Sturmfrei!
Wieder einmal stelle ich fest, dass dieses grundsätzliche „Boah, geil!“-Gefühl nicht weichen will, wenn ich mal alleine bin. Inzwischen liegt das wohl vor allem daran, dass es selten geworden ist. Das heißt: Alleine bin ich sehr oft. Schließlich teile ich mit Ozie nur selten einen Schlafrhythmus und so wie ich jetzt am Schreibtisch zum Bloggen sitze, hätte ich das auch jeden zweiten x-beliebigen Tag des vergangenen Jahres tun können – nein, ich hab es sogar getan. Und das umfasst noch nicht einmal den kompletten Zeitraum, seit wir verheiratet sind.
Ja, im Gegensatz zum elterlichen Haushalt hat man halt im eigenen ohnehin ein paar Freiheiten mehr, auch wenn ein Partner anwesend ist. In meinem Fall: alle! Ich kann in meinem Alltag, wenngleich verheiratet, essen wann ich will, schlafen wann ich will, arbeiten wann ich will. Ich kenne nicht das dem ein oder anderen Kollegen verordnete Alkoholverbot, ich sitze am PC, wenn es mir passt … und Ozie umgekehrt natürlich auch. Zugegeben, vielleicht bleibt bei uns im Haushalt öfter mal was liegen als anderswo. Dafür schiebe ich nicht mismutig 12-Stunden-Schichten wie ein Kollege, „weil auf der Straße is‘ immer noch besser als zu Hause.“
Ich weiß, dass ich Glück habe. Die Welt ist voll von selbsternannten Propheten, die Weisheiten über Beziehungen kundtun, bei denen ich umgehend kotzen könnte. Soso, Eifersucht ist was normales, Streiten gehört dazu, die Einschränkungen einer Beziehung tun nunmal weh …
Ich hab längst beschlossen, irgendwann mal einen Ratgeber zu schreiben, in dem derartiges Geplärre nicht vorkommt, weil es Bullshit ist. Es dürfen sich meinetwegen da draußen alle knechten und ärgern wie sie wollen. Ich frage mich nur desöfteren, warum SM als Sexpraktik immer noch ein Nischendasein führt, wo es als Beziehungspraxis doch offenbar Alltag ist in diesem ach so konservativen Land.
Aber wir waren beim Glück, dass ich das nicht kenne und beim sturmfreie Bude haben.
Warum?
Warum freue ich mich immer noch so über ein sturmfreies Wochenende, wo doch der Alltag schon so ganz ohne Gewitter abgeht? Ich bin da auch ein wenig im Dunkeln getappt, hab nun aber eine – wirklich nur für meine Situation gültige – Erklärung gefunden: Musik! Ich kann nachts ohne Kopfhörer beruhigt Musik hören! 🙂
Das liegt natürlich nicht am unterschiedlichen Geschmack – da sind wir uns auch ähnlich, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten – nein, Ozie hat offensichtlich nicht genügend Chaoze-WG-Lautstärken-Sozialisation hinter sich, um zu wissen, dass auch nachts um 3 Uhr gewisse Lautstärken ok sein können. Zumal in einem Haus, in dem ich demnächst einfach mal irgendwelche Leute anquatschen könnte, was sie denn zum Vorwurf ihres Partners sagen, den der gestern, vorgestern, letzte Woche und alleine dreimal im April 2012 formuliert hat.
Ich bin ein wirklich humaner Nachbar geworden und höre kaum laut Musik. Zweimal im Jahr so richtig vielleicht. Ozie hingegen traut sich nachts oft nicht einmal, ihre Nähmaschine anzuschmeißen, was nun wirklich definitiv keiner außerhalb ihres Ateliers mitbekommt. Und da nun der Sound von Wasauchimmer natürlich dennoch zuerst unsere dünnen Holztüren – und dann erst den Beton zu den ständig streitenden Nachbarn mit den offenbar teilweise unehelichen und hyperaktiven Kindern – überwindet, fällt an diesem klitzekleinen Punkt meines Lebens tatsächlich ein bisschen Last von meinen Schultern, wenn Ozie wie jetzt im Urlaub ist.
Darauf genehmige ich mir jetzt erst einmal die Echoes von Pink Floyd. Um 3 Uhr morgens …
PS: Dieser Text wird um einiges amüsanter, wenn man statt „Musik“ die Worte „die Tonspur von Pornos“ einsetzt. Das wäre dann Punkt zwei auf der Liste.