16. Juli 2014 · 10:03
Ich wollte mich hierzu eigentlich nicht äußern. Ich hab nämlich – auch wenn der ein oder andere Eintrag anderes vermuten lassen würde – eigentlich keinen Bock auf Trolle. Und die kommen bei solchen Themen so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber vielleicht hilft meine Meinung ja sogar (die Hoffnung stirbt zuletzt), ein wenig Entspannung zu verbreiten.
Für all die, die es noch nicht mitbekommen haben: es wird ein riesen Bohei gemacht um die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die gestern bei ihrer Feier am Brandenburger Tor eine Art Performance gebracht haben, bei der sie zunächst geknickt gehend „So geh’n die Gauchos, die Gauchos gehen so …“ gesungen haben, dann aufrecht, jubelnd und euphorisch herumhüpfend „So geh’n die Deutschen, die Deutschen die geh’n so!“.
Die von mir nur am Rande verfolgte Diskussion rief zum einen die Leute auf den Plan, die das als unnötige Herabwürdigung der im Finale besiegten Argentinier sahen – zum anderen dann die, die riefen, dass man das nicht überinterpretieren sollte und das zudem ein sehr übliches Lied nach dem Sieg im Fußballkosmos ist.
Nun ja.
Klar ist sicher eines: beide Seiten reagieren gerade ein bisschen über. Aber wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, finde ich, dass die erste Ansicht durchaus ihre Richtigkeit hat.
Und nein: es geht nicht darum, der Weltmeistermannschaft gegenüber eine angeblich vorhandene Nazikeule auszupacken oder ein Spielverderber zu sein! Beileibe nicht. Im Grunde nehme ich es der sieges- und sonstwie trunkenen Mannschaft nicht einmal übel, ihren Sieg so zu feiern. Das Problem ist wie so oft ein kommunikatives. Natürlich freut sich die Mannschaft über den Sieg und hat gewissermaßen zu Recht auch auf diese Art nur nochmal klargestellt, dass sie den Argentiniern sportlich überlegen waren. Zudem ist es offenbar ein altbekannter Schmähgesang (im weitesten Sinne) gewesen, den Fußballer und deren Fans halt gerne mal singen. So weit, so gut.
Aber sind das brauchbare Argumente, um hunderttausend Fans damit anzuheizen?
Während ich bei dieser WM, bei der ich wirklich viele Spiele gesehen habe, der deutschen Nationalmannschaft wirklich kein schlechtes Zeugnis ausstellen kann und der Meinung bin, sie haben den Titel absolut verdient, verhält es sich mit vielen Fans halt anders. Der immer wieder thematisierte Party-Patriotismus zur WM ist nur deswegen kein Problem, weil es einen Haufen denkender Menschen da draußen gibt. Studien zufolge ist es aber durchaus so, dass Menschen, die Patriotismus leben, nicht umhin kommen, infolge dessen andere Nationen und deren Einwohner negativer bewerten als die eigenen Landsleute. was bedeutet, dass sie nationalistischen Gedanken näher sind, bzw. sicher auch durch den vermeintlich neutralen Patriotismus diesen Ideen näherkommen.
Und nur weil das im Fußball eine lange Geschichte hat, ist es ja nicht besser. Die Welt ist voller Dinge, die eine lange Geschichte haben und einfach scheiße sind. Da können wir bei Diktaturen anfangen und sollten bei Homophobie nicht aufhören zu zählen. Alles gut, plausibel und gesellschaftsfähig, weil es halt „immer schon“ so war.
Natürlich sind bezüglich des „Gaucho-Tanzes“ der Nationalelf vorgebrachte Nazi-Vorwürfe übertrieben. Keine Frage. Aber es ist auch nicht das viel vorgebrachte „Aus einer Mücke einen Elefanten machen“, wenn Menschen anmerken, dass es nicht gut ist, wenn ein medial weitverbreitetes Ereignis dazu genutzt wird, eine Überlegenheit eines Landes gegenüber einem anderen so zur Schau zu stellen.
Sicher ist das in den Augen vieler eine unnötige Politisierung eines Sportereignisses. Und das ist schwierig, sicher. Aber so lange so viele Menschen sich derart mit einer Mannschaft identifizieren, zu deren Erfolg sie nix – und zwar gar nix! – beigetragen haben, dass sie sich selbst als Weltmeister fühlen – einfach weil sie zufällig im gleichen Landstrich geboren sind – ist das keine weltfremde Überlegung. So lange sich irgendwelche Deutschen „den Argentiniern“ überlegen fühlen, weil die sportliche Leistung der deutschen Mannschaft der der argentinischen überlegen war, muss Platz sein für diese Kritik am außersportlichen Vorgehen der Weltmeisterelf. Vielleicht könnte man sogar sagen, dass diese Kritik so lange angemessen ist, so lange es noch Leute gibt, die das stört.
Ein Pressespezialist, der derartiges im Hinterkopf hat, ist doch sicher nicht unbezahlbar für den DFB, oder?
PS: Ebenso wie „das gab’s schon immer!“ ist „andere Länder machen das viel heftiger!“ kein Argument. Es sei denn, „so blöd sein wie die anderen“ ist plötzlich ein erstrebenswertes Ziel geworden.
PPS: Wer auch immer glaubt, diese Kritik würde die deutsche Fußballnationalmannschaft oder gar Deutschland an sich irgendwie herabwürdigen, ist Teil des Problems – nicht der Lösung.