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Fünf Minuten

Fünf Minuten ist immerhin die Hälfte der Zeit, die Edmund Stoiber ungefähr braucht, um in einen Hauptbahnhof einzusteigen. Man kann die Zeit auch brauchen, um zum Beispiel, sagen wir … eine Bifi einzukaufen.

Begonnen hat alles mit einem schönen Herrentagseinkauf eines mir nicht näher bekannten jungen Mannes. Er stapelte ziemlich genau 10 Liter Bier, etwas Schnaps und Grillkohle aufs Band hier im Kaiser’s. Ein Einkauf, wie man ihn nur tätigen kann, wenn man seine Finanzen strikt im Griff hat. Seine Freundin legte deswegen ihren Einkauf – besagte Bifi – pflichtschuldigst gesondert aufs Band.

Der Kassierer nannte den Preis, es waren 1,39 €. War ja keine normale Bifi, sondern irgendeine von diesen Super-XXL-Rolls. Kann man sich ja mal rauslassen, der Freund würde bestimmt nicht mehr zur Nahrungsbeschaffung taugen in den nächsten 24 Stunden.

Statt nun kurz die offene Rechnung zu begleichen, rief die junge Dame „Oh!“, um daraufhin – tolle Wurst! – mit dem erbeuteten Snack wieder in den Tiefen des Ladens zu verschwinden. Sie ignorierte das Rufen ihres Begleiters („Hey, ich kann Dir auch …“) und war schneller außer Sichtweite als wir alle gucken konnten.

Der Kassierer blickte ratlos seinen letzten Kunden (den Freund) und seinen nächsten Kunden (mich) an und murmelte:

„Wenn ich jetzt wüsste, was genau sie vorhat, könnte ich ja schon einen Storno ausrufen, aber – was macht sie jetzt?“

Der Freund zuckte mit den Schultern:

„Keine Ahnung!“

Ich tat es ihm nach. Hätte sonst vermutlich auch unangenehme Fragen aufgeworfen.

Der Angestellte nahm das mit einem Stirnrunzeln locker und hat den Leuten hinter mir gleich verkündet, dass nebenan auch noch eine Kasse offen sei, ihm sei gerade die Kundin weggerannt. Verwunderung, Tütenrascheln, alles friedlich. Nach anderthalb Minuten unruhiger Stille tauchte Madame auch wieder auf und stellte sich nun mit einer neuen Bifi – dieses Mal das preisreduzierte Normalmodell – hinten an die trotzdem langsam anwachsende Schlange an. Ihr wurde bedeutet, gleich vorzugehen, der Kassierer rief daraufhin einem Kollegen zu, er möge mal bitte einen Storno ausrufen und so verging weitere Zeit mit dem Warten auf den Stornierungsbeauftragten.

5 Minuten, alleine um eine Bifi zu bezahlen. Slow Food fängt im Laden an.

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Komma inne Puschen!

Ein paar von Euch erinnern sich vielleicht noch: Ich hab im Februar ein eBook veröffentlicht. OK, schon gut: Ihr seid nicht ganz so vergesslich wie ich. 🙂

Nun ist eine feine Sache an Büchern ja, dass man damit Geld verdienen kann. Das tue ich auch und ich bin für den ersten Versuch ja bislang auch zufrieden. Man darf gerne drüber streiten, ob das schon viel ist, aber die mit weitem Abstand meiste Kohle waren die knapp 400 €, die alleine in den ersten 10 Tagen im Februar durch den Verkauf von rund 200 Büchern reingekommen sind.

Den Verkauf hab ich ja Amazon überlassen. Bei allem Für und Wider halte ich das nach wie vor für nicht die schlechteste Lösung. Es sind nunmal viele meiner Leser auch Amazon-Kunden und auf Anfrage hin gebe ich ja nebenbei auch einzelne Exemplare an die Leute raus, die so nicht rankommen. Auch der Einbehalt von 30% des Einkaufspreises seitens Amazon ist im Vergleich zu den Mitbewerbern auf dem Markt und erst recht zu den Verlagen bei Druckbüchern fantastisch. Klar, dafür machen sie auch wirklich nur die Zahlungs- und Versandabwicklung, aber das war auch genau das, was ich wollte. Auch wenn es bei großen Unternehmen wie Amazon immer gerechtfertigte Kritik geben wird – ich konnte das auch echt nicht alles alleine machen, ehrlich.

Um’s kurz zu machen: Für mich, der ich ein eigenes eBook veröffentlichen wollte, war das eine faire Sache – und ich hab weder davor beim Suchen, noch hinterher beim sporadischen Nachsehen eine bessere Alternative gefunden. So aberwitzig ich den Satz aus meinem Mund über einen internationalen Konzern auch finde: Nirgendwo sonst hab ich ein ausgewogeneres Kosten-Nutzen-Verhältnis für mich und die Leser gleichermaßen gefunden. Selbst attraktive Nischenangebote haben am Ende absurde Vertragsklauseln gehabt und bei den meisten Diensten hätten sich halt 90% ein neues Konto einrichten müssen, anstelle der vielleicht 5 Leute, die das jetzt bei Amazon gemacht haben.

Aber gut: Komma inne Puschen!

