Nein, nach der langen Pause kein Text zu „Corona-Kritikern“ oder vergleichbarem Bullshit! Hätte ich zugegebenermaßen auch mal wieder Bock drauf, aber nicht jetzt.
Wie man sieht, treibt mich gerade nicht mehr viel an die Tastatur. Genau genommen sind es gerade im wesentlichen ein paar Games oder ernsthaft notwendige Sachen. Umso mehr dürfte überraschen, dass dann plötzlich ein Thema daherkommt, dessen Relevanz man getrost irgendwo knapp über Null verorten kann: Freibad!
Wir waren im Freibad. Recht oft in den letzten Wochen, denn ein Freibad (meist nur das Kinderfreibad ums Eck) ist wirklich eine gute Idee, um aufgedrehte Zweijährige zu beschäftigen, auszupowern und trotzdem nicht überhitzen zu lassen. Die Eltern interessieren in diesem Szenario eigentlich eher wenig, aber da ich nun ein Elternteil in entsprechender Position bin, möchte ich genau darauf raus.
Ich hab mich in den letzten Jahren selten so gut gefühlt wie dieser Tage im Freibad und das hat natürlich seine Gründe.
Unspektakulär an sich ist natürlich dieser: Ich war seit etwa 25 Jahren nicht mehr in einem Schwimmbad.
Der Punkt wo es interessant wird, ist natürlich der Grund dahinter, gemeinhin Hintergrund genannt: Ich hab mich in Bädern immer unwohl gefühlt, weil ich seit meiner Kindheit stark übergewichtig bin und das halt in Kombination mit den Menschen da draußen seine Komplexe mit sich bringt.
Das klingt irgendwie so normal und gleichzeitig fies pathologisch, ich hab keine Ahnung, ob sich das Leute vorstellen können, die mit einem halbwegs „normalen“, sprich „normentsprechendem“ Körperbau irgendwie vorstelllen können. Vielleicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin für Erfahrungsberichte dankbar.
Bei mir jedenfalls ist es so, dass mein Bauch, seit ich 10 bin oder so, aus jeder Badehose rausquillt. Vorne, rechts, links. Hängt, hat Falten und Dehnungsstreifen, „Man Boobs“, die gut in B-Körbchen passen würden, treten hervor und nicht zuletzt hat auch die Akne den ein oder anderen Fleck auf meinem reinweißen Körper hinterlassen. Ich bin ehrlich gesagt für meinen ganz persönlichen Geschmack bezüglich attraktiver Menschen nicht hübsch.
Das eigentliche Ding daran ist natürlich: Ja und?
Ich gehe ja nicht ins Freibad, um potenzielle Sexualpartner zu umgarnen, sondern um mich daran zu erfreuen, all dem Speck mal etwas weniger Gravitation zugute kommen zu lassen. 😉
Das Ding ist halt: Als ich mich das letzte Mal getraut habe, ohne Shirt ins Wasser zu gehen, war in meinem Kopf noch fest verankert, dass es dann doch irgendwie wichtig ist, ob die anderen Menschen mich dort wenigstens noch ok finden. Natürlich ist man mit 15 fast zwangsweise in einer Peer-Group, die dicke Senioren auslacht und die Körper der Gleichaltrigen bewertet. Und so kommt es dann, dass ich als Übergewichtiger jede Situation, in der ich in die Gefahr hätte kommen können, mich mal meiner Oberbekleidung zu entledigen, als Gefahr gesehen hab. Jetzt nicht im Todesangst-Totalvernichtungs-Sinne, aber immer wenn „Schwimmbad“ auf der Liste stand, war da der Gedanke ans Ausziehen. Immer. So wie verantwortungsbewusste Eltern zuerst „Sonnencreme!“ denken und Kinder „Pommes!“. Immer. Und das war eben ein unangenehmer Gedanke: „Was denkt Julia, wenn ich im Sitzen dickere Brüste habe als sie?“, „Nimmt mir Dennis noch ab, dass ich der coole Typ bin?“, „Rennt Lina nicht eh weg, wenn ich da so durchs Gebäude schwabbel?“.
Richtig: Man ist schon dick und kann sich nicht einmal auf die Pommes im Freibad freuen!
Und ganz im Ernst: Das Problem ist, dass diese Gesellschaft halt am Ende eine Menge ekliges Fatshaming betreibt. Ja, auch dein blöder Kommentar mit 12 über „die dicke Kuh Laura“ gehört dazu.
Ich kann mich nun wirklich nicht damit brüsten, in meinem Leben allzu hart diskriminiert worden zu sein. Wie auch als großer weißer Mann in diesem Land? Ich hab sogar lange Zeit meines Lebens echt geile Freunde und Freundinnen gehabt, die sich explizit gegen so eine Scheiße ausgesprochen haben, aber am Ende habe ich vielleicht doch mehr als ich wollte darunter gelitten, dass meine Mutter mich mal irgendwann entsetzt angeschrieen hat, dass das doch nicht sein könne, als ich ihr verkündet hab, dass die Waage im Schwimmbad 70 kg angezeigt hat. Das hat sich locker verdoppelt seither.
Ich hab mich jedenfalls seit 2003 etwa (und das war eine einmalige und doch eher weirde Ausnahme mit WG-Mitbewohnern in der Sauna, davor das letzte Mal war eher 1996) nie oberhalb der Kniee in der Öffentlichkeit ausgezogen. Nie. Weil ich ein schlechtes Gefühl dabei gehabt hätte. Überlest das bitte nicht, denkt bitte über eure Erfahrungen nach! Ich war seit 1995 nicht mehr schwimmen! NUR deswegen! Und ich halte mich für sonst emotional recht stabil.
Und nun Freibad!
Auch hier erst einmal gerne mit Hemd. Ich kriege ja schon Sonnenbrand von Fotos der Sonne. Aber dann eben auch weil geht halt nicht. Gucken ja alle.
Dass ich zuletzt dann doch zwei Tage oberkörperfrei im Bad verbracht habe, hat mir ein Hoch beschert, das wirklich unfassbar war. Ich hatte selbst keine Ahnung, wie groß die Blockade davor gewesen sein muss. Ich bin nahe daran, es mit dem Selbstwertgefühl zu vergleichen, das man in den ersten Wochen nach dem ersten Sex hat. Obwohl ich nur das getan hab, was Bauarbeiter offensichtlich als Einstellungstest absolvieren müssen. Irgendwas ist da falsch.
Ich würde jetzt gerne irgendwelche Tipps an Leute geben, denen es geht wie es mir ging. Kann ich nicht. Denn ganz ganz ehrlich: Ich glaube, dass das ein ernstes psychologisches Trauma ist, das ich selbst noch nicht wirklich aufgearbeitet habe und zu dem ich entsprechend keine Tipps geben sollte.
Mein „Trick“ ist der gewesen, als seit bald 15 Jahren in einer stabilen Beziehung lebender Typ wirklich nichts mehr auf den Balzmarkt geben zu können, vielleicht noch garniert mit einer weiteren LMAA-Haltung, weil ich kein Problem damit hab, jetzt gerade in der Rolle „dicker, aber sehr guter Papa“ zu brillieren, die halt auch kaum körperliche Grenzen hat.
Vielen Dank.
Wir hören uns wieder in der Folge „Arschbombe mit 40 – jetzt wird’s richtig feucht!“