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Dramen im Kleinen

„…dann hab ich die beiden gesehen: In IHREM Schlafsack. Bin ich rausgerannt, musste ich heulen. Ich war SOOOO fertig! Dann kommt die und will mich beruhigen, hat aber nicht geklappt. Mir ging es halt echt voll Scheiße, ich hab sie halt voll angeschnauzt und dann den Rest der Nacht geheult. Das ist echt so eine blöde Zicke, ey!“

Meine Aufmerksamkeit hatte das geschätzt 10-jährige Mädel umgehend nach meinem Einstieg in die Straßenbahn. Während sie ihrer vermutlich allerbesten Freundin gegenüber etwas vormonologisierte, verzweifelte ich ein wenig ob der Tatsache, nichts zu schreiben dabei zu haben – wobei einige meiner Twitter-Follower schnell mit Hilfsvorschlägen kamen. Danke! 🙂

„Und dann … und dann … dann bin ich auch noch in jemand anders verliebt!“

Der Satz hätte mir fast das Herz gebrochen. Da steckte so viel Drama und gleichzeitig kindliche Naivität drin, dass ich es kaum mehr fassen konnte. Alleine schon, weil ich das kenne. Verliebtsein in der späten Kindheit und der frühen Jugend ist so etwas wunderbares, das muss man sich nicht zwingend für eine Person aufheben. Im Zweifelsfall funktioniert es wenigstens parallel mit der scharfen Klassenkameradin und der Lieblingsschauspielerin!

Nun, die kleine Heldin, die die gesamte Straßenbahn mit ihren amourösen Abenteuern unterhielt, war natürlich erst am Anfang ihrer Geschichte:

„Der, der ist auch vom Sommercamp. Weißt Du, der saß, wir saßen da so im Bus, er so neben mir und dann hab ich gefragt, ob ich mich an ihn anlehnen darf. Hat er ja gesagt. Der hat dann ja auch geschlafen. Also ich saß erst so und hab meinen Kopf hier so und dann hab ich mich aber so hingesetzt und hab jetzt hier mit meinem Kopf und während er geschlafen hat, ist sein Kopf dann so zu mir rübergekippt – das fand ich ja soooo NIEDLICH!!!“

Ich kann nur hoffen, dass bei euch Lesern da auch die Erinnerungen hochkommen. Ich hatte jedenfalls ein paar Gesichter vor Augen …

„Und ich hatte ja eh das Bild für ihn gemalt und dann hab ich gefragt, ob ich ihm noch eins geben könnte, also noch ein Bild. Hat er ja gesagt und ich steck ihm so das Bild in seine Tasche, aber das war eigentlich meine Adresse. Also als Bild meine Adresse, das ist so COOL!“

Doch – o weh! – auch in diesem Alter liegen Glück und Leid eng beieinander:

„Und jetzt mal sehen, ob der mich … SCHEISSE! Was ist, wenn der mich jetzt anruft, wo mein Handy AUS ist?“

Hach. Verliebt zu sein ist wahrscheinlich einer der besten Gefühlszustände, der je erfunden wurde. Aber manchmal bin ich sogar regelrecht froh, diese ständigen Adrenalinschübe vom Bangen* und Hoffen eingetauscht zu haben gegen Vertrauen, bedingungslose Hilfe, gegenseitiges Kennen. Es hat beides enorm viel für sich und das wirkliche Drama – unabhängig vom Alter – ist wohl, dass es das beides niemals wirklich zusammen geben wird.

*So, und wer das jetzt englisch ausgesprochen gelesen hat, muss wenigstens einen „Asche über mein Haupt“-Kommentar abgeben.

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„Der 2er ist der Kasus Knacksus!“

Ist ein herrliches Wochenende gewesen. Über 30°C (hier in Berlin ja sogar wirklich moderate 35 und bislang nur einen Tag lang) und zumindest Samstag und Sonntag sollte das Geschäft halbwegs gelaufen sein, weil die zahlreichen muslimischen Fahrern das Ende des Fastenmonates Ramadan zu feiern hatten und dem Rest der Taxifahrer die Straße überlassen. Hätte, sollte, könnte – wie man sieht: ich war nicht dabei.