Es geht nämlich um einen kleinen Nebenkriegsschauplatz: Die von Amazon lassen sich echt Zeit …

Die Vertragsbedingungen für Autoren dort sind schon so gewagt: Nach Ende eines Abrechnungsmonats gibt sich der Händler satte 6 Wochen Zeit bis zur Auszahlung. Das ist nicht schlimm* und das weiß man als aufmerksamer Unterschreiber eines Vertrages ja auch vorher. Allerdings ist sogar Amazon selbst z.B. bei der Werbekostenerstattungs  ganze 2 Wochen schneller.

Von so engagierten Leuten wie meinen Chefs, bei denen es von meiner Abrechnung im Büro bis zur Lohnauszahlung selten länger als 5 bis 7 Tage dauert, wollen wir da mal gar nicht reden.

Aber, jetzt können wir den alten Adam Riese mal exhumieren: Abrechnungsmonat war der Februar. Der letzte Tag plus 6 Wochen ist gleich? Genau: 12. April. Und, ihr werdet es sicher schon erraten haben: Das Geld ist noch nicht da. Genau genommen kam 8 Tage nach diesem Tag eine Mail, in der mir die baldige Zahlung bestätigt wurde – mit dem Vermerk, dass es durchaus bis zu 5 Werktage dauern könne, bis das Geld dann auf dem Konto sei. Bei sehr großzügiger Auslegung zu Gunsten von Amazon sind wir heute bei Werktag 7.

Ich will da sicher kein Fass aufmachen. Ein paar Tage hin oder her … im Vergleich zur Kirchengemeinde, die meinen Zivi-Sold zahlen musste, ist das noch human. Die hab ich in den ersten drei Monaten ständig nerven müssen, bis sie mir mal halbwegs zeitnah (und vor allem auch den mir zustehenden Betrag) gezahlt haben.

Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Amazon eben wirklich NUR die Bezahlung zu organisieren hat, sich dann ewig Zeit lässt und zusätzlich auch da noch überzieht … nee, also wirklich überzeugend ist das nicht. 🙁

Entscheidender inhaltlicher Nachtrag: Heute, am 2. Mai, ist die Kohle angekommen. Ohne, dass ich bislang interveniert hätte. Jetzt bin ich mal gespannt auf nächsten Monat. 🙂

*Wird wohl auf ewig getoppt bleiben von der VG Wort, die für eine nicht einmal transparente Abrechnung etwa 10 Monate braucht.

PS: 581 Wörter für einen Eintrag, der sagen soll: „Ich bin pleite, aber nicht alleine schuld dran.“ Ich hab’s eindeutig noch raus mit dem Rumschwurbeln! 😉

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Klein, ganz klein …

Ich hab irgendwann mal im Radio behauptet, ich sei ein vielseitig interessierter Mensch. Muss dann ja wohl stimmen, wenn’s im Radio erzählt wird. Eines meiner frühesten Interessengebiete ist zweifelsohne die Astronomie gewesen. Würde sagen, dass das bis ins zarte Alter von etwa sechs Jahren zurückreicht, eine Zeit, zu der ich wahrscheinlich noch Probleme damit hatte, alle Körperteile richtig zu benennen. Aber wie Kinder so sind – mit Prioritäten hatte ich’s nicht so.

Ich bin also von Kleinauf das Rechnen auf großen Skalen gewöhnt und bei aller Unbegreiflichkeit des Universums da draußen hatte ich zumindest irgendwie immer eine Größenordnung im Kopf, die ich weitgehend verstanden hab und die Sinn ergab. Aber auch das nur begrenzt, ist ja klar. Schließlich IST das alles einfach unbegreiflich und wird nicht arg viel einfacher für die Wahrnehmung, nur weil wir Worte wie „Lichtjahre“ oder „Billiarden“ erfunden haben und sie benutzen. Das hilft beim Rechnen, ansonsten nicht viel. Wir Menschen haben „das da oben“ nicht ohne Grund jahrtausendelang irgendwelchen Göttern in die Schuhe geschoben und uns für nicht zuständig erklärt.

So im Alltag denke ich zugegebenermaßen recht wenig über die Größenverhältnisse unserer Welt nach. In meinem Umfeld bin ich der größte Mensch, global unwichtig und auf’s Universum bezogen ist das unwichtig, was wir global nennen. So einfach geht das. Aber wenn mich dann mal was wirklich umhaut …

Dass unsere Galaxie – ihr erinnert euch: das rotierende Kreiseldings, in dem wir uns befinden und das am Himmel in dunklen Regionen wie ein helles Band aussieht – so Pi mal Daumen 200 Milliarden Sterne enthält, das hätte ich so in etwa gewusst. Und aus dem Matheunterricht weiß ich, dass das ziemlich viel ist. Nun gut, wow.

Und dann ist mir gestern bei Twitter dieses Bild über den Weg gelaufen. Lasst es in einem neuen Tab kurz laden, ich hab’s bewusst nicht eingebunden, weil es nur im Vollbildmodus Sinn macht. Es zeigt einen Ausschnitt aus dem Zentrum unserer Galaxie. Ein paar Ecken unserer Nachbarschaft, wenn man so will. Maximal vielleicht 50.000 Lichtjahre entfernt, kosmisch ein Witz.

