunabhängigen Job mit weniger als z.B. drei Arbeitsstunden (wochen-)täglich, der 100 € pro Stunde bringt. Darüber hinaus tolerante Partner und einen Freundeskreis, bei dem einen nicht ein einziger neidet, dass man so viel verdient. Und verprellen können müsste man sowohl den Chef, als auch Partner und Freunde – um wenigstens halbwegs frei zu sein. Dafür müsste Kollege Zufall schon einen ganzen Kübel Glück über einem ausschütten. Und zwar dauerhaft und auf Kosten anderer.

Sich auf dem ein oder anderen Gebiet mal freizuschaufeln ist gut. Tut gut. Stärkt das Selbstbewusstsein und gibt neue Kraft. Aber die oben genannten Ziele sollten nicht verwechselt werden mit dem, was jeder braucht, um glücklich oder zumindest zufrieden zu sein. Diese Ansprüche sollte man getrost ignorieren.

Und da ich ja immer schreibe, wie absolut gut es mir geht, will ich hier auch den Anfang machen:

  • Beruflicher Erfolg
    Ja, ich bin Taxifahrer und inzwischen Autor. Das ist volle Kanne geil und macht beides einen Höllenspaß! Aber mein Arbeitsaufwand steht in keinem Verhältnis zum Verdienst. Den ein oder anderen Luxus habe ich, sicher, aber wenn ich beide Jobs zusammenrechne, dann würde ich mich wundern, wenn ich auf über 3 € Verdienst pro Stunde komme.
  • Beziehung
    Da liegt zweifelsohne mein Glück. Ich fürchte zwar immer, dass ich mich mehr darauf konzentrieren müsste, aber ich würde meiner Beziehung 10 Punkte von 10 erreichbaren geben. Und wenn Ozie nur 8 von 10 geben sollte, lägen wir vermutlich immer noch weit über dem Durchschnitt.
  • Sozialleben
    Meine Schwäche. Ich komme nicht dazu, mich bei Freunden zu melden und hab viel zu selten Besuch. Obwohl ich ein geselliger Mensch bin. Mal kommt mir die Arbeit  – und damit das Geld – in die Quere, mal verpeile ich es einfach. Ich hab einige gute Freunde, aber die haben es entsprechend nicht leicht mit mir.
  • Freiheit
    Mit der sieht es ganz gut aus, ich hab da mehr Möglichkeiten als der Durchschnitt. Trotzdem muss ich viele Einladungen absagen, weil das Geld nie reichen würde oder eben mal abwinken, weil mir meine Beziehung wichtiger ist.

Und ich hab’s dabei echt noch leicht. Würde meine Arbeit plötzlich doppelt oder dreifach so viel Geld abwerfen wie bisher, dann könnte ich das alles unter einen Hut bringen, nahe den oben genannten Idealen leben. Aber mal ehrlich: „nur“ das Gehalt verdreifachen … arg viel besser kann man als halbwegs bodenständiger Mensch doch nicht mehr definieren, was Utopie ist.

Und das ist auch der – mit diesem Eintrag wohl sachlich erklärte – Grund, weswegen ich kaum Neid verspüre, wenn ich höre, dass andere Menschen z.B. besser verdienen. Denn das alleine sagt gar nichts aus. Die entsprechenden Leute haben spätestens beim Punkt „Freiheit“ Einschnitte hinzunehmen, die ich nicht akzeptieren könnte.

Unzufrieden sind wir alle, zumindest irgendwie ein bisschen. Ob wir zu wenig Geld haben oder unsere Freunde nur unser Geld wollen. Ob wir Single sind oder dank unseres Partners eingeschränkt werden, unsere Freiheit auszuleben. Ob wir dank Arbeitslosigkeit viele Leute treffen können oder die Leute nicht mehr zu uns kommen, weil wir wegen der Arbeit keine Zeit mehr haben … irgendwas ist immer.

Ich will mit diesem Eintrag gewiss nicht zur Lethargie aufrufen. Die meisten Verbesserungen müssen nach wie vor erkämpft werden. Aber ich rate dazu, gelassen zu bleiben, wenn wir mal wieder nur unseren eigenen (meist: den kapitalistisch vordefinierten) Ansprüchen nicht genügen. Dieses „irgendwas“, das immer ist, sind nämlich eigentlich wir selbst. Wir als Menschen und die Menschen um uns herum. Und wir sollten uns davor hüten, uns selbst als Fehler in einer sonst theoretisch perfekten Welt zu sehen.

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Einkaufen wird auch immer schwerer

Mein Preis für den besten Reallife-Troll geht heute an einen Typen, der hier sichtlich genervt aus dem Eingang vom Kaiser’s kam und teils mit sich selbst, teils mit der ganzen Welt redend, schnaubte:

„Wo muss man sich’n bitte den Drecks-Einkaufswagen DRAUSSEN holen, Alter!?“

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Rückspiel

Anfang dieses Jahres begab es sich, dass ich mich mittels Internet ins Reallife gemogelt habe. Mit @nachholer, einem treuen Twitter-Follower und Taxi-Stammgast, bin ich gen Essen zu @Moewenkind gereist, nur um dann der Geburtstagsparty von @Lifthrael beizuwohnen.

Kann man mal machen. Bei meiner letzten Party, zu der jemand quer durch die Republik angereist ist, war ich einer der Gastgeber und mit dieser jemand bin ich heute verheiratet. Kann sich also durchaus lohnen, so ein Partytourismus. 😉

Nun ist es bei besagter Reise in den Pott nicht zu einer Hochzeit gekommen (was in meinem Fall rechtlich auch sehr schwierig geworden wäre …), aber eben zu einer netten Feier mit bedenklichem Feierendzustand meinerseits. Aber dank einem Kollegen aus Essen und all den beteiligten Menschen lief das alles tadellos.

Nun ist Svea, die mich selbst mit Promillewerten > 1 problemlos in ihr Inventar integrieren konnte, selbst für ein paar Tage in Berlin. Entsprechend freue ich mich, dass sie einige davon auch bei mir verbringen wird. Ozie und ich haben das schon fleißig genutzt, um die Wohnung mal wieder begehbar zu machen (wir räumen hier ja in Besuchs-Intervallen auf) und das Ergebnis ist ungefähr 50% von perfekt entfernt, aber erstaunlich hübsch anzusehen, wenn man weiß, wie die Bude vorher aussah. 😉

Nun gilt es heute aber erst einmal den Grund der Anreise zu feiern: Matzes vierzigsten Geburtstag, den der Spaßvogel unter dem Label #AlterSackWirdPfirsich in einer Neuköllner Kneipe auszurichten gedenkt. Wenn ich mal für eine Samstagsschicht Urlaub einreiche … dann lohnt sich das auch.

Ein bisschen blöd, dass ich mir irgendwie heute Nacht den Fuß verstaucht habe. Aber wenn man von der Kneipe weg torkeln kann, sollte auch humpeln auf dem Hinweg ok sein. 🙂

Und ein ehemaliger Mitbewohner und guter Freund ist nächste Woche auch noch in der Stadt. Schätze, das wird eher eine Reallife-Zeit. Und das, wo die Manuskriptabgabe fürs Taxibuch kurz bevorsteht. Egal. I like!

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