An Schicksal glaube ich zwar nicht, aber offenbar kann auch der Zufall ein Arschloch sein, denn just dieses Wochenende hat es mich besonders elegant von den Hufen geholt: Ein Abszess am Kiefer – bedeutet übersetzt höllische Schmerzen und bei einem Blick in den Spiegel eine spontane Verwandtschaft mit Quasimodo und diversen Hamsterarten. Au Backe – im wahrsten Sinne des Wortes.

Und natürlich: Wochenende, kein Arzt meines Vertrauens hat offen … wollte ich mich gedulden: Montag ist auch noch ein Tag!

Nachdem ich aber am Mittag des Sonntags auch nur vereinzelte Stunden Schlaf gefunden hab, zudem immer hart an der Grenze zwischen unerträglichen Schmerzen und Medikamentenüberdosierungen, hab ich doch mal den Notdienst der kassenärztlichen Vereinigung angerufen. Und wenn es bloß war, um bessere Schmerzmittel zu bekommen.

Und so stand ich dann einer Stunde später einem etwas ratlosen Gynäkologen gegenüber. Er empfahl mir mit mitleidiger Miene, mich doch gleich an den zahnärztlichen Notdienst zu wenden, weil das sicher von dort ausgehen würde. Puh! Aber ich hatte Schmerzen, also alle Ängste über Bord geworfen, schnell ein Taxi bestellt und los ging es. Die Praxis sollte nämlich in 30 Minuten schließen …

Also abgesehen davon, dass eine zahnärztliche Not-OP nun wirklich das letzte ist, was ich jemandem wünsche (kommt irgendwo zwischen Hodenkrebs und den Hintern aus einem Trockeneiseimer nicht mehr rausbekommen), war das doch eine super Sache. Eine nette, kompetente und schnelle Ärztin, die mich mal eben aufgebohrt, aufgeschnitten und zurechtgebogen hat, so dass ich trotz höllischer Qualen nach ungefähr 30 Minuten mehr oder minder völlig schmerzfrei wieder auf der Straße stand und das Ganze vorerst ein Ende zu haben scheint. Also abgesehen von Nachkontrolle, Antibiotika und so …

Irgendwie bin ich allerdings dazu geboren, ärztliche Ratschläge zu ignorieren. Gut, mir war nicht nach körperlicher Anstrengung und Sonne – was sie mir beides strikt untersagte – aber am Ende kam es dann doch so, weil ich „einfach mal loslaufen“ wollte, „bis ein Taxi vorbeikommt.“

Eine Dreiviertelstunde bei 35°C ohne groß Schatten später war ich dann zu Hause. Gut, ich bin platt, ausgepowert, müde und hab morgen einen Zahnarzt-Termin. Aber verdammt nochmal, mir ging es selten so gut wie jetzt! 🙂

(vielleicht liegt das aber auch an der Spritze, wer weiß …)

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Augen rauf!

Ich würde ja gerne ein paar tolle Neuigkeiten verkünden, aber dazu ist das Leben meiner Wenigkeit wohl zu langweilig. Ich arbeite, schlafe, trinke, esse und gelegentlich … nein, das muss ich hier nicht auch noch thematisieren. 😉

Bücher könnte ich jede Menge besprechen, empfehlen und sonstwas mit ihnen anstellen, aber es soll auch nicht so aussehen, als wäre das hier ein Blog, den ich nur für Amazon führe.