Wenn einem, man muss vielleicht kurz drüber nachdenken, klargeworden ist, dass jeder helle Pixel auf dem Bild nicht nur eben ein Stern ist, sondern höchstwahrscheinlich ein eigenes System mit mehreren Planeten, Monden, Asteroiden, Kometen und weiß der Geier was für Dingen noch, die wir bislang nicht einmal um unseren eigenen Punkt herum ausgiebig erforscht haben …

Mich lassen diese Gedanken mit offenem Mund und sehr sehr klein zurück.

Da braucht man noch nicht einmal daran denken, dass es von diesen Galaxienzentren ja auch noch mal ein paar Milliarden gibt.

Manche Leute mag das ein bisschen deprimiert zurücklassen – immerhin liegt schon alles auf dem Foto weit außerhalb unserer Reichweite in den nächsten paar tausend Generationen. Sollte überhaupt je ein Mensch irgendwann auch nur in die Nähe von einem dieser Sterne kommen, so wird keiner von uns mehr auch nur irgendwas hinterlassen haben, es wird auch unsere Länder und Sprachen nicht mehr geben. Man muss sogar schon optimistisch sein, davon auszugehen, dass es dann noch Menschen geben wird. Das sind Skalen, die über die bisherige Kulturgeschichte hinausgehen.

Ein wenig Wehmut kann ich nachvollziehen. Aber all das bleibt am Ende zurück hinter dem grenzenlosen Staunen, in dessen Rahmen ich dann plötzlich wieder das kleine Kind bin – das das alles als gegeben hinnimmt und fasziniert vom Gedanken daran ist, was es da noch alles zu entdecken gibt.

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Arbeit ist das halbe Leben

Selbiges sagt man auch über Ordnung – und auch bei der Arbeit möchte ich die bei der Ordnung schon sprichwörtliche Ergänzung „Ich lebe in der anderen Hälfte!“ anfügen. Dabei meine ich das alles halb so lustig, wie es klingt.

Wer meine Blogs verfolgt, der kriegt ziemlich gut mit, wie viel, bzw. wie wenig ich arbeite. Und ich greife dann auch schnell zur Ironie, rühme mich ob meiner Faulheit und freue mich live und in Farbe im Internet darüber, dass ich in meinem Job ja auch gar nicht so viel arbeiten müsse. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, der ein oder andere wird es vielleicht mit der Zeit auch schon gemerkt haben.

Ich muss gestehen: Ich kann es einfach nicht.

„Raff Dich halt auf, ich schaff‘ das schließlich auch!“

Das ist eine so naheliegend wie blöde Reaktion darauf. Im Aufraffen bin ich nicht so schlecht. Ich hab die Schule durchgestanden, hab mein Abi gemacht, hab eine Weile lang einen Job mit frühem Aufstehen hinbekommen, hab mir die Ortskundeprüfung für fucking Berlin reingezogen und sitze am Wochenende auch gerne mal 11 Stunden im Taxi. Ganz zu schweigen von den Kinderfreizeiten, bei denen ich zwei Wochen am Stück 18 Stunden mehr oder weniger immer voll am Start war. Aber eben alles zu seiner Zeit.
So sehr ich mir immer wieder selbst bewiesen hab, dass ich durchaus den Arsch hochkriegen kann, wenn es drauf ankommt, so wenig Ahnung hab ich, wie man sowas jahrelang psychisch durchhält. Nach einer gewissen Zeit reißt es mich einfach von den Hufen. So kommt es dann, dass ich trotz einer komplett freien Woche heute – in der besten Nacht der Woche – einfach Feierabend mache, weil ich’s nicht mehr aushalte.

Finanziell betrachtet ist das natürlich nicht so toll, moralisch aber noch viel schlimmer. Aufs Konzept möglichst harter Lohnarbeit holt sich die Gesellschaft ja immer noch einen runter, selbst die politisch Linke wird dominiert von den Kommunisten, die die „Arbeiterklasse“ zum eigentlichen Helden hochstilisieren. Aber wenngleich ich tatsächlich auch politisch meine Probleme mit dem Konzept Lohnarbeit habe, gehöre ich ja auch nicht zu denen, die an jedem Erholungstag zum Arzt rennen und den Chef die Rechnung zahlen lassen. Dazu waren meine Chefs immer viel zu nette Leute und ich nehm’s ja hier und da in Kauf, für weniger Arbeit auch weniger Geld zu bekommen.

Klingt jetzt alles dramatisch und irgendwie so, als würde ich schon sicher sein, dass das mit der mangelnden Arbeitsmoral bei mir pathologisch ist. Das wollte ich so nicht sagen. Ich hab mir mein Schlupfloch ja gesucht und abgesehen von gelegentlichen Geldsorgen komme ich ja durchaus klar. Lediglich mein schlechtes Gewissen müsste ich hier und da noch ein bisschen besser in den Griff bekommen, aber dann bleibt nichts übrig außer einem vielleicht etwas armen, dafür aber zufriedenen Sash.

Was mich umtreibt, das zu thematisieren, ist wie so oft die Frage:

Was ist mit den Leuten, denen es da noch beschissener geht?

