Und das wörtlich.
Hier in Marzahn ist man an gelegentliche Explosionen gewöhnt. Im Ernst. Pyrotechnik ist eine Art Massensport – selbst wenn mal kein WM-Spiel mit einem 7:1-Sieg gegen Brasilien (btw. WTF? o.0) einen Auslöser bietet. Vermutlich ist es die Grenznähe, die hier für ein vermehrtes Aufkommen der „guten“ Kracher sorgt, mit denen man auch größere Objekte spaßverliebt pulverisieren kann.
Gestern aber war es der gute alte natürliche Donner, der mich im Rahmen des Unwetters hat senkrecht im Bett stehen lassen. Gut, ich war davor schon halb wach, denn lautstarker Regen und der ein oder andere Blitz hatten eine Stunde zuvor schon ein wenig an meinem Schlaf gezerrt. DAS jedoch hab ich in all meinen 32 Jahren auf diesem Planeten noch nicht mitbekommen. Und ausgerechnet bei Gewittern bin ich tatsächlich einiges gewöhnt. Viele Jahre meiner Kindheit habe ich in einem Zimmer geschlafen, das keine 100 Meter von der Turmspitze der höchsten Stuttgarter Kirche entfernt lag. Dementsprechend hatte ich ein paar Mal das Vergnügen, mit recht nahen Blitzeinschläge zu tun zu haben.
Irgendwie aber muss die Akustik der Plattenbausiedlung hier eine besondere sein, denn sowohl der Einschlag der Lautstärke nach sehr nah war, kam statt dem scharfen Knall nur ein mehrfach reflektierter Donner an, der aber ohne Übertreibung den kompletten Betonbunker mit seinen 150 Metern Länge hat erzittern lassen. Würde ich heute in den Pressemeldungen der Polizei lesen, dass es kein Blitzeinschlag sondern die Sprengung eines Hauses war, ich wäre nicht verwundert.
Und ich wäre nicht ich, hätte ich in Anbetracht dieses eindrucksvollen Schauspiels nicht nochmal darüber nachgedacht, wie viel Glück ich eigentlich habe, mich so wenig mit der unglaublichen Kraft der Naturgewalten beschäftigen zu müssen. Wo ich wohne, wird der heute auf die Straße gewehte leere Altpapiercontainer für lange Zeit die aufsehenerregendste Begegnung mit irgendwas gewesen sein, gegen das das Ordnungsamt nichts tun kann. Und das hat mich ein bisschen daran erinnert, wie ich letztes Jahr „Eroberung des Nutzlosen“ von Werner Herzog gelesen habe. Ein Buch, das ich jedem nur empfehlen kann. Mir wurde es netterweise zugeschickt und ich hab mich damals gefragt:
„Hä? Was soll mich das interessieren? Ich kenne ja nicht mal den Film, dessen Dreharbeiten darin beschrieben werden!“
Aber wisst Ihr was? Das macht nix!
Diese Beschreibung, wie Deutsche im südamerikanischen Regenwald einen perfekten Film drehen wollen/müssen, könnte für mich auch komplett fiktiv sein. Es ist ein großartiges und spannendes Buch. Für die, die sich mit Kinski, Herzog und deren Filmen näher auskennen, ist es sicher nochmal wertvoller – aber ich als nicht zu dieser Gruppe gehöriger Mensch habe den Link nicht des Amazon-Partnerprogramms wegen gesetzt, sondern weil mich die Erzählung gefesselt und gerade im Bezug auf die Widrigkeiten zwischen Mensch und Natur wieder etwas geerdet hat.
Dass meine Sicht auf Naturgewalten etwas schwärmerisches hat, kann ich nicht verleugnen. Ich bin mir aber bewusst, dass ich in diesem wie in vielen anderen Punkten irgendwo unter den obersten 10% der Menschen zu finden bin, die sich keine Sorgen machen müssen. Selbst in Deutschland haben wir ja erst im vergangenen Monat wieder mal gemerkt, wie hart man bisweilen von sowas „simplem“ wie einem Sturm getroffen werden kann. Ich persönlich freue mich aus meiner Perspektive dann halt trotzdem immer, wenn ich sowas mal in Ansätzen miterleben kann. In diesem Punkt kann ich „Leider geil“ von Deichkind mal sowas von nachvollziehen. 🙂