Vielleicht interessiert es aber den einen oder die andere, dass es sich gerade lohnt, nachts mal einen Blick in den Himmel zu werfen. Die Perseiden sind mal wieder auf Kollisionskurs, so dass man gerade eine recht gute Ausbeute hat, wenn man Sternschnuppen sucht. Mir sind heute Nacht im Taxi schon mehrere aufgefallen – und das wirklich nur nebenbei beim Fahren. Falls also wer abergläubisch ist und dringend einen Wunsch erfüllt haben will, dann wäre heute Nacht ein guter Zeitpunkt, mal nach oben zu sehen. 😀

Ach so, wenn wir schon bei Astronomie sind: Wir (als Menschheit) haben gerade mal wieder einen Rover auf dem Mars platzieren können. Zum einen ist es wirklich sehr beeindruckend, was die Technik heute kann, zum anderen aber twittern ein paar NASA-Leute unglaublich lustig im Namen des Rovers „Curiosity“ unter @SarcasticRover – allerdings auf englisch.

„Was’n Scheiß! Für sowas geben wir so viel Geld aus!?“

Wer das denkt, sollte unbedingt mal den Artikel von Florian Freistetter über wirkliche Geldverschwendung lesen …

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Kleine Buchempfehlung

Wegen gnadenlos guter Rezensionen hat sich vor einiger Zeit „Das viktorianische Internet“ von Tom Standage auf meinen Amazon-Wunschzettel verlaufen. Vor kurzer Zeit hat ein lieber Leser mir dieses Buch dann tatsächlich gekauft und ich hab es trotz vielfältiger anderer Beschäftigungen binnen dreier Tage durchgelesen.

Und ich muss einfach mal sagen: Wow!

Ich bin ein geschichtlich und technisch interessierter Mensch, allerdings mit dem fatalen Hang zu guten Texten. Ich finde Geschichtsbücher unsagbar öde, selbst wenn sie spannende Zeiten beschreiben. Und ich denke, ich bin da nicht alleine. Es ist einfach viel schöner und nachvollziehbarer, wenn Geschichte anhand einzelner Geschichten oder Dinge erzählt wird und nicht als bloße Abhandlung von vermeintlich wichtigen Fakten. So ermüden mich all die Dokus übers dritte Reich trotz enormem Interesse stets, die Tagebücher von Victor Klemperer haben mir den alltäglichen Wahnsinn jedoch nahebringen können.

Nun, worum geht es im „viktorianischen Internet“?

Eigentlich nur um die Geschichte der Telegraphie, bzw. des Telegraphen. Tom Standage nutzt als Aufhänger die Gemeinsamkeiten der damals revolutionären Technologie mit dem heutigen Internet, beschreibt letzten Endes aber einfach sehr packend, was selbige in ihrer Zeit bedeutete. Er erzählt spannend vom technologischen Fortschritt, den damit einhergehenden gesellschaftlichen Entwicklungen und nebenbei auch von den wichtigen Wegbereitern und ihren Intentionen. Mit rund 240 Seiten ist es kein opulentes Werk, sondern eher eine kurze populärwissenschaftliche Lektüre, die man auch mal nebenher lesen kann – und dabei dennoch unglaublich viel lernen.

Ich weiß nicht, wie es euch Lesern geht: Sind da Telegraphie-Experten dabei? Die brauchen das Buch sicher nicht. Aber wer gerne ohne sich zu langweilen interessante Geschichten von vor 200 Jahren liest und sich nebenbei über eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit (das war der Telegraph tatsächlich!) informieren will, der sollte das Buch kaufen. Ehrlich!

Ich jedenfalls hab ein paar kurzweilige Stunden damit verbracht und bin jetzt um einiges klüger. Arg viel mehr kann man von einem Buch nicht erwarten, oder?

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Die meisten Unfälle …

…passieren im Haushalt.

Das ist schon lange keine statistische Erkenntnis mehr, sondern ein geflügeltes Wort. Weiß ja jeder. Überhaupt ist das Leben lebensgefährlich, das halten einem die vielen Bagatellunfälle mit schweren Folgen immer wieder vor Augen. Trotzdem sah ich mich lange Zeit davon verschont. Dass ich mal im Bad ausgerutscht bin und mir ganz klassisch fast das Genick gebrochen hätte, ist über 10 Jahre her, an weitere Dinge kann ich mich kaum erinnern. Klar, ein Wadenbeinbruch beim Spielen mit Kindern kam 2008 noch dazu, aber aus der Berliner Wohnung glaubte ich lange, alle potenziellen Gefahrenquellen verdammt, bzw. mit dem Rest von ihnen eine gewisse Geschicklichkeit erlangt und die Gefahren selbst so minimiert zu haben.