Ich weiß nicht, ob alle meiner Leser sich daran erinnern, aber auch wenn ich hier und da so neunmalklug politisch agitiere: Ich hab noch nie einen politischen Standpunkt eingenommen oder eine Partei gewählt, weil das Ergebnis meine persönliche Position bessern würde. Manchmal würde das sicher zutreffen, aber die entscheidende Fragestellung war für mich immer: Ist das gesellschaftlich sinnvoll?
(Und natürlich: Entspricht es meinen ethischen Überzeugungen?)

Was ist mit den Leuten, für die nine-to-five nichts ist, die aber nicht meine Ausweichmöglichkeiten haben? Die vielleicht noch weit weniger gebacken kriegen? Die am Ende vielleicht wirklich das soziale Netz in Anspruch nehmen müssen?

Gerade in der Debatte um die Höhe von ALG II tauchen sie ja immer wieder auf: die „Sozialschmarotzer“. Als Feindbild, das bis weit in linke Kreise gesellschaftsfähig ist. Hand auf’s Herz: Wer von euch hat mal drüber nachgedacht, ob der ein oder andere vielleicht tatsächlich den Anforderungen dieser Gesellschaft – nicht einmal nur im Bezug auf Arbeit – nicht gewachsen ist?

Das Thema ist ein (geschichtlich betrachtet) recht neues, da muss sicher noch Ursachenforschung betrieben und an Problemlösungen gearbeitet werden. Aber ich vermute, dass es ein reales Problem nicht zu kleinen Ausmaßes ist. Eines, dass man vielleicht besser nicht so unter den Tisch kehren und pauschal abwatschen sollte, wie das derzeit geschieht.

Ich bin sicher, der ein oder andere hat jetzt recht fassungslos bis hierhin gelesen und ist immer noch der Meinung, dass das ja alles bloß blödes Gewäsch von faulen Weicheiern ist. Da hab ich in Anbetracht unserer bisherigen Gesellschaft Verständnis für. Uns allen wurde ja immer erklärt, was genau richtig ist. Und privat richtig ist nun mal ein gutbezahlter Job und politisch richtig ist alles, was gutbezahlte Jobs vermehrt. Wer das für der Weisheit letzten Schuss hält, der möge über meine kleine Analogie nachdenken:

Bücher. Schreibt doch einfach Bücher, wenn Euch was nicht passt. Das ist ganz einfach: Man muss nur ein bisschen lesen, ein bisschen schreiben und ansonsten braucht es halt Willensstärke. JEDER kann Bücher schreiben! Viele sogar. Das Leben ist lang genug und mehr als 26 Buchstaben braucht es dazu nicht. Alles andere ist einfach nur ein bisschen (frei einzuteilende, yeah!) Arbeit und die kriegt man ja wohl noch hin.

Wer also der Meinung ist, ich (und die vielen anderen) müssten sich doch bloß mal aufraffen, der schreibe ein Buch darüber. Ich werde es lesen, versprochen. Schließlich hab ich die Zeit dazu, ich arbeite ja kaum …

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Trauerarbeit

„Scheiße ey, das sieht ja aus wie der Blumenkübel von den Nachbarn!“

„Aber das hier ist noch viel schlimmer!“

„Verdammt, da brauchste ja einen Barockfetisch. Lass uns erst mal nach Sprüchen schauen. Bei den Blumen würde ich sagen, lassen wir uns was eigenes einfallen. Schon was gefunden?“

„Äh, ja. So in etwa. Aber hör mal den hier: ‚In Christus vollendet‘ …“

„Bitte WAAAS? Nicht im Ernst! Wobei es nur konsequent für Christen ist. ‚Na endlich!‘ sollte eigentlich in deren Sinn sein. Aber weder wir, noch sie hatte was mit der Kirche am Hut. So lange sie noch alle Sinne beeinander hatte, war das jedenfalls so.“

„Noch besser: „Mach et jot!‘. Wer macht sowas?“

„Und morgen dann ‚Hau wech den Drech‘ …“

„Hmm. ‚In Deinen Kindern lebst Du weiter‘ ist jetzt auch irgendwie in dem Fall doof.“

„Ich glaube, ich bleibe bei ‚Ruhe in Frieden‘. Ein bisschen zu viel ‚Leben nach dem Tod‘-Romantik ist mir da zwar eigentlich auch drin, aber das trifft es noch am Besten. Und nach all dem Gekabbel in der Familie ist das im besten Sinne ein hervorragender Wunsch.“

Ja, schöne Scheiße. Da kommste vom besten Partywochenende des letzten Jahres und kaum hat das erste Handy hinter der Grenze wieder Netz, verkündet es den Tod der Oma. Sie ist am Sonntag, – wie man so euphemisierend alles in den immerselben Spruch packt – „nach langer, schwerer Krankheit“ verstorben. Nicht unerwartet und, wie ich fürchte, glücklicherweise.