Pustekuchen!

Ich selbst tapse zwar unbeholfen und unbeschädigt wie eh und je durchs Leben, aber Ozie ist von einer absoluten Pechsträhne begleitet seit einer Woche. Alles begann mit dem Zusammenbau ihres neuen PC. Obwohl immer sehr geschickt im Umgang mit Hardware, bekennt Ozie mit all ihren Computern Blutsbrüderschaft geschlossen zu haben. Irgendeine unsauber geschliffene Kante des Mainboards, eine Lamelle des Kühlkörpers oder eine Strebe am Gehäuse sorgte letztlich immer für Blutverlust. Die Computer übrigens haben das alles immer anstandslos überlebt.

Dieses Mal wehrten sich Kühler und Lüfter mehr denn je, aber die Operation gelang. Kaum, dass das erledigt war, eilte Ozie in die Küche, wollte sich Essen zubereiten und schnitt sich beim Reinigen eines Messers einen halben Zentimeter tief in den Daumen. Sie hatte es Stunden zuvor extra geschliffen …

Kaum dass wir diese Wunde mehr oder weniger fachgerecht verarztet hatten und das Schlachthaus die Küche gereinigt, schnitt sie sich erneut – ironischerweise beim Wegpacken ihres alten Mainboards in einen Karton. Der erste Schnitt beschäftigte sie die ganze Woche, ging zweimal wieder auf, zuletzt aber wichen der Verband einem Bärchenpflaster und das Bärchenpflaster durfte dann gestern früh auch ab. Alles gut verheilt, nichts entzündet.

Daraufhin schnitt Ozie sich erneut. Morgens in der Dusche bei einem ungeschickten Griff zu einer nicht ganz vollständigen Armatur – die so seit 5 Jahren in dem Bad hängt. An diesem Punkt hätten wir das mit dem Glauben an den Zufall aufgeben sollen und einfach alle gefährlichen Gegenstände wegschließen. Aber wir sind ja nicht abergläubisch! Es kam, wie es kommen musste:

Beim Kochen gestern Abend verbrühte Ozie sich beim Abgießen der Spaghetti. Nicht übermäßig großflächig, aber dafür schön schmerzhaft. Ich schneide ja gerne die Tomaten für sie, während sie dazu nicht in der Lage ist. Aber ich tue es so langsam mit einer gewissen Angst, sobald ich das Messer sehe …

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Spinner, staatlich begünstigte

Nachdem ich im Briefkasten eben eine Broschüre der vdhs (Verbreitung der heiligen Schrift) gefunden habe, hab ich mich ziemlich aufgeregt. Dass religiöse Menschen nervig sind, wenn sie missionierend unterwegs sind, ist nicht neu. Aber das Heft mit dem schönen Titel „Wie gut ist der Mensch?“ ist wirklich eine Herausforderung für alles, was ein Gehirn hat.

9 von 13 Inhaltsseiten widmen sich der redundant vorgetragenen christlichen Grundüberzeugung, dass wir alle schlecht sind. Und dass es – ungelogen, das steht so da drin – letztlich egal ist, ob man sich redlich bemüht oder seine Kinder verprügelt. Der Rest ist denkbar simpel und vorhersehbar: Auch wenn wir unsere Kinder verprügeln, sollten wir doch einfach daran glauben, dass der Typ vor 2000 Jahren für uns gelitten hat und daraufhin wäre alles ok. Und das – vergessen sie auch nicht zu erwähnen – sogar umsonst!

Na ist das nicht geil?