Das tröstet meine Wenigkeit enorm, schließlich verdanke ich ihr viel und ein plötzlicher, „unfairer“ Tod hätte mich schwer getroffen. In den letzten Jahren hab ich sie überwiegend aus Entfernungsgründen nicht gesehen, sie war aber ohnehin bereits so dement, dass sie mich wahrscheinlich nicht erkannt hätte. Ein trauriges Ende, aber wie ja bereits der Volksmund weiß: Besser eines mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Es war Zeit.

Die Beisetzung ist für morgen angesetzt, wohl gemäß ihren Wünschen nichts großes, mehr als eine Handvoll Verwandter und Bekannter ist ihr nicht geblieben. Mann, Tochter, Geschwister … die meisten hatten weniger Zeit unter den Lebenden als sie. Da das alles so schnell und einfach über die Bühne gehen wird, werde ich nicht nach Stuttgart fahren. Tote kann man schlecht enttäuschen, was eine angenehme Nebenwirkung ihres endgültigen Zustandes ist. Die Einstellung teile ich mit dem relevanten Teil der Familie, mein Fernbleiben ist also in Ordnung. Da das aber einer der wenigen Momente ist, in denen ich wenigstens ein Zeichen hinterlassen will, habe ich mich entschieden, wenigstens ein paar Blumen in meinem Namen ans Grab bringen zu lassen. Was ich das erste Mal tue, so oft verpasse ich Beerdigungen dann auch nicht.

Obiger Dialog ist verkürzt wiedergegeben tatsächlich, was vorgestern hier im Haushalt zu diesem Zwecke geredet wurde. Gerade bei ziemlich starren Riten wie Beerdigungen und Trauer kommt man wirklich schnell in einen unfreiwillig komischen Bereich, insbesondere wenn man z.B. den Kreuzbuben mit dem Nagelfetisch nicht zu seinen Freunden zählt.

Ich weiß, dass die flapsigen Kommentare, die vermeintliche Pietätlosigkeit, auf die ein oder anderen – insbesondere die eher simpel gestrickten – Leute verstörend wirken kann. Ich könnte auch die Klappe halten oder abgeschriebene Zitate mit viel zu vielen Schlechte-Laune-Smilies hier hochladen. Und hui, das würde richtig gut ankommen. Mal wieder so viele liebe Kommentare wie damals unter dem Artikel zum Tod meiner Mutter, alles total toll.

Alleine: mir hilft das nicht.

Also nichts gegen liebe Kommentare, aber insgesamt ist Trauern etwas höchst persönliches und individuelles. Und es wird – zum Nachteil von vielen – immer noch zu sehr in Regeln gepresst, die viele in ihren schweren Stunden alleine lassen. Nicht jeder überwindet einen Verlust am Besten, indem er jahrelang schwarz auf- und eine depressive Grundstimmung vor sich her trägt! Während Verdrängung vielleicht wirklich noch ein psychologisches Minenfeld in einem selbst hinterlassen kann, sind beispielsweise Aktionismus, Euphorie, selbst Humor für den ein oder anderen die Mittel der Wahl. Der eine weint mehr, der andere weniger. Menschen schreiben, tanzen, singen, geißeln sich meinetwegen. Sie fasten, schlemmen, nehmen Drogen, reden miteinander oder schweigen. Denken in solchen Situationen besonders viel über den Tod nach oder bejahen das Leben umso mehr.

Und wer sich einbildet, anderen den Weg seiner Verlustbewältigung vorschreiben zu müssen, ist in der Regel nur ein Idiot, der sich mit der menschlichen Psyche nicht sonderlich gut auseinandergesetzt hat.

Hatte ich fieses Rumranten schon als Trauerstrategie erwähnt? 😉

Aber ich schreibe das wirklich mit einem ernsten Hintergrund. Ein guter Freund von mir hat mir vor einiger Zeit – das war kurz nach dem Tod meiner Mutter – gestanden, dass er darunter gelitten hat, weil er beim Tod seines Vaters nicht weinen konnte. Er hat das nicht verdrängt, er hat sich einfach nur still damit auseinandergesetzt und ist recht schnell zu der Ansicht gekommen, dass das alles zwar schade sei, jetzt aber irgendwie das Leben weitergehen müsse für ihn. In seiner Familie jedoch wurde ihm vorgeworfen, seinen Vater wohl nicht gemocht zu haben, seine Lebensfreude wenige Wochen nach dem schweren Verlust wurde ihm missgönnt, wurde skeptisch betrachtet. Obwohl damals, als er mir das erzählte, er ganz offensichtlich von all den Menschen in seiner Familie am Besten mit der Sache umgehen konnte. Alle anderen schwiegen das Thema tot und waren offenbar nicht einmal in der Lage, die Umstände (tragischerweise ein selbstverschuldeter Unfall) auch nur anzusprechen, und sei es nur objektiv aus der Distanz von nunmehr 4 Jahren.
Dieser Freund hat Jahre gebraucht, um damit klarzukommen – nicht mit dem Tod seines Vaters, sondern mit seiner eigenen Reaktion darauf. Mit viel Glück und wahrscheinlich nur durch die richtigen Umstände außerhalb der Familie ist er nicht daran zerbrochen, ist nicht deswegen seinerseits depressiv geworden oder gar schlimmeres.

Einzig seinetwegen existiert nun dieser lange und sicher nicht für alle unterhaltsame Text.

Wenn ich vom bestatterweblog eines gelernt habe, dann, dass das Tamtam um den Tod vor allem für die Lebenden gemacht wird. Als solchen sehe ich mich und als solcher gestalte ich das Tamtam nach meinen Vorstellungen.

Meiner Oma hätte ich mehr gewünscht, als sie wahrscheinlich vom Leben hatte: Krieg, Armut, danach fast ausschließlich Aufopferung für eine Familie, die es ihr nicht immer gedankt hat. Wer mich kennt, weiß, wie traurig mich sowas stimmt. Ein Grund mehr jedoch für mich, keine peinlichen Geranienorgien auf ihrem Grab zu veranstalten.

Als ich etwa 8 Jahre alt war, habe ich verbotenerweise in ihrer Wohnung mit einem Ball gespielt. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Mit vernehmbarem Krachen stürzte ihre Uhr zu Boden, ein hölzerner Trumm mit goldenen römischen Zahlen auf matten Zifferblättern. Die Uhr selbst blieb heil, alleine das eingebaute Barometer stand fortan immer auf Schönwetter – was meine Oma ab da zu jeder Zeit gerne betonte. Inzwischen spiele ich lieber mit Worten als mit Bällen, aber ich sehe es nicht ein, dass es sich ein Arschloch wie der Tod herausnimmt, an diesem beschissenen Zeiger zu drehen.

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Gipfeltreffen

„Österreich? Nee, is‘ klar!“

Als ich von meinem Ex-Mitbewohner die Einladung zu seinem Geburtstag erhalten habe, dachte ich auch umgehend, er hätte wohl einen an der Klatsche. Wohl wahr, im Laufe der Jahre hat sich der Freundeskreis über verschiedene Städte, Länder, mitunter über Kontinente verteilt. Aber Österreich?

Und wäre es wenigstens Wien gewesen! Dort hätte ich zumindest endlich mal meinen guten Freund Alex besuchen können.

Aber es musste ja eine Berghütte sein. Im Zillertal, na klar! Ich bin ja sparsam mit Reisen. Das liegt in meiner Sparsamkeit bei der Arbeit begründet, die wiederum zu einer Sparsamkeit beim Geld führt. Aber auch zu einer Sparsamkeit an Urlaub – den braucht man schließlich nur, wenn man sich überarbeitet.

Da ich aber in unregelmäßigen Abständen durchaus Lust verspüre, mein Einsiedlerleben zu verlassen, hatte ich das mit der Fahrt in den hohen Süden schnell mal geplant. Bei der Bahn völlig unkompliziert ein paar günstige Tickets ergattert, mit dem Schwob ein Unterwegs-Treff-System aufgebaut, das ziemlich optimistisch war – und dann gewartet.

Es war ja nun nicht irgendwer und irgendwas. Ausgerechnet Felix, seines Zeichens Mitinhaber der „besseren Hälfte“ der WG, mit mir vor neuneinhalb Jahren zusammen in eine 34m²-Bude geworfen ohne dass wir uns kannten, feierte seinen dreißigsten. Schon schlimm, insbesondere eingedenk der Tatsache, dass ich selbst ja noch älter bin. Sicher mit dabei waren von Beginn an einige mir bekannte Leute, darunter auch ein paar, die ihren Namen hier nicht lesen wollen.

Das Wochenende gliederte sich in drei Hauptbausteine: ein Drittel Zugfahrt, ein Drittel Essenszubereitung und ein Drittel Feiern. Der Schlaf ging überwiegend von der Zugfahrt ab. Am Freitag startete ich ohne Nachtschlaf und frohen Mutes mit überfüllter Reisetasche um 5:50 Uhr mit der S-Bahn von Marzahn aus. Keine 10 Stunden später traf ich im tiefsten Bayern auf den Schwob samt besserer Hälfte. Die im Großen und Ganzen problemlose Anreise endete irgendwann am späten Nachmittag nach einem Einkauf mit der Erkenntnis, dass es zumindest mal schon Zeit für ein Radler wäre.
Die Hütte, Baujahr 1830, wies hier und da erkennbare Anzeichen der Neuzeit auf (Strom, Stereoanlage, Sauna, Dusche), das Essen jedoch wurde z.B. noch mit echtem Feuer zubereitet. Ansonsten war es nach den neuesten Erkenntnissen der Medizin eingerichtet – so waren die Betten beispielsweise länger als die Türen hoch – man weiß ja, dass der Mensch im Laufe des Tages in sich zusammensackt.

A prospos zusammensacken: Einer noch einzuführenden Norm nach waren auch unter fast jedem niedrigen Balken Betten installiert, so dass unvermeidliche Stürze nach Kopfstößen in den meisten Fällen sanft aufgefangen wurden.

Im Ernst: Was für eine geile Hütte! Locker die Hälfte der Bodenfläche war mit Schlafplätzen ausgestattet, selbst über der Küchenzeile waren Betten eingelassen. Auf sehr optimistisch geschätzten 100m² Wohnfläche fanden sich um die 25 bis 30 Schlafplätze und ebenso viele Sitzgelegenheiten. Das ganze zu einem Preis, den man anderswo für ein Hotelzimmer für zwei Personen mit Dusche auf dem Gang bezahlt. Wir jedenfalls waren zufrieden. Ich selbst habe mir im Übrigen nur einmal den Kopf gestoßen, was vermutlich am Training liegt. Schließlich ducke ich mich auch, wenn ich mein eigenes Zimmer zu Hause verlasse.