Hab dem Verein eben eine Mail geschrieben. Mit dem Inhalt der Broschüre wollte ich mich nicht aufhalten, schließlich will ich praktische Tipps:

Mit Erschrecken musste ich feststellen, dass ich offenbar ein schlechter Mensch bin, habe ich doch den „Keine Werbung“-Aufkleber an meinem Briefkasten nicht in einer Sprache angebracht, die missionswilligen Vollzeit-Gurus verständlich ist.

Dies würde ich gerne nachholen und bitte um eine Rückmeldung, wie ich künftig die Zusendung von mich als gebildeten Menschen intellektuell beleidigenden Broschüren der vdhs verhindern kann.

Mit freundlichen Grüßen,

gerne auch an ihren imaginären Freund,

Sascha Bors

PS: Staatlich begünstigt ist natürlich nicht die vdhs, sondern die Kirchen, die den selben Schund ein bisschen erfolgreicher verbreiten. Und die Broschüre wirbt damit, nicht für Sekten oder „christliche Sondergruppen“ zu werben. Insofern fand ich eine Gleichstellung passend. Und ja, ich finde, dass das alles das selbe widerliche Pack ist. Mich kotzt die Religion so langsam wirklich an!

Nachtrag: Vor Ewigkeiten wurde dieser Blogeintrag offenbar in irgendeinem christlichen Forum verlinkt. Seitdem dient das Kommentarfeld darunter dazu, religiöse Spinner anzulocken. Und wer mir den Begriff „Spinner“ übel nimmt, hat die Kommentare offenbar noch nicht gelesen. Eigentlich ist das alles natürlich nicht toll, aber ich hab es mehrmals nicht übers Herz gebracht, dieses wirklich sonderbare Biotop zu schließen. Es ist einfach zu lustig anzusehen. Dennoch musste diese Warnung langsam mal sein: Alles, was ab hier gesagt wird, besser nicht zu ernst nehmen!

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Die Sache mit der Sicherheit

Manche Themen sind so nervig und so ausgelatscht, dass man … ja was?

Immer wieder über sie diskutieren muss!

Und Sicherheit ist leider so eine Sache. Ich vermute, wir sind uns alle einig, dass Sicherheit an und für sich etwas tolles ist. Und auch etwas erstrebenswertes. Es ist ein unglaublich beruhigendes Gefühl, dass ich hier am PC sitzen kann und nicht befürchten muss, dass in den nächsten Minuten eine bewaffnete Horde Menschen die Wohnungstür aufbricht, um mich und Ozie zu lynchen. Hätte ich permanent diese Angst im Nacken, dann wäre mein Leben um einiges unschöner und ich weiß es zu schätzen, dass ich diese Furcht nicht ernstlich haben muss.

Aber: Alles hat Grenzen!

Drüben bei GNIT liege ich gerade mehr oder weniger mit einem Kommentator im Clinch, der mir einzureden versucht, ich solle zum einen wesentlich wählerischer bei meinen Fahrgästen sein, zum anderen auch bitte nicht in meinem Blog erwähnen, dass ich auch mal über 200 € eingenommen hätte, weil derartige Informationen immer auch Räuber anlocken würden. Während ich die grundsätzlichen Überlegungen zu diesen Themen befürworte und durchaus auch bereit bin, hier und da meine Meinung nach entsprechender Sachlage zu ändern, muss ich doch vorerst sagen:

BULLSHIT!

Ich gehöre nun wirklich zu den Menschen, die sich äußerst ungern auch nur streiten, die keinerlei Wert auf Auseinandersetzungen legen, sondern immer nur Diskussion und Kompromiss im Sinn haben. Aber derlei Vorschläge hinterlassen mich gleichermaßen ratlos wie aufgebracht. Vorsichtig zu sein ist eine Sache, aber der Sicherheit überall und scheinbar bedingungslos den Vortritt zu geben, macht das Leben lebensunwert. Mein Chef z.B. rühmt sich damit, niemals einen betrunkenen Menschen gefahren zu haben. Ich zweifele das nicht nur ein wenig an, ich stelle zudem fest, dass es kein Wunder ist, dass ich einen offenbar lesenswerten Blog übers Taxifahren schreibe und nicht er. Aber das ist nicht einmal der Punkt. Denn wenn es mir wirklich um Sicherheit ginge, dürfte ich gar nicht nachts, nein eigentlich nicht einmal Taxi an sich fahren.