An einer angemessenen Partybeschreibung sind meines Wissens nach noch alle Autoren gescheitert, auch ich habe das erst für ein sehr spätes Werk meiner schriftstellerischen Laufbahn geplant, so gesehen unterlasse ich das hier. Es mangelte jedenfalls nicht an gutem Essen, alkoholischen Getränken, Kampfkuscheln, ernsten und nicht ganz so ernsten Diskussionen, lauter Musik und verschiedenen Tanzstilen. Da die Protaginisten unseres gruppendynamischen Stelldicheins überwiegend jenseits der mittleren Zwanziger war, konnten sogar alle Anwesenden sang- und klanglos akzeptieren und mitfeiern, wenn mal die Musikrichtung wechselte. Und so ein Electropunkhiphopraggapop-Wochenende hat durchaus seinen ganz eigenen Charme.

Sicher, die Hütte hielt nur, weil in den ersten 140 Jahren seit Einbau der Deckenbalken das Pogotanzen noch nicht erfunden war, aber ganz durch haben auch wir sie nicht gekriegt. Mein erster Abend endete irgendwo bei 30 bis 35 Stunden nach dem Aufstehen, die Helligkeit kroch bereits langsam die nebligen Bergrücken hoch, im Mund hatte ich irgendwas zu essen, das an eine Schuhsohle erinnerte, wahrscheinlich aber auch nicht mehr zum essen gedacht war.

Trotz nicht abschließbarer Klotüren hielten nicht etwa Sittenverrohung und Exhibitionismus Einzug, auch als offenbar einziger Verheirateter in dem irren Haufen fürchte ich jedenfalls keine Skandalenthüllungen in den nächsten Tagen, wenn so langsam die Fotos online sein werden. Im Gegenteil: Der Samstag begann mit dem jeweiligen Anti-Kater-Ritual aller Beteiligten, egal ob es sich dabei um Bergwanderungen, Kopfschmerztabletten, Konterbiertrinken oder kalt duschen handelte. Zu guter Letzt wuselten die meisten fleißig – oder zumindest gefräßig – durch die hervorragend bestückte Küche, das Ganze gipfelte in etwas, das friedlicher war als das, was ich gemeinhin als Familienfrühstück kenne.

Während die nicht völlig zerstörte Fraktion den Samstag weitgehend mit der bergauf führenden Suche nach der Schneegrenze verbrachte, stand an der Hütte alles im Zeichen der Pizza. Der besonders engagierte und kreative Teil unserer Gruppe startete mehr oder minder spontan den Bau eines Steinofens, was nicht nur im handwerklichen Bereich Folgen hatte. Schließlich hatten wir auch noch grob geschätzte zwei bis drei Kilo Grillfleisch, eine runde Tonne Salat und einiges an Beiwerk zu verzehren. Dennoch wurde der Bau und Betrieb des Ofens – der clevererweise direkt unter dem Abfluss der Regenrinne platziert wurde – in den Einkaufsplan mit einbezogen.
Mit Mitteln zweiter Wahl („Das ist kein Qualitäts-Schlamm hier!“) wurde umherliegendes Material (Grenzsteine von einer nahegelegenen Straße z.B.) verarbeitet und keine sechs Stunden nach Baubeginn wurde die erste Pizza gemeinsam mit dem ersten Radler des Tages verspeist.

Wirkte die Runde in Anbetracht der kulinarischen Herausforderungen noch etwas müde, wendete sich das Blatt im Laufe der späten Abendstunden spürbar. Zwar lag ausgerechnet das Geburtstagskind in diesen Stunden eine Weile flach („Ich hab noch nie so oft hintereinander gekotzt!“), aber nach der an eine Totenmesse erinnernden Geschenkübergabe am Bett wurde fleißig weiter Pegelsport betrieben, was nicht zuletzt unserem argentinischen Barkeeper zu verdanken war, der auch gerne mal Hand an den Lichtschalter legte, um als Low-Budget-Strobo das letzte aus der Location rauszuholen. Die Balken bogen sich im wahrsten Sinne des Wortes, ein Ende war kaum abzusehen und der Übergang in den Abreisemorgen war fließend.

Zwischendurch tauchte noch der Vermieter der Hütte auf, ein Mann in den frühen Fünfzigern, der zunächst nicht so recht begeistert ob der Tatsache erschien, dass vor seiner Hütte nun ein Pizzaofen stand. In Anbetracht dessen, dass wir im Grunde aber den Feuerschutz mehr als nur ausreichend beachteten, drückte er demonstrativ zwei Augen zu und gestand, dass das in einer „etwas professionelleren Form“ durchaus eine Aufwertung der Hütte wäre. Aus der kurzen Einholung von Unterschriften wurde dann ein halbstündiges angenehmes Gespräch („Oha, eine sehr nette Gruppe!“), das uns letztmalig bestätigte, dass wir dort genau richtig waren.

Der Aufbruch am Morgen war wie immer bei solchen Parties zu hektisch, zu nervig, in Anbetracht des Erlebten zu traurig, ganz ehrlich. Aber manche Dinge lassen sich nicht vermeiden oder aufschieben – und so war um 13 Uhr Schluss mit Lustig. Die Autos wurden beladen, der Müll eingesammelt, größer kann eine Ernüchterung nicht sein.

Der Schwob, seine Begleitung und ich mussten uns noch ein paar Stunden bis zur Zugabfahrt in Jenbach die Zeit vertreiben – was uns in einer netten Pizzeria mit angeschlossener Konditorei bei einem opulentem Mahl inklusive selbstgemachtem Eis recht leicht fiel. Dass ich an diesem Wochenende dennoch rund zwei Kilogramm Gewicht verloren hab, lässt mich über mein restliches Leben nachdenkend zurück.

Meine Heimfahrt war – dem Gelbeutel geschuldet – ein bisschen langwierig. Direktverbindung konnte man das kaum nennen, auch wenn es mit dreimaligem Umsteigen eigentlich einer der besten Wege hätte sein müssen. Selbst von Jenbach aus waren es noch zwölf Stunden, davon nur anderthalb zum Umsteigen. Wenngleich ich trotz des heftigen Samstags keinen Kater vermelden konnte, mag der ein oder andere mich bemitleiden ob des Zustands, den ich hatte, als ich am Montagmorgen um 7.45 Uhr die Tür hinter mir wieder schloss und die Welt erst einmal Welt sein ließ. Aber wenn es ein Fazit gäbe, dann würde es lauten:

Es hat gerockt! Jederzeit wieder!

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Die erste Durchsuchung

„Aha!“

rief der Beamte in bestimmendem Tonfall. Das war der Zeitpunkt, an dem ich bereit war, von allen irdischen Qualen erlöst zu werden. Ganz gleich, ob ich nun erst 14 Jahre auf diesem Planeten verbracht hatte.

Ich drücke mich gerade ein wenig vor dem Weiterschreiben am Buch und hab beim Durchsehen älterer Blogeinträge bemerkt, dass ich euch noch eine Anekdote aus meiner Vergangenheit schuldig bin: Die Geschichte meiner ersten Durchsuchung durch die Polizei. Vorhang auf!

Es war ein mittelprächtiger Tag mit mittelprächtigem Wetter. Die Wolken über Stuttgart wirkten auf den ersten Blick finster, aber es regnete nicht. Der Unterricht endete für mich bereits nach der fünften Stunde – leider war nachmittags noch Sport angesetzt. Immerhin hatten wir dieses Jahr Sport beim Kolb, der gab auch fürs Bemühen ansehnliche Noten.
Wie so oft in der Mittagspause trieb es mich und einen meiner besten Freunde zum Gül. Der Laden war es gewesen, der uns damals in das Geheimnis des Döners eingewiesen hat, hier haben wir gelernt, was „mit Scharf“ bedeutet. Döner war damals wirklich noch sowas wie das nächste große Ding, und wir waren voll dabei. Natürlich MIT Pepperoni und MIT „Scharf“, wir waren ja keine Kinder mehr!

Den Fladen haben wir gleich vor Ort verzehrt, wichtiger war uns an diesem Tag eigentlich vor allem die zweite Station während unserer Mittagspause.

„Schweinkram!“

sagte der Beamte und tastete mich weiter ab. Natürlich haben sie nichts gefunden. Von Drogen waren wir beide mehr als nur weit genug entfernt. Wir hatten ja nicht einmal den Hauch einer Ahnung, dass hier am Olgaeck gedealt wurde. Wir hatten ein paar Wochen zuvor mal ein bisschen Schnaps aus dem elterlichen Geheimversteck meines Kumpels probiert, das war alles.
Aber wegen Drogen filzten uns die beiden nun und das war definitiv das letzte, was wir erwartet hatten.

Unsere zweite Station war der Zeitungskiosk gewesen, wo ich unter Zuhilfenahme größtmöglichen Mutes eine Pornozeitschrift für uns Naseweise erworben hatte. Man konnte mit 14 ja einiges tun, bei den Kenntnissen um den weiblichen Körperbau ins Hintertreffen zu geraten, ging natürlich nicht. So peinlich es auch war, so sehr hatte es dann doch irgendwie mit Bildung zu tun. Und mit Spannung, also zumindest im Schrittbereich.

Aber kaum, dass wir uns ein paar Treppenstufen hochgeschlichen und unseren Kauf so vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen hatten, trat die Staatsmacht auf und forderte von uns, die Taschen zu entleeren. Nach der zögerlichen Preisgabe des Heftes wünschte ich mich umgehend an einen schöneren Ort, vielleicht in eine Matheklausur?

Natürlich war das Ganze recht schnell überstanden, aber wer mit 14 von der Polizei ob seiner Lesegewohnheiten getadelt wird, muss wahrscheinlich eine kritische Haltung zu diesem Staat entwickeln. Ziehe ich jedenfalls neben der Theorie mit dem gesunden Menschenverstand bis heute als Erklärungsansatz in Betracht.

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