Denn Teil des Jobs wie des Lebens ist es, mit Menschen zu kommunizieren. Geschäftlich, privat, mit netten und mit blöden Menschen, immer wieder und wieder. Und Menschen sind in letzter Konsequenz immer unberechenbar. Menschen werden Opfer von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Berufes, ihres Verhaltens, ihres Aussehens, ihres Daseins an sich. Das ist nicht toll und nichts davon ist irgendwie verteidigenswert, aber ebenso ist es nicht grundsätzlich einfach abschaffbar.

Und mehr noch als besagter Kollege und Kommentator bei GNIT wollen uns alle möglichen Menschen immer wieder genau dieses Konzept verkaufen:

„Lass uns dieses oder jenes noch richtigstellen, dann ist das gut so.“

Ich sage es noch einmal: BULLSHIT!

Wir können Risiken vermindern, Grenzen verschieben, Wahrscheinlichkeiten beeinflussen. Das können wir, das können wir sogar in manchen Bereichen sehr effizient. Taxifahren im Panzerwagen wäre ein sehr sicherer Job, aber es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Taxifahrer anno dazumal in der BRD die gesetzlich vorgeschriebene Trennscheibe abgeschafft haben.

Wir mögen unsere Prioritäten im Einzelfall anders setzen, aber Sicherheit ohne Freiheit ist einen Scheißdreck wert! Würden wir Panzerwagen als Taxen einsetzen, wäre beispielsweie GNIT hinfällig. Sicher für viele ein verkraftbarer Verlust. Für mich nicht! Und wir alle haben unsere Privatsphäre und ein Recht darauf, Dinge zu tun, die fragwürdig sind. Und damit meine ich keine kriminellen Dinge. Aber wer überwacht, ob meine Fahrgäste friedlich sind, bekommt auch mit, ob sie verliebt, betrunken oder dämlich sind. Wer überwacht, ob ich im Internet nach Bombenbauanleitungen suche, wird auch feststellen, welche Pornos ich ansehe und wer Einbrecher vor meiner Tür stoppt, hat auch die Möglichkeit zu beobachten, wie oft und was ich einkaufe.

Ich würde es gerne zu 100% ausschließen, mit meinem Job meine Gesundheit oder mein Leben zu riskieren. Ehrlich. Natürlich! Aber das kann ich nicht. Und das werde ich nicht können, indem ich meine Fahrgäste alle nach dem Ausweis frage, sie nur nackt einsteigen lasse, einen Panzerwagen fahre oder wie jetzt auf meine Menschenkenntnis vertraue. Ich lebe mein Leben und habe meine Arbeit hier und jetzt. In dieser – an vielen Ecken verbesserungswürdigen – Gesellschaft. Und genau hier und jetzt und so mache ich meinen Job gerne. Das bedeutet, ich bringe auch mal Leute ans Ziel, die kurios wirken und es bedeutet, dass ich selbst herausfinden muss, wo meine Grenzen liegen.  Es bedeutet damit natürlich auch, hier und da mal einen Fehler zu machen.

Aber es bedeutet für mich auch, dass ich darüber schreiben kann. Es bedeutet, dass ich eine ausgeglichene Psyche habe und es ermöglicht eine Menge neuer – und manchmal auch grenzwertiger – Erfahrungen. Am Ende, so pathetisch und kitschig das auch klingen mag, ermöglicht es nicht mehr und nicht weniger, als leben an sich. Und was für ein schwacher Trost muss Unsterblichkeit für jene sein, die nie gelebt haben